Von Wissen/Unterhaltung zu offiziellem/populärem Wissen



John Fiske, im Jahr 2000 emeritierter Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität von Madison, Wisconsin, arbeitete auf dem vielfältigen Feld der so genannten Cultural Studies, wie es sich ausgehend vom Centre for Contemporary Cultural Studies in Birmingham entwickelt hatte. Er legte eine ganze Reihe von stark beachteten Büchern (z. B. Understanding Popular Culture, 1989; Reading the Popular 1989; Power Plays Power Works, 1993; Media Matters, 1994) vor, in denen er (im Anschluss an Stuart Hall, Michail Bachtin, Michel de Certeau und Michel Foucault) eine eigenartige Konzeption der Populärkultur entwickelte – und hat damit das Verhältnis von Wissen und Unterhaltung reformuliert. Sein Ansatz unterscheidet sich z. B. von dem der kritischen Theorie oder traditionellen Formen der Ideologiekritik. War dort das Feld der Populärkultur im Wesentlichen ein Verblendungszusammenhang, durch den eine Kulturindustrie eine ideologische Hegemonie über den Großteil der Rezipienten errichtet, wird sie bei Fiske zum Ort diskursiver Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Formen des Wissens. Er wird nicht müde zu betonen, die Konsumenten populärer Kultur dürften nicht einfach als ‚kulturelle Deppen‘ (Hall) abgetan werden. Im Gegenteil: Die Populärkultur ist für Fiske gerade ein Ort, an dem eine Art lokale Opposition, Entzug, Widerstand möglich wird. Diese These hat ihm scharfe Kritik eingebracht. ‚Pointless Populism‘ wurde ihm von William R. Seaman vorgehalten[1] und Mas‘Ud Zavarzadeh spricht gar von einem „conservative [...] postmodernism“.[2] Es klingt in den Ohren der scientific community schrill, wenn die vermeintlich so trivialen und zugleich ideologischen Produkte der Unterhaltungsindustrie in ihrer Aneignung als Populärkultur mit einem Potenzial zum Widerständigen ausgestattet werden. Ja, schlimmer noch: Die diskursive Formation, die man Wissenschaft zu nennen pflegt, droht bei Fiske selbst auf die Seite des hegemonialen Wissens zu rutschen. Gerade dieser Aspekt der Wissenschaftskritik bringt ihn in eine gewisse Nähe zu den Arbeiten von Michel Foucault, insbesondere zu dessen Überlegungen in L‘ordre du discours.[3] Der Unterschied zwischen Wissen und Unterhaltung droht nicht nur zu verschwimmen, die Wertungen scheinen sich geradezu umzukehren.
Fiske vertritt jedoch nicht das den traditionellen Formen der Ideologiekritik einfach spiegelbildlich entgegengesetzte Extrem, Populärkultur sei per se ‚subversiv‘ oder zumindest ‚frei‘ – eine Vorstellung, die man bisweilen im so genannten Uses-and-Gratifications-Approach findet.[4] Die Verkürzung von Fiskes Ansatz auf ein liberalistisches Modell, in welchem die Machteffekte, die immer auch mit Populärkultur und ihrer Rezeption verbunden sind, einfach vergessen werden, findet sich gelegentlich auch in der deutschen Rezeption.[5] Doch die Objekte und Produkte, aus denen die Populärkultur als Aneignungsform generiert wird, sind für Fiske immer Mischungen aus Hegemonie und Ansatzpunkten für Widerstand und Entzug (I). Die beiden Pole, zwischen denen sich der Kampf um das Populäre ereignet, benennt er mit den – vielleicht nicht ganz glücklichen – Termini power-bloc (Machtblock) und the people (die Leute[6]). Diese flüssigen, beweglichen und nicht-soziologischen Formationen und die ihnen von Fiske zugeordneten Wissensformen ‚offizielles‘ vs. ‚populäres‘ Wissen sollen in II. erörtert werden.
I. Populärkultur. Fiske, der sich selbst als „inveterate consumer of popular culture“[7] bezeichnet, beginnt seine Überlegungen mit der Annahme, dass jede Kultur nur funktionieren kann, wenn es neben der sozio-ökonomischen und der sexuellen auch eine semantische Reproduktion der tragenden Bedeutungen gibt. Diese Reproduktion und Zirkulation von Bedeutungen, analog der Zirkulation der Waren, generiert das Selbstverständnis einer Kultur und damit auch die sozialen Identitäten der Einzelnen: „Culture is the constant process of producing meanings of and from our social experience, and such meanings necessarily produce a social identity for the people involved.“[8] Folglich gibt es in jeder Gesellschaft soziale Auseinandersetzungen, nicht nur um materielle Ressourcen (z. B. Lohnkämpfe), sondern auch um Bedeutungen, denn „[a]ny social system needs a cultural system of meanings that serves either to hold it in place or destabilize it, to make it more or less amenable to change“.[9] Die hegemonialen gesellschaftlichen Diskursformationen, der ‚Machtblock‘, versuchen die Bedeutungen durchzusetzen, die der Aufrechterhaltung des Status quo dienen. Wie funktioniert das? Indem den kulturell zirkulierenden Produkten diese Bedeutungen eingeschrieben werden: „The resources – television, records, clothes, video games, language – carry the interests of the economically and ideologically dominant; they have lines of force within them that are hegemonic and that work in favor of the status quo.“[10] Die Waren bzw. Texte transportieren systemkonforme Bedeutungen[11] von Selbst, Gesellschaft, Mann, Frau, Kultur, Natur etc. und versuchen diese gleichsam den Nutzern nahe zu legen – soweit nichts Neues. Da jedes gesellschaftliche Handeln an ein implizites Bild von der Gesellschaft und der eigenen Position in ihr gebunden ist, beeinflussen die dominanten (oder hegemonialen) Bedeutungen das Handeln der Einzelnen. Vornehmlich durch die Strategie der Naturalisierung, also dem Verfahren, historisch gewachsene, kulturspezifische, mithin veränderbare Ungerechtigkeiten, Ausschlüsse, Grenzziehungen als natürlich, d. h. als unveränderbar darzustellen, wird die Permanenz einer gegebenen Struktur aufrechterhalten.[12] Und umgekehrt setzt jede abweichende, oppositionelle Haltung bis hin zur makropolitischen Ebene einer revolutionären Verschiebung des gesellschaftlichen Gefüges voraus, dass die Bedeutungen, die den Status quo als ‚natürlich‘, dem ‚gesunden Menschenverstand entsprechend‘, ‚gottgewollt‘, folglich schlicht als unveränderbar ausweisen, zunächst verändert werden. Jedem konkreten politischen oder sozialen Kampf geht also notwendig ein semiotischer Kampf voraus.
