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Jens Schröter

Intermedialität

Wir protestieren gegen die

Ineinanderschiebung der Künste,

die viele eine Synthese nennen.

Dziga Vertov

 

Der Begriff der Intermedialität ist in den letzten Jahren zunehmend gebräuchlicher geworden (vgl. bspw. Prümm 1988; Eicher 1994). Er soll der immer offenkundigeren Tatsache, daß Medien nicht für sich alleine bestehen, sondern immer schon in komplexen medialen Konfigurationen stehen und dadurch stets auf andere Medien bezogen sind, Rechnung tragen. Das Wort selbst scheint erstmals 1983 von Hansen-Löve verwendet worden zu sein. Der Begriff ,,Intermedia" hingegen hat eine viel längere Geschichte. Er ist mindestens bis 1812 zurückverfolgbar, als Coleridge ihn verwendete und erlebte gerade zur Zeit von Fluxus eine Wiederauferstehung. In den siebziger Jahren allerdings war es eher der, wahrscheinlich von Julia Kristeva im Anschluß an Bachtin gebrachte Begriff der Intertextualität, der die Aufmerksamkeit auf sich zog. Um gleich mit den notwendigen Eingrenzungen des Themas zu beginnen: Die Intertextualität wird - wenn überhaupt - nur sehr peripher eine Rolle spielen. Dieses Feld hat eine derartige Explosion an Sekundärliteratur erlebt, daß es geboten scheint, in die einschlägige Literatur zu sehen (vgl. Broich 1985; Pfister 1985; Zander 1985; Hoesterey 1988).
Im folgenden Text soll einzig der Begriff der Intermedialität im Mittelpunkt stehen. Er kann ausdifferenziert werden in verschiedene Typen, denen verschiedene Texte bzw. theoretische Modelle zugeordnet werden können. Es können vier Typen unterschieden werden: 1) Synthetische Intermedialität, 2) Formale oder Trans-mediale Intermedialität, 3) Transformationale Intermedialität und 4) Ontologische Intermedialität. Der dritte und der vierte Typ sind dabei eher als verschiedene Seiten derselben Medaille aufzufassen.

1. Synthetische Intermedialität

Der erste Korpus von Texten, der zur Diskussion steht, thematisiert Intermedialität als den Prozess der (sexuell konnotierten) Fusion mehrerer Medien zu einem neuen Medium, dem `Intermedium', welches mehr wäre als die Summe seiner Teile. Diese Texte (Kultermann 1970, Yalkut 1973, Higgins 1984, Frank 1987) assoziieren diesen Prozeß sowohl mit künstlerischen Strömungen der sechziger Jahre, insbesondere Happening und Fluxus, als auch mit der damals (und immer wieder) häufig formulierten, utopistischen Vorstellung, die Spaltung zwischen `Kunst' und `Leben' durch diese neuen, synästhetischen Formen aufheben zu können. Es sollte gesagt werden, daß diese Strömung in der Tradition Wagners und seiner Züricher Schriften steht: mithin also in der genealogischen Linie des Gesamtkunstwerks. Drei Momente sind charakteristisch für dieses Modell von Intermedialität:

a) Die Verurteilung der ,,Monomedien" als Form gesellschaftlicher und ästhetischer Entfremdung.
b) Die scharfe, aber schwer verständliche Abgrenzung der intermedia von den mixed media und
c) damit engstens verbunden ein revolutionär-utopischer Gestus, der in der Überwindung der ,,Monomedien" (zumindest die Vorstufe) einer gesellschaftlichen Befreiung sieht, im Sinne der Rückkehr zu `holistischen Seinsweisen'.

Higgins, selbst Fluxus-Künstler, fordert von avantgardistischer Kunst, daß sie ,,holistische mentale Erfahrungen" (1984, 1) vermitteln solle. Er begreift diesen Prozess als eine Form kathartischer Grenzerfahrung, durch die die konventionalisierten Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster des sogenannten `alltäglichen Lebens' verändert und bereichert werden. Das Potential derartiger `fusions' sieht er insbesondere in den `new arts', damit ist vornehmlich Fluxus gemeint, angelegt: ,,[A]nother characteristic of many of them is that they are intermedial, that is, they fall conceptually between established or traditional media" (15, Hervorhebung, J.S.). Das Zitat zeigt, daß eine gewichtige Voraussetzung der neuen intermedialen Kunstwerke ist, daß sie sich von traditionellen Kunstformen abheben. Higgins weist an anderer Stelle (23, Hervorhebung durch mich) darauf hin, daß schon 1812 Coleridge das Wort ,,Intermedia" benutzt habe: ,,to define works which fall conceptually between media that are already known". Da diese Fusionierung neu ist, wird sie als lustvolle, erfrischende und erneuernde Verschiebung der eigenen Horizonte erfahren - bis erneut die `Automatisierung' greift und die neuen Intermedia ,,with familiarity" ihren verfremdenden (,,defamiliarizing") Effekt verlieren (vgl. auch 93). D.h. der Sinn und Zweck von Intermedien ist, ganz in einer Linie mit seinem Verständnis von Kunst als `liminal experience': ,,[...] but we should look to intermedial works for the new possibilities of fusion, which they afford" (17). Oder wie ähnlich McLuhan formulierte (1994, 95): ,,Der Augenblick der Verbindung von Medien ist ein Augenblick des Freiseins und der Erlösung vom üblichen Trancezustand und der Betäubung, die sie sonst unseren Sinnen aufzwingen."
Zusammenfassend kann man also sagen, daß für Higgins die Funktion intermedialer Kunst in der Durchbrechung habitualisierter Wahrnehmungsformen besteht. Diese Überzeugung verbindet ihn mit Autoren wie Kultermann und Frank, aber auch mit Richard Wagner.

Ganz in Einklang damit argumentiert er weiter: ,,The concept of the separation between media arose in the Renaissance" (18). Seine Überlegungen beschreiten nun also einen im engeren Sinne historischen Pfad. Er beschreibt die Renaissance als eine gesellschaftliche Phase, in der die gesellschaftliche Aufspaltung in verschiedene Stände eine Form von Selbstverständnis hervorbrachte, die die Purifizierung von Medien begünstigte. Frank (1987, 6) folgt in diesem Punkt, präzisiert ihn aber dahingehend, daß die Errichtungen von Kunstakademien im Frankreich des 17. Jhd. ,,jene Entwicklung der Trennung der Künste" kennzeichnet. Demzufolge ist die im 20. Jahrhundert einsetzende Tendenz zum Intermedialen mehr eine ,,Wieder-Vereinigung" als ein ganz neuartiger Prozeß. Sowohl Frank als auch Higgins sehen in ähnlichen gesellschaftlichen Verschiebungen den Grund für diese Entwicklung. Während laut Frank (4) ,,das Zeitalter der Spezialisierung" seinen Einfluß verliert und die ,,Gleichzeitigkeit" unser Jahrhundert präge, bemerkt Higgins: ,,We are approaching the dawn of a classless society, to which separation into rigid categories is absolutely irrelevant" (18)

Hier macht sich nun der utopische Impuls bemerkbar. Die Überwindung der Arbeitsteilung, Spezialisierung in rigiden Kategorien, in der klassenlosen (kommunistischen) Gesellschaft ist eine der zentralen Ideen des Marxismus. Die Intermedien erscheinen so gesehen als die Vorwegnahme jener Überwindung im Bereich des Künstlerischen, als konkret gewordene Utopie - Kultermann bezeichnet explizit die ,,Grenzüberwindung in den Künsten" als revolutionär (1970, 77). Eine von Wagners programmatischen ästhetischen Schriften heißt Die Kunst und die Revolution. Dort spricht Wagner von der ,,großen Menschheitsrevolution", die einen neuen Gesellschaftszustand hervorbringen soll, welcher an die griechische Antike und ihr ,,Gesamtkunstwerk der Tragödie" anschließt (vgl. Borchmeyer 1982, 65). Weiterhin heißt es zu Wagner:

Die Vereinzelung und Autonomisierung der Künste entspricht dem modernen gesellschaftlichen `Egoismus' wie ihre Einheit dem `Kommunismus' als dem an der griechischen Polis orientierten und dem Kunstwerk der Zukunft vorgeschriebenen gesellschaftlichen Ideal. (69).1

Die von Higgins immer wieder beschworene Metapher der Fusion gewinnt - so betrachtet - noch eine andere Komponente: Sie konnotiert auch die Wieder-Vereinigung des durch Spezialisierung und Lohnarbeit von sich und seiner Arbeit entfremdeten Individuums mit seinen (bisher) verkümmerten Möglichkeiten. Das ,,wunderbar natürliche[..] Ineinandergreifen von menschlichem Individuum und Umwelt" (Yalkut 1973, 94) kann so als Telos intermedial arbeitender Künstlergruppen bestimmt werden. Konsequenterweise kann Higgins somit den `puren' Medien, insbesondere der Malerei vorwerfen, `ornamentale Objekte für die Wände der Reichen' (vgl. 18) zu sein. Nachdem er sich spöttisch über die Kommerzialisierung und Vermarktung von Kunst in Galerien ausgelassen hat, folgert er:

It is absolutely natural to (and inevitable in) the concept of the pure medium, the painting or precious object of any kind. That is the way such objects are marketed since that is the world to which they relate. (19).

Hier zeigt sich, daß Higgins das Konzept des `pure mediums' unmittelbar (`natural' und `inevitable') verbunden sieht mit der Welt, die Kunst in die Warenzirkulation einschließt - die arbeitsteilige Welt des Hochkapitalismus (`the world to which they relate'). Schon Wagner attackierte die moderne Kunst, da er sie in seiner Form als Ware nur abfällig betrachten konnte:

Wo der griechische Künstler, außer durch seinen eigenen Genuß am Kunstwerke, durch den Erfolg und die öffentliche Zustimmung belohnt wurde, wird der moderne Künstler gehalten und - bezahlt. (Wagner, zitiert in: Borchmeyer 1982, 66).