Fiske stellt zwei fundamentale Fragen an traditionelle, ‚manipulationistische‘ Ansätze. Einerseits weist er auf einen einfachen Sachverhalt hin: Die Notwendigkeit einer ideologischen Hegemonie und mithin der Einschreibung hegemonialer ‚lines of force‘ in die Produkte ergibt sich nur, wenn auch Widerstand gegen die Hegemonie vorhanden ist: Macht und Herrschaft kann es wohl nur dort geben, wo auch Rebellion und Entzug zu finden sind. Dieses differenzielle, von Foucault hergeleitete Machtverständnis[13] impliziert die Kontamination jeder Hegemonie durch Spuren des Widerstands (und umgekehrt): „Resistance is not an essence, but a relationship, and both sides of the relationship must be contained within its practice.“[14] So betrachtet müssen schon die Produkte von konfligierenden, oppositionellen Linien durchzogen sein. Andererseits stellt sich die simple Frage, wieso manche Produkte sehr populär werden und manche nicht: „[I]t is the people who finally choose which commodities they will use in their culture“.[15] Daraus folgt: „If the cultural commodities or texts do not contain resources out of which the people can make their own meanings of their social relations and identities, they will be rejected and will fail in the marketplace. They will not be made popular.“[16] Die Rezipienten versuchen ihre Identität, ihren evtl. Ausschluss aus bestimmten gesellschaftlichen Bereichen, ihre Lage mit Sinn zu versehen, sich selbst transparent zu machen, indem sie die Produkte nehmen und daraus die Bedeutungen ‚basteln‘[17], die für ihr semiotisches Überleben notwendig sind. Und Produkte, die keine Potenziale liefern, aus denen ‚die Leute‘ (je nach Praxis) ihre Bedeutungen machen können, scheitern einfach deshalb, weil eine solche Produktion für die Alltagsvollzüge notwendig ist und mithin Lust [pleasure] bereitet: „Semiotic resistance results from the desire of the subordinate to exert control over the meanings of their lives, a control that is typically denied them in their material social conditions.“[18] Auch hierin folgt Fiske Foucault, schrieb dieser doch, dass es eine Lust gäbe, „sich zu zeigen, einen Skandal auszulösen oder Widerstand zu leisten“.[19] Fiske liefert in detaillierten Einzelanalysen viele Beispiele solcher ‚semiotischer Guerillataktiken‘.[20] Er kann hier an empirische Studien anschließen: So kann die Lektüre von Liebesromanen durch Hausfrauen keineswegs auf einen bloßen Eskapismus reduziert werden – wie Janice Radway etwa gezeigt hat, sondern führt durchaus zu veränderten Vorstellungen über das Geschlechterverhältnis, welche wiederum auf die Alltagspraxis und die innerfamiliären Machtkämpfe zurückwirken.[21] Naheliegenderweise impliziert dieses Beispiel ein Modell aktiver Rezeption, das wenig gemein hat mit dem eines Textes, der seine dominanten Ideologeme den Rezipienten einfach ‚aufzwingen‘ kann. Ein anderes in den Cultural Studies stark untersuchtes Beispiel wären die zumeist mit der Ausbreitung neuer popkultureller Musikstile verbundenen Fan-Zeitschriften (Fanzines), die oft mit einfachsten Mitteln hergestellt werden und sich stilistisch, aber auch in ihren Distinktionskriterien von der ‚offiziellen‘ Musikindustrie und den von ihr vorgegebenen Kriterien abzusetzen suchen. Hier wird die abweichende Bedeutungsproduktion zum Ausgangspunkt eigener Textproduktion.[22] Ein vergleichbar gelagertes Beispiel ist das so genannte slash writing, welches in der Star Trek-Fankultur praktiziert wird. Die Handlungen der populären Fernsehserie werden dabei umformuliert, ihre Lücken aufgefüllt, etwa in der Weise, dass den zentralen Protagonisten des SciFi-Abenteuers, Cpt. Kirk und Mr. Spock, eine homosexuelle Beziehung angedichtet wird. Einerseits erzeugen sich so homosexuelle Fans der Serie ein idealisiertes Bild einer toleranteren Zukunft, das als Korrektiv gegen die alltäglich erfahrene Diskriminierung eingesetzt werden kann. Andererseits wird diese Form subkultureller Star Trek-Pornographie interessanterweise stark von Frauen verfasst, die damit ein symbolisches „retooling“ von „masculinity“ betreiben.[23]
Es geht bei Fiske folglich um eine Mikropolitik des Alltags-Lebens. Da sehr viele verschiedene Situationen und Rahmenbedingungen der alltäglichen und populären Lektüre gegeben sein können, ist Populärkultur kein monolithischer, homogener Block, sondern eher ein heterogenes Feld sehr verschiedener Aneignungen und Bedeutungsprozesse, denen als einziges gemeinsames Merkmal zukommt, sich in Opposition zu hegemonialen Diskursen zu formieren.[24] Selbstredend hat Fiskes Annahme einer potenziell renitenten Mikropolitik scharfe Kritik ausgelöst. Er sehe nicht, dass solche lokalen ‚Ventile‘ nur dazu dienen, ‚Dampf abzulassen‘ und so im Ganzen systemstabilisierend seien.[25] Dagegen konzediert er aber durchaus, die Populärkultur sei ohne Zweifel nur ‚progressiv‘, insofern sie lokale Bedeutungsverschiebungen erziele, aber nicht ‚radikal‘, weil sie keinen revolutionären Angriff auf die systemische Gesamtstruktur zulasse. Jedoch wirft er seinerseits kulturpessimistischen Theorien erstens vor, sie übersähen, dass erst die Veränderungen der Bedeutungen die Basis für einen breiteren sozialen Kampf bereitstellen. Insofern können und müssen populärkulturelle Prozesse die semiotische Grundlage für makropolitische Reformen oder gar Revolutionen liefern: „The interior resistance of fantasy is more than ideologically evasive, it is a necessary base for social action.“[26] Zweitens wiederholten solche Theorien, wenn sie die Populärkultur abwerten, nur die Delegitimationsstrategien, welche von dominanten diskursiven Allianzen (power-bloc) angewendet werden, um die „popular (mis)uses“[27] und ihre Formen eines Gegenwissens für ungültig zu erklären.[28]
II. Der Machtblock und die Leute: offizielles und populäres Wissen. Fiske unterstreicht also die Spannungen zwischen hegemonialen diskursiven Formationen, die ihre Bedeutungen in die Produkte einschreiben, und potenziell subversiven Aneignungsformen dieser Produkte. Populärkultur macht für ihn immer nur Sinn in diesem Spannungsverhältnis. Daher seien jetzt die beiden Begriffe power-bloc (Machtblock) und the people (die Leute) genauer betrachtet, die jene Pole benennen, zwischen denen der Bedeutungskampf der Populärkultur stattfindet.
Die Kategorien ‚Machtblock‘ und ‚die Leute‘ sind nicht als dichotomischer Gegensatz homogener und monolithischer Gebilde wie etwa ‚Bourgeoisie‘ vs. ‚Proletariat‘ zu verstehen. Schon David Morleys Studie The Nationwide Audience von 1980 hatte im Anschluss an Hall gezeigt, dass der Klassenzugehörigkeit keine spezielle Gewichtung bei der Rezeption von Nachrichtensendungen zukam.[29] Stuart Hall bemerkte denn auch: „The people versus the power-bloc: this, rather than ‚class-against-class‘, is the central line of contradiction around which the terrain of culture is polarized. Popular culture, especially, is organized around the contradiction: the popular forces versus the power-bloc.“[30] Der Machtblock ist also keine Personengruppe, die durch ein objektivierbares soziales Merkmal, wie etwa den Besitz der Produktionsmittel, spezifiziert werden kann.[31] Er ist eher eine Art Allianz hegemonialer diskursiver Kräfte – unabhängig von den konkreten Personen, die zu einem gegebenen Zeitpunkt an dieser Formation partizipieren: „A ‚bloc‘, as Gramsci theorized it, is a welding together of different components for a specific purpose and it must not be misconstrued as a ‚block‘, or solid object.“[32] Eine gegebene Person kann zu bestimmten Zeiten am Machtblock teilhaben, zu anderen Zeiten jedoch oppositionelle Taktiken verfolgen und damit Teil der ‚popular forces‘, – ‚der Leute‘ – sein.[33] Und umgekehrt können auch populäre Praktiken, wie etwa das erwähnte Fanzine-Schreiben, u. U. wiederum als zum Machtblock zugehörig wahrgenommen werden (etwa wenn ein Fanzine ein anderes bezichtigt insgeheim den Kriterien der Plattenindustrie zu folgen). Aber nicht nur auf der zeitlichen Achse kann eine Person vom Machtblock zu den Leuten wechseln. Jede Person ist durch eine „nomadic subjectivity“[34] gekennzeichnet, d. h. von verschiedenen Diskursen durchzogen: „Ein Arbeiter kann sich mit den Interessen des Machtblocks in seinem Geschlechterstandpunkt und mit den Interessen ‚der Leute‘ in seinem Klasseninteresse verbinden.“[35] Hier ist eine wichtige Präzisierung notwendig: Fiske nimmt an, dass eine gegebene Person die Produkte rsp. Rezeptionsweisen wählt, die Lust bereiten. Jedoch können Personen, die in einem gegebenen Kontext an den dominanten Allianzen des power-blocs partizipieren, sehr wohl hegemoniale Lust[36] empfinden: Lust – pleasure – ist also keineswegs in essentialistischer Weise widerständig. Mithin ist, anders als Noël Carroll glaubt, für Fiske Populärkultur nicht Widerstand per se (auch wenn es Äußerungen von ihm gibt, die dieses Verständnis nahe legen könnten), sondern vielmehr der Ort, an dem Widerstand und Beherrschung miteinander ringen.[37] Es geht nicht darum, einer schlichten Repressionshypothese zu folgen. Mitnichten unterdrückt ein finsterer Machtblock eine libertäre, authentische Pop-Kultur, die ihm vorangeht und die es zu befreien gälte. Vielmehr formieren sich die formations of the people nur im Gegensatz zum power-bloc. Fiske nennt die Widerstands-Taktiken der Populärkultur daher auch bottom-up power im Unterschied zur homogeneren top-down power des Machtblocks.[38] Auch ‚die Leute‘ wollen Macht ausüben – nur ist dieser Wille-zur-Macht eher auf die alltäglichen, konkreten Lebensumstände gerichtet, statt auf die gesellschaftliche und diskursive Totalität: „Top-down and bottom-up power do not operate in different spheres [...] but are different directionalities of the same desire to control. Popular formations and those of the power-bloc are not so much differently motivated as differently situated.“[39]
Wie können der Machtblock und seine Wissensform(en) näher bestimmt werden? „The power-bloc consists of a relatively unified, relatively stable alliance of social forces – economic, legal, moral, aesthetic.“[40] Der Machtblock wird als ‚relativ‘ homogenes Bündnis bestimmt, welches verschiedene Mittel vorrangig für das Ziel der Reproduktion der gegebenen sozialen und ideologischen Strukturen mobilisiert. Die fließenden, sich situational und kontextuell bildenden Konstellationen des Machtblocks produzieren eine bestimmte Form des Wissens. Beherrschbar ist etwas nur dann, wenn genug Wissen vorliegt. Insofern spricht Fiske auch von „imperializing knowledge“[41], um den expansiven Charakter dieses Wissens zu betonen, das stets voranschreitet, um idealiter alles kontrollierbar zu machen. Fiske nennt es das „offizielle Wissen“.[42] Es ist die Wissensform der Wissenschaft – die sich von den Quarks bis zu den Sternen und überdies in jedem kulturellen Bereich auszubreiten sucht. Seine Expansion rechtfertigt es mit seiner Fähigkeit, die Wahrheit zu sehen:
Diejenigen Wissensformen, die [...] über instrumentelle Macht verfügen, verstecken den politischen Nutzen ihres Wissens hinter einer Rhetorik der Objektivität: dadurch werden die Wahrheiten deplaziert und in einer äußerlichen Natur oder Realität verortet, statt in der Macht jener, die sie produzieren oder gebrauchen. In dem Maße, in dem die jeweilige Wissensform in dieser Hinsicht effizient ist (im allgemeinen ist diese Effizienz praktisch total), naturalisiert sie diese Macht, indem sie sie nicht als einen Effekt der Geschichte der Herrschaft darstellt, sondern sie vielmehr als das Resultat der Fähigkeit, die Wahrheit zu sehen, verkauft.
Diese Naturalisierung funktioniert über die „fundamentale epistemologische Macht [...], zwischen dem Realen und dem Irrealen die Grenze“ zu ziehen und diese zu bewachen. Dabei ist es keineswegs so, dass diese Grenzziehung zwei gleichgestellte Segmente trennt. Vielmehr ist die eine Seite die ‚Wahrheit‘, das ‚Wirkliche, die ‚Fakten‘, das ‚Natürliche‘, aber auch das ‚Schöne‘, das ‚Künstlerische‘ und das ‚kulturell Wertvolle‘, während das, „[w]as sie aber ausschließt (z. B. intuitives Wissen) [...], per definitionem als unwirklich abgetan werden“[43] kann: als ‚Unwahres‘, bloße ‚Einbildung‘, ‚Wahnsinn‘, ‚Kitsch‘ oder als ‚Fiktion‘: „So verwendet das herrschaftliche Wissen häufig solche Begriffe wie ‚abergläubisch‘, ‚unbewiesen‘, ‚unwissenschaftlich‘, um andere Wissensformen zu diskreditieren [...] Andernorts pathologisiert es diejenigen, die unterschiedliche Wissensformen anwenden, als Opfer ihrer eigenen wunscherfüllenden oder kompensatorischen Phantasien.“[44]
Was sind diese ‚unterschiedlichen Wissensformen‘, die Fiske auch als ‚populäres Wissen‘ bezeichnet? Es sei ein Beispiel betrachtet: Ein Artikel in der Weekly World News behauptet, man habe einen Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg auf dem Mond entdeckt. Fiske bemerkt nun:
I find great, but contradictory, pleasures in the report that a World War II bomber has been photographed on the moon (Weekly World News, 5. April 1988). As an educated person rewarded with advantages of believing in a scientific, empirical order of things, I take pleasure and power in distinguishing myself from (inferior) systems of belief (i.e., „superstitions“) that contradict scientific „truth“ that it is impossible for it to have got there. But at the same time, I have a skepticism about „science“ [...] that finds pleasurable points of pertinence in apparent facts that lie beyond its explanatory ability and therefore discursive power. [...] I enjoy being able to establish, momentarily, my difference from „the system“ by being able to say, „They can‘t explain everything, they don‘t know everything, they want to repress that which they can‘t explain, because what they can‘t explain is what escapes their power.“ [...] [T]he moonstruck bomber becomes a metaphor for the social experiences of the subordinate that lie outside the meanings (and power) offered by the dominant discourses. [...] The story allows me pleasure of understanding science in my (popular) terms – that is, as a system of power – not in its own dominant terms, as a system of nonsocial, nonpolitical truths grounded in nature and thus objective, universal, and unchallengeable.[45]
Es handelt sich beim populären Wissen also um Wissensformen, die Anspruch auf Zusammenhänge erheben, die die herrschenden Formationen nicht erklären können (oder wollen). Es ist ein „Gegenwissen“[46], ein „Gegen-Diskurs“.[47] So erkläre sich die große Popularität von ‚abergläubischen‘ Wissensformen wie der Astrologie oder der Numerologie.[48] Da die populären Wissensformen nur in Differenz zum Machtblock bestehen, können sie sich aber niemals von der Stimme des Machtblocks, der sie als ‚irreal‘, ‚abergläubisch‘, ‚unsinnig‘ benennt, lösen. Insofern tendiert das populäre Wissen zur Heteroglossie oder zur Multiakzentualität, wie Fiske im Anschluss an Bachtin formuliert.
Ein ‚reines‘ populäres Wissen kann es – zumindest in den Dingen – nicht geben. Potenziell populäre Produkte können nur Mischformen sein. So unterscheidet Fiske den Medienpopulismus von den populären Wissensformen der Leute. Während Populärkultur als das gelebte Feld latent widerständiger Bedeutungsproduktion verstanden werden kann, ist jeder Text, den man analysieren könnte, medienpopulistisch, insofern er stets zwischen den ‚lines of force‘ des Machtblocks und den populären Anschlusspunkten vermitteln muss[49]: „Der Populismus mag zwar eine Strategie des Machtblocks sein, mit deren Hilfe das Populäre ausgebeutet werden soll; Erfolg kann diese Strategie aber nur dann haben, wenn sie dem Populären irgendeinen Raum für dessen eigene Entfaltung bietet.“ Dieses Verschwimmen des ‚offiziellen‘ und des ‚populären‘ Wissens im Medienpopulismus trägt dazu bei, die „Grenzen zwischen dem Realen und dem Irrealen zu zerstören und sowohl die Hierarchie des Wissens als auch die gesellschaftlichen Unterschiede abzubauen, die durch diese Grenzen aufrechterhalten werden“[50] – daher können medienpopulistische Texte so populär sein.[51]
Ein wichtiger Aspekt des populären Wissens – und allgegenwärtig in medienpopulistischen Texten – ist die Verschleierung [the cover-up]. „Das Volk des Populären lebt im Zeitalter der Verschleierung“.[52] Zwar wird durch die Formationen des Machtblocks ‚Wahrheit und Realität‘ erzeugt und die vollständige Kontrolle der Welt durch das instrumentelle Wissen angestrebt; zwar wird alles als irreal und unsinnig zurückgewiesen, „was es da Gewalttätiges, Plötzliches, Kämpferisches, Ordnungsloses und Gefährliches“[53] (angeblich) gibt. Doch auf diese Diskreditierung und Delegitimation der populären Formen des Wissens antworten die Leute mit der These von der Verschleierung: Der Machtblock will alles, was er nicht erklären kann, systematisch vertuschen, um nichts zuzulassen, was seine epistemologische Macht gefährden könnte. Die Popularität von ‚Enthüllungsberichten‘ über ‚vertuschte‘ UFO-Phänomene (z. B. Roswell 1947); über ‚vorgetäuschte‘ Todesfälle (Paradebeispiel ist natürlich Elvis – während das ‚offizielle‘ Wissen seinen Tod weiß, wissen viele Fans: ‚Der King lebt‘[54]); oder gar über die zahlreichen Verschwörungen, die ‚wirklich‘ zum 11.9.2001 geführt haben, besteht genau darin, dass diese Berichte den Leuten die Gelegenheit geben, das ‚offizielle Wissen‘, das ‚sie‘ ‚uns‘ weismachen wollen, in Frage zu stellen. Im Prinzip handelt es sich um eine originelle Umkehrung der traditionellen Konzeption von Ideologie. Diese war ‚falsches Bewusstsein‘, also eine (mentale) Missrepräsentation der faktischen sozialen Gegebenheiten mit dem Zweck, die partikularen Interessen einer herrschenden Klasse als Allgemeinwohl zu verschleiern – in dieser Konzeption darf die Verschleierung als solche nicht bewusst werden. Folglich wurde die Funktion jeder kritischen Theorie darin gesehen, die Verschleierung als Verschleierung sichtbar zu machen. In Fiskes Theorie ist die Verschleierung ganz im Gegenteil die Unterstellung der Leute, dass ‚sie‘ – der power-bloc – etwas verschleiern wollen: ‚Wir‘ jedoch wissen es besser und glauben ‚ihnen‘ kein Wort.
III. Fazit. Das populäre Wissen ist also ein Gegenwissen, das nur auf Grund der Opposition zum ‚offiziellen Wissen‘, zu dem das wissenschaftliche und technische Wissen gehören, existiert. In den medienpopulistischen Texten ist das ‚offizielle Wissen‘ stets mit populären „Widerstandspunkten“[55] heteroglossisch überlagert. Fiskes Modell schließt in der Schwerpunktsetzung auf delegitimierte Wissensformen an Foucault an. Dieser betonte 1976:
Zum anderen glaube ich, daß man unter unterworfenem Wissen etwas anderes und, in gewissem Sinne, völlig anderes verstehen muß: eine ganze Reihe von Wissensarten, die als nicht sachgerecht oder als unzureichend ausgearbeitet disqualifiziert wurden: naive, am unteren Ende der Hierarchie, unterhalb des erforderlichen Wissens- oder Wissenschaftlichkeitsniveaus rangierende Wissensarten. Und gerade über diese aus der Tiefe wiederauftauchenden Wissensarten (das Wissen des Psychiatrisierten, des Kranken, des Krankenwärters, das des Arztes – das jedoch parallel und marginal zum Wissen der Medizin besteht –, das Wissen des Delinquenten usw.), die ich als Wissen der Leute [!] bezeichnen würde und die nicht zu verwechseln sind mit Allgemeinwissen oder gesundem Menschenverstand, sondern im Gegenteil ein besonderes, lokales, regionales Wissen, ein differentielles, von anderen Wissen stets unterschiedenes Wissen darstellen, das seine Stärke nur aus der Härte bezieht, mit der es sich allem widersetzt, was es umgibt [...], erfolgte die Kritik.[56]
Fiske erweitert dieses ‚Wissen der Leute‘ um eben jene Dimensionen der Wissens- und Bedeutungsproduktion, die sich in der Aneignung massenkultureller Waren, die so populäre Produkte werden (können), abzeichnet. Fiskes Ansatz ermöglicht es, die Popularität solcher Phänomene wie UFOS, Verschwörungstheorien über Kennedy etc. zu erklären und zu begreifen, inwiefern diese widerständige Potenziale enthalten (und das heißt nicht: per se widerständig sind). Zugleich damit wird Wissenschaft zum Teil der diskursiven Konflikte, in denen sich ‚offizielle‘ und ‚populäre‘ Weisen die Welt zu wissen, begegnen. Gerade die tendenzielle Ausweitung dieser Kritik auf Geisteswissenschaften droht Fiskes Ansatz in die Fallen eines performativen Selbstwiderspruchs hineinzuziehen. Wie kann man die Macht der Wissenschaft, und auch der Geisteswissenschaften, die ‚Wahrheit‘ sagen zu dürfen, in Zweifel ziehen oder als diskursive Hegemonie denunzieren, ohne den Anspruch auf die richtige und wahre Erfassung genau dieser Sachverhalte selbst in Frage zu stellen?
Hier scheint – bliebe man Fiske treu – letztlich nur ein taktisches Vorgehen ohne definitive Antworten, ein Anwenden und ein Kritisieren hegemonialen Wissens je nach spezifischen Kontexten eine Lösung darzustellen. Mit dem und gegen den wissenschaftlichen Diskurs ginge es also darum, „lokale, diskontinuierliche, disqualifizierte Wissensarten ins Spiel zu bringen, die nicht legitimiert sind gegenüber der einheitlichen theoretischen Instanz, die den Anspruch erhebt, sie im Namen eines wahren Wissens und der Rechte einer Wissenschaft, die sich im Besitz von irgendjemand befände, zu filtern, zu hierarchisieren und zu klassifizieren.“[57] Foucault hat die Verfahren, mit denen er dieses Ins-Spiel-bringen zu bewerkstelligen versuchte, die ‚Genealogien‘, als ‚Anti-Wissenschaften‘ bezeichnet, die „gegen die Machtwirkungen eines als wissenschaftlich angesehenen Diskurses den Kampf führen“[58] sollen. Wissenschaft müsste sich also bei jeder Kritik an anderen Wissensformen – etwa in der Kritik am ideologischen Charakter der ‚Unterhaltung‘ – zugleich in Selbstkritik üben, will sie nicht die asymmetrischen Strukturen, die sie ggf. angreift, selbst einfach verdoppeln. Sie müsste sich so gesehen in eine „lokale und regionale Praxis“[59] verwandeln.
Für das Feld der Literaturwissenschaft zeichnen sich mindestens zwei miteinander eng verknüpfte Konsequenzen ab: erstens die Verschiebung von der Frage nach der Bedeutung und/oder der formalen Struktur eines Textes zu jener nach dem Gebrauch des Textes und zweitens damit eine Reformulierung der Differenz zwischen ‚hoher‘ und ‚trivialer‘ Literatur. Zum ersten Punkt: Wie schon gezeigt wurde, betont Fiske – im Anschluss an Foucault[60], aber auch an de Certeau[61] – den eigensinnigen Gebrauch von Produkten für die Mikropolitik des Alltags. Dasselbe dürfte für Texte gelten. Für Fiske wäre es wohl nicht zentral, die formale Komplexität oder Schlichtheit und/oder die semantische Fülle oder Armut eines Textes für einen, bei solchen Analysen notwendig implizierten, ‚idealen‘ Leser zu beschreiben und zu klassifizieren: „Durch die Analyse des Textes können wir zu völlig falschen Interpretationen seiner Grenzen kommen. Akademische Kritiker werden oft überrascht von der Art, wie Leute mit Texten umgehen.“[62] Vielmehr wäre literatursoziologisch viel wichtiger, welcher Gebrauch – also welche Bedeutungs- und Wissensproduktion – von Texten durch ganz reale Leser in je spezifischen Kontexten und diskursiven Praktiken welche Lust erzeugt: „Somit ist ein Text für mich nicht so sehr etwas Bestimmtes, als vielmehr etwas, womit soziale Formationen etwas zu machen versuchen. Und was sie damit machen, ist wichtiger als der Text selbst.“[63] Das kann der Gebrauch von ‚trivialer‘ Literatur sein – wie in dem schon genannten Beispiel der Lektüre populärer Liebesheftchen durch Hausfrauen. Es könnte aber auch der Gebrauch hoch literarischer Werke z. B. durch Literaturwissenschaftler sein – die durch die Erzeugung von Distinktion (im Sinne Bourdieus) Lust an eben jener Differenz erzeugen. Die Betonung des Gebrauchs führt also zweitens dazu, die institutionell durch einen vorausgesetzten Kanon reproduzierte Differenz von ‚hoher‘ und ‚niederer‘ Literatur (bzw. Kunst) tendenziell als zweitrangig anzusehen. In diesem Sinne kritisiert Fiske das, was er – vielleicht verkürzend – ‚Ästhetik‘ nennt, als disziplinatorisches System, das in der Konzentration auf die textuelle Struktur die „multiplicity of functions [...] the same text can perform as it is moved through different allegiances within the social order“[64] verwischt: Textimmante oder auch nur textzentrierte Analysen jeglichen Zuschnitts verbindet so gesehen die Verdrängung des Gebrauchs zur Errichtung angeblich ontologischer Differenzen zwischen ‚Hoch‘- und ‚Populärkultur‘.
Offenkundig lässt sich dieses Konzept gut an die literaturwissenschaftliche Diskussion um die so genannte triviale Literatur anschließen, sofern diese Diskussion nicht von vorneherein auf die Delegitimation und Verurteilung der trivialen Literatur abzielt. Helmut Kreuzers gerade darin bedeutender Aufsatz zur ‚Trivialliteratur als Forschungsproblem‘ endet mit dem Befund:
Die Dichotomie von Kunst und Kitsch, Dichtung und Trivialliteratur hält einer objektiven Analyse nicht stand[.] [...] Der Begriff Trivialliteratur ist jedoch wissenschaftlich sinnvoll unter historisch-geschmackssoziologischem Aspekt zur Bezeichnung der Literatur unterhalb der literarischen Toleranzgrenze der literarisch maßgebenden Geschmacksträger einer Zeit.[65]
Fiske würde diesem Ergebnis sofort zustimmen – und die Begriffe der ‚literarischen Toleranzgrenze‘ und der ‚literarisch maßgebenden Geschmacksträger einer Zeit‘ wären mit dem hier vorgestellten Vokabular reformulierbar. Die ‚literarische Toleranzgrenze‘ wäre formulierbar als jenes ‚offizielle Wissen‘ von der Literatur, welches alternative literarische Formen bzw. Gebrauchsweisen ggf. delegitimiert. Und in diesem Feld des mikro- und vielleicht auch makropolitischen Kampfes wären die ‚literarisch maßgebenden Geschmacksträger einer Zeit‘ relativ leicht eben als jener literaturwissenschaftliche Diskurs dechiffrierbar, der die ‚Wahrheit‘ der Literatur aussagt und so etwa als ‚trivial‘ vorausgesetzte Texttypen einer textuellen Schließung zu unterwerfen versucht: Eine solche Literaturwissenschaft würde paradoxerweise den Gegenstand einer ‚trivialen‘ und gehaltlosen Literatur durch ihre Operationen erst erzeugen. Eine Literaturwissenschaft hingegen, die sich in eine ‚lokale und regionale Praxis verwandelte, wäre wohl eine, die nicht mehr Qualitätskriterien von Texten, sondern den lokalen und regionalen Gebrauch, die je verschiedenen „Rolle[n] und Funktion[en]“ von Textformen in verschiedenen Formen des „literarischen Lebens“[66] beschriebe. Fiske würde allerdings deutlich stärker als Kreuzer hervorheben, dass es nicht so sehr um „Literatur als Information“[67] im Rahmen eines symmetrischen Kommunikationsmodells geht, was noch immer einen objektivierbaren Wissenskern der Texte unterstellte, sondern um Literatur (gleich ob ‚trivial‘ oder ‚hochkulturell‘) als Ressource zur Produktion eines an die je konkreten mikropolitischen Gegebenheiten angepassten Wissens. Und so zu fragen hieße auch, nicht die „Spiegelung gesellschaftlicher Verhältnisse in den verschiedenen Formen und Typen trivialer Literatur“[68] zu untersuchen, sondern die Konflikte um Bedeutungen, um die Grenzziehung zwischen ‚richtigem‘ (lies: offiziellem) Wissen und ‚bloßer Unterhaltung‘ als Teil der Bedeutungszirkulation, durch die ‚gesellschaftliche Verhältnisse‘ erst entstehen, zu begreifen.
Ob Fiskes Reformulierung der Dichotomie von Wissen und Unterhaltung zu der mobilen und transitorischen Differenz von offiziellem und populärem Wissen mit ihren durchaus problematischen Konsequenzen zu überzeugen vermag, sei dahingestellt. Jedoch hat sie eine intensive Diskussion darüber ausgelöst, ob die pauschale Abwertung oder die pauschale Aufwertung alles Populären je allein tragfähig sind.
Anschrift des Verfassers: Dr. Jens Schröter, FK 615 „Medienumbrüche“, Universität Siegen, Arthur-Woll-Haus, Am Eichenhang 50, D–57068 Siegen

  1. [1] Vgl. Richard Seaman: Active Audience Theory: Pointless Populism. In: Media, Culture and Society, No. 11 (1992), S. 301–311.
  2. [2] Mas‘Ud Zavarzadeh: Seeing Films Politically, Albany, N.Y. 1991, S. 34.
  3. [3] Vgl. Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt a. M. 1997.
  4. [4] Vgl. J. Blumler, Elihu Katz: The Uses of Mass Communication, Newbury Park, CA 1974.
  5. [5] Vgl. Lothar Mikos: Fernsehen im Erleben der Zuschauer. Vom lustvollen Umgang mit einem populären Medium, Berlin, München 1994. Vgl. kritisch dazu Eggo Müller, Hans J. Wulff: Aktiv ist gut: Anmerkungen zu einigen empiristischen Verkürzungen der British Cultural Studies. In: A. Hepp, R. Winter (Hrsg.): Kultur – Medien – Macht. Cultural Studies und Medienanalyse, Opladen 1997, S. 171–176.
  6. [6] Eggo Müller (Pleasure and Resistance. John Fiskes Beitrag zur Theorie der Populärkultur. In: montage/av 2 [1993] 1, S. 55) weist darauf hin, dass der Begriff the people schwer ins Deutsche übertragbar ist. ‚Volk‘ wäre völlig verfehlt, da der Begriff zu sehr nationalsprachliche oder nationalstaatliche Bestimmungen implizieren würde. Außerdem ist ‚Volk‘, ebenso wie ‚Masse‘, viel zu homogenisierend. The people sind vielmehr eine fluktuierende, sich in Tageskämpfen gegen die Stratageme des Machtblocks bildende ‚diskursive Formationen‘, die sehr divergente Positionen umfassen können.
  7. [7] John Fiske: Understanding Popular Culture, New York, London 1989, S. 201.
  8. [8] John Fiske: Reading the Popular, New York, London 1989, S. 1.
  9. [9] Ebenda.
[10] Ebenda, S. 2.
[11] Man könnte hier noch genauer ‚Sinn‘ von ‚Bedeutungen‘ unterscheiden. Während Letztere in einer gegebenen Ordnung ständig umkämpft werden, ist Ersterer der Ausdruck für jene relativ stabilen Konstrukte, mit denen soziale Gruppen sich selbst verorten und autopoietisch konstituieren.
[12] Fiskes Überlegungen zur „Naturalisierung“ können hier nicht ausführlich dargestellt werden. Vgl. dazu seine originelle Analyse der mit dem Strand verbundenen Praktiken (Fiske [wie Anm. 8], S. 43–76).
[13] Vgl. Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit 1, Frankfurt a. M. 1986, S. 116 f.
[14] Fiske (wie Anm. 7), S. 168.
[15] Fiske (wie Anm. 8), S. 5.
[16] Ebenda, S. 2.
[17] Vgl. Fiske (wie Anm. 7), S. 150 f. Insofern ist auch Kellners Vorwurf an Fiske gegenstandslos: „Calling mass-mediated commercial products of the culture industries ‚popular culture‘ thus collapses a distinction between two very different sorts of culture.“ (Douglas Kellner: Media Culture. Cultural Studies, Identity and Politics Between the Modern and the Postmodern, New York, London 1995, S. 34). Gegenstandslos ist dieser Vorwurf deshalb, weil Fiske gerade nicht die Produkte als ‚populär‘ bezeichnet, sondern ihren Gebrauch.
[18] Fiske (wie Anm. 8), S. 10. Fiske unterscheidet zwei eng verknüpfte, graduell verschiedene Formen des Widerstandes, nämlich evasion und resistance. Während Letztere die Produktion von abweichenden Bedeutungen meint, reserviert Fiske den Begriff der Evasion für Entzugs-Praktiken, die eine Verweigerung disziplinatorischer Unterwerfung im körperlich-orgasmischen Exzess ermöglichen. Deswegen sind gerade viele Jugendkulturen um dieses „Prinzip des Sichverlierens“ (Roland Barthes: Die Lust am Text, Frankfurt a. M. 1996, S. 78) zentriert: Techno-Tanzen, Head-Banging, Surfen (auf den Wellen des Ozeans), Drogenkonsum (den auch Foucault in den 70ern entdeckte) oder exzessive Verausgabung an Spielautomaten sind Beispiele, die Fiske dafür anführt.
[19] Foucault (wie Anm. 13), S. 61.
[20] Vgl. John Fiske: Power Plays, Power Works, New York, London 1993, S. 3. Vgl. Umberto Eco: Für eine semiologische Guerilla. In: Ders.: Über Gott und die Welt, München 1985, S. 146–169.
[21] Vgl. Janice Radway: Reading the Romance: Feminism and the Representation of Women in Popular Culture, Chapel Hill 1984. Zu betonen ist hier, dass Radways Überlegungen nicht auf den Aspekt der Produktion abweichender Bedeutungen reduziert werden können. Radway beschreibt ebenso, wie die Lektüre solcher Romane den Frauen selbstbestimmte Zeiträume einräumt und so eine gewisse lokale Verfügung über die Strukturierung von Zeit ermöglicht (vgl. auch Ien Ang: Living Room Wars. Rethinking Media Audiences for a Postmodern World, New York, London 1996, S. 98–108).
[22] Vgl. Ralf Hinz: Cultural Studies und Pop. Zur Kritik der Urteilskraft wissenschaftlicher und journalistischer Rede über populäre Kultur, Opladen 1998, S. 143–155.
[23] Vgl. Constance Penley: NASA/TREK. Popular Science and Sex in America, London 1997, S. 97–145. Zum „retooling“, vgl. S. 127–131.
[24] Vgl. Fiske (wie Anm. 7), S. 24 f., 45.
[25] Vgl. Müller (wie Anm. 6), S. 62, Seaman (wie Anm. 1).
[26] Vgl. Fiske (wie Anm. 8), S. 10.
[27] Fiske (wie Anm. 7), S. 145.
[28] Vgl. Fiske (wie Anm. 7), S. 18 f. Vgl. Müller (wie Anm. 6), S. 62: „Fiske wertet die Mißachtung kultureller Praktiken ‚der Leute‘ im Diskurs der gesellschaftlichen Institution Wissenschaft, der einzig ‚Makropolitik‘ gelten läßt, vielmehr als Teil des Kampfes um gesellschaftliche Hegemonie“.
[29] Vgl. David Morley: The ‚Nationwide‘ Audience. Structure and Decoding, London 1980.
[30] Stuart Hall: Notes on Deconstructing ‚The Popular‘. In: R. Samuel (Hrsg.): People‘s History and Socialist Theory, New York, London 1981, S. 238.
[31] Vgl. Rainer Winter: Cultural Studies als kritische Medienanalyse. Vom „Encoding/decoding“-Modell zur Diskursanalyse. In: A. Hepp, R. Winter (Hrsg.): Kultur – Medien – Macht. Cultural Studies und Medienanalyse, Opladen 1997, S. 57 f. Fiske hält Foucaults differenzielles Konzept der Macht nicht immer konsequent durch. Allzu oft erscheint der power-bloc bei ihm personalisiert. Damit gehen gewisse Residuen eines vulgär-marxistischen Modells einher, das eine ‚herrschende Klasse‘ impliziert (vgl. Fiske [wie Anm. 7], S. 77–80).
[32] Fiske (wie Anm. 20), S. 10. Vgl. hierzu die Verwendung des Terms „Diskursblock“ bei Jürgen Link: Literaturanalyse als Interdiskursanalyse. Am Beispiel des Ursprungs literarischer Symbolik in der Kollektivsymbolik. In: J. Fohrmann, H. Müller (Hrsg.): Diskurstheorien und Literaturwissenschaft, Frankfurt a. M. 1988, S. 294. Die Konzeption ‚historischer Blöcke‘ geht im Kern, ebenso wie das der ‚Hegemonie‘, auf Gramsci zurück, dessen Erweiterung des Marxismus insofern Bedeutung für Fiskes Ansatz hat, als sie zeigt, dass Beherrschung nur durch (teilweise) Zustimmung der Beherrschten zu ihrer Beherrschung möglich ist (vgl. Stuart Hall: Gramscis Erneuerung des Marxismus und ihre Bedeutung für die Erforschung von „Rasse“ und Ethnizität, in: ders.: Ausgewählte Schriften, hrsg. v. N. Räthzel, Hamburg, Berlin 1989, S. 56–91; vgl. Raymond Williams: Base and Superstructure in Marxist Cultural Theory, in: Ch. Mukerij, M. Schudson (Hrsg.): Rethinking Popular Culture. Contemporary Perspectives in Cultural Studies, Berkeley u. a. 1991, S. 407–423 sowie Ernesto Laclau, Chantal Mouffe: Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus, Wien, Berlin 1991). Und diese Zustimmung wird eben auch durch die Produktion eines dominanten Systems an Bedeutungen, einem „offiziellen Wissen“ erzeugt (vgl. Fiske [wie Anm. 20], S. 40–42).
[33] Vgl. Fiske (wie Anm. 7), S. 45.
[34] Ebenda, S. 181; vgl. auch S. 59: „‚I‘ am the arena within which the discourses of my social life intersect and constitute ‚me‘ and where they are brought to bear upon the discursive resources of the text in the practice of reading. These discursive resources may limit the meanings I can make out of them [...]“. Vgl. auch Fiske (wie Anm. 20), S. 66–70.
[35] John Fiske: Populärkultur: Erfahrungshorizont des 20. Jahrhunderts. Ein Gespräch mit John Fiske (geführt von Eggo Müller). In: montage/av 2 (1993) 1, S. 9.
[36] Vgl. Fiske (wie Anm. 7), S. 57 am Beispiel von Ronald Reagans Rezeption von Rambo 1 und 2 (USA 1985, 1987).
[37] Vgl. Noël Carroll: A Philosophy of Mass Art, Oxford 1998, S. 237. Vgl. Fiske (wie Anm. 7), S. 29; Fredric Jameson: Reification and Utopia in Mass Culture, in: Social Text, No. 1 (1979), S. 130–148.
[38] Vgl. Fiske (wie Anm. 7), S. 65, 105. ‚Taktik‘ reserviert Fiske (S. 19) (im Anschluss an Michel de Certeau: Kunst des Handelns, Berlin 1988, S. 85–92) für die vielfältigen Widerstandsformen ‚der Leute‘, während er ‚Strategie‘ den Verfahrensweisen des Machtblocks zuordnet.
[39] Fiske (wie Anm. 20), S. 79. Das von Fiske hier unterstellte ‚desire to control‘ kann zu Recht als die Unterschiebung einer fragwürdigen anthropologischen Konstante kritisiert werden.
[40] Fiske (wie Anm. 8), S. 8.
[41] Fiske (wie Anm. 20), S. 118.
[42] John Fiske: Elvis: Body of Knowledge. Offizielle und populäre Formen des Wissens um Elvis Presley. In: montage/av 2 (1993) 1, S. 36 f.
[43] Ebenda, S. 36 (ebenso die vorhergehenden Zitate). Vgl. Foucault (wie Anm. 3), S. 17: „Der wahre Diskurs, den die Notwendigkeit seiner Form vom Begehren ablöst und von der Macht befreit, kann den Willen zur Wahrheit, der ihn durchdringt, nicht anerkennen; und der Wille zur Wahrheit, der sich uns seit langem aufzwingt, ist so beschaffen, daß die Wahrheit, die er will, gar nicht anders kann, als ihn zu verschleiern.“ Fiskes Position bezüglich der Wissenschaft ist riskant. Die Sokal-Affäre hatte 1996 in greller Deutlichkeit gezeigt, dass Behauptungen, die darauf hinauslaufen, z. B. der Wert der Lichtgeschwindigkeit (c) oder von π seien konventionell und somit irgendwie ‚konstruiert‘, ins Absurde abgleiten. Fiske vertritt an einer Stelle sehr explizit und durchaus fragwürdig die Auffassung, die Naturgesetze könnten nur auf Grund einer bestimmten, instrumentellen Weise, die Welt zu ‚wissen‘, erscheinen: „I do not wish to suggest that the laws of optics and electronics are objective and exist in nature only, for they are products of a particular scientific way of knowing: they have been ‚discovered‘ and elaborated in order to enhance our ability to increase our control over nature and to understand those of its resources that we can turn to our own advantage. The power of scientific knowledge and its instrumental technologies is inextricably part of the domination of the world‘s physical and social resources by European-derived nations. No knowledge system is nonpolitical“ (John Fiske: Media Matters. Everyday Culture and Political Change, Minneapolis, London 1996, S. 222).
[44] Fiske (wie Anm. 42), S. 37. Wieder steht Fiske hier in einer großen Nähe zu Foucault (wie Anm. 3), der in Die Ordnung des Diskurses die Wissenschaft kritisch als den „wahre[n] Diskurs“ bezeichnet hatte, dessen „Wille zur Wahrheit in unserer Gesellschaft dazu tendiert, auf die anderen Diskurse Druck und Zwang auszuüben“ (S. 16).
[45] Fiske (wie Anm. 7), S. 181–183.
[46] Fiske (wie Anm. 42), S. 28.
[47] Michel Foucault: Die Intellektuellen und die Macht [Gespräch zwischen Michel Foucault und Gilles Deleuze]. In: Ders.: Von der Subversion des Wissens, hrsg. v. W. Seitter, Frankfurt a. M. 1993, S. 108.
[48] Vgl. Fiske (wie Anm. 42), S. 40 f. ; ders. (wie Anm. 20), S. 188–192.
[49] Jeder Text ist von einem Kampf durchzogen: Der Machtblock versucht, den Text im Sinne der hegemonial zirkulierenden Bedeutungen zu schließen und muss zugleich Anschlusspunkte für populäre Bedeutungspraktiken bieten; die Leute versuchen, den Text ‚gegen seinen Strich‘ zu lesen und für sich nutzbar zu machen. Fiske hat dafür – in freier Anlehnung an Roland Barthes: S/Z, Frankfurt a. M. 1987 – den Begriff des ‚produzierbaren Textes‘ geprägt (vgl. Fiske [wie Anm. 7], S. 104). Zu Fiskes Texttheorie vgl. Müller (wie Anm. 6), S. 59–61. Am Rande sei bemerkt, dass der von Fiske herausgearbeitete Konflikt zwischen einer textuellen Schließung und dem gleichzeitigen, unkontrollierbaren Überschuss auch Thema von Derridas Pragrammatologie ist, vgl. Jacques Derrida: Meine Chancen: Rendez-vous mit einigen epikureischen Stereophonien, Berlin 1994.
[50] Fiske (wie Anm. 42), S. 20 f. (ebenso das vorausgehende Zitat), vgl. auch S. 39 f.
[51] Offensichtlich operieren zahlreiche populäre Mystery-TV-Serien, allen voran natürlich die X-Files (Akte X), damit, die ‚Grenzen zwischen dem Realen und dem Irrealen zu zerstören‘.
[52] Ebenda, S. 48.
[53] Foucault (wie Anm. 3), S. 33.
[54] Vgl. Fiske (wie Anm. 42).
[55] Foucault (wie Anm. 13), S. 117.
[56] Michel Foucault: Dispositive der Macht, Berlin 1978, S. 60 f.
[57] Ebenda, S. 62.
[58] Ebenda, S. 63.
[59] Foucault (wie Anm. 47), S. 108.
[60] Vgl. Michel Foucault: Der maskierte Philosoph. Gespräch mit Christian Delacampagne. In: K. Barck u. a. (Hrsg.): Aisthesis – Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig 1990, S. 10: „Man beklagt sich immer, dass die Medien die Leute manipulieren. Etwas Menschenverachtung steckt in dieser Vorstellung. Demgegenüber glaube ich, daß die Leute reagieren; je mehr man sie überzeugen will, desto mehr stellen sie sich Fragen. Der Geist ist nicht weich wie Wachs. Er ist eine reaktive Substanz.“
[61] Vgl. de Certeau (wie Anm. 38), S. 13.
[62] Fiske (wie Anm. 35), S. 13.
[63] Ebenda. Übrigens ist hier weitere Kritik an Fiske anschließbar. Denn obwohl es ja nur naheliegend wäre, solche Prozesse etwa mit dem Mitteln der empirischen Soziologie und auch Psychologie auf eine solide Datenbasis zu stellen, hat Fiske diesen Schritt nie getan und verbleibt allzu oft im allzu Anekdotischen.
[64] Fiske (wie Anm. 7), S. 130.
[65] Helmut Kreuzer: Trivialliteratur als Forschungsproblem. Zur Kritik des deutschen Trivialromans seit der Aufklärung. In: DVjs 41 (1967), S. 190.
[66] Ebenda, S. 191.
[67] Ebenda.
[68] Helmut Bausinger: Wege zur Erforschung der trivialen Literatur. In: H. O. Burger (Hrsg.): Studien zur Trivialliteratur, Frankfurt a. M. 1968, S. 2.