Diese Aufhebung der Differenz zwischen `Kunst' und `Leben' ist in bezug auf die Kunstströmungen von Happening und Fluxus, denen auch Higgins' eigene künstlerische Arbeit zuzuordnen ist, geradezu ein Klischee. Higgins führt in diesem Zusammenhang eine intensive Kritik der proszenischen Bühne durch (20/21), die für ihn symptomatisch eine verschwindende Sozialordnung repräsentiert, ebenso wie Kultermann die Trennungen zwischen Werk und Publikum als ,,der bürgerlichen Gesellschaft angehörige[..] Rituale" (1970, 101) betrachtet. Schon Wagner stellte dem Gegenüber von Zuschauer und Bühnenraum das Amphitheater entgegen, da es eine Fusion von Künstlern und Rezipienten ermögliche:

In der vom Amphitheater fast vollständig umgebenen antiken Orchestra stand der tragische Chor wie im Herzen des Publikums. (Wagner, zitiert in: Borchmeyer 1982, 64, Hervorhebung durch mich).

Demzufolge ist es nur konsequent, wenn Higgins einem der Väter des Happenings, John Cage, eine ,,social vision" bescheinigt (66) und sogar Duchamps Ready-Mades für intermedial hält2:

The ready-made or found object, in a sense an intermedium since it was not intended to conform to the pure medium, usually suggests this, and therefore suggests a location in the field between the general area of art media and those of life media. (20; Hervorhebungen durch mich).

Diese Passage ist einigermaßen verblüffend. Das Ready-Made oder die Skulpturen Oldenburgs erscheinen also als intermedial, weil ein Gegenstand aus dem alltäglichen Leben, ein life medium, in die `general area' der Kunst überführt, gleichsam Kunst und Leben ineinander verschränkt werden. Der Begriff der life media verlangt nach Erklärung. Da Higgins in diesem 1965 erschienenen Aufsatz, in Zusammenhang mit Arbeiten von Claes Oldenburg, Schuhe offenbar als Medium betrachtet, suggeriert diese Passage eine konzeptionelle Nähe zu dem 1964 erschienenen und schnell berühmt gewordenen Buch Understanding Media von Marshall McLuhan. Es ist sicher kein Zufall, daß Jud Yalkut (ein Fluxus-Künstler der 60er Jahre) sein Manifest Understanding Intermedia (Yalkut 1973) genannt hat. McLuhan (1994, 15) betrachtet alle Medien als Ausweitungen des Menschen, und deswegen kann bei ihm auch die Kleidung - die ,,erweiterte Haut" - als Medium begriffen werden (186-190). D.h. im verfremdenden Zugriff auf die `life media' durch die `art media' werden erstere zu ästhetischen Formen überhöht, die die Grenze zwischen `art media' und `life media' generell in Frage stellen.
Das wesentliche Problem in den referierten Positionen scheint die Unterscheidung zwischen Intermedia und Mixed Media zu sein. Higgins unterscheidet diese beiden Formen, indem er den Mixed Media unterstellt, daß die medialen Formen, die in ihr zusammentreten, jederzeit vom Betrachter als getrennte begriffen werden können. Demgegenüber trete in den Intermedien oder intermedialen Formen eine `konzeptuelle' Fusion auf, die es unmöglich mache, nur einen ihrer Ursprünge zu betrachten, sondern dazu zwinge, diese als gleichzeitig und untrennbar zu betrachten (vgl. 16). Hier liegt ein dialektisches Verständnis von Intermedialität vor. Während die Mixed media eine bloße Versammlung verschiedener Medien an einem Ort oder in einem Rahmen darstellen, sind die Intermedia Synthesen, in denen die eingehenden Formen aufgehoben werden. Ebenso wird die durch die Intermedien vorweggenommene und katalysierte Überwindung der Spaltung zwischen Leben (These) und Kunst (Antithese) begriffen. Weder wird das eine durch das andere einfach geschluckt, noch soll es zu einer Form, die Halb-Leben und Halb-Kunst wäre, kommen. Die dialektische Synthese wäre hier ,,die neue Identität von Leben und Kunst" (Kultermann 1970, 78).
Allerdings ist merkwürdig, daß eine Form, deren Name schon das Zusammentreten verschiedener Formen andeutet, wie z.B. ,,graphic poetry" als untrennbar fusioniertes Intermedium erscheint. Denn wenn die Intermedia unauflöslich zu einer neuen Form verschmolzene alte Formen sind, dann dürfte es dem Analytiker wohl kaum gelingen, die ursprünglichen Formen zu benennen, aus denen sich das Intermedium generiert - und wenn, dann nur um den Preis der (textuellen) Auftrennung in die ursprünglichen Medien - was also geradewegs zur Leugnung der unverbrüchlichen Einheit des Intermediums führte. Wie Scholz (1991, 84 und 98 f.) an einem Beispiel, welches man zur ,,visual poetry" zählen könnte, nämlich an einem mit Schreibmaschine erzeugten Bild, welches zugleich ein lesbarer Text ist, ausgeführt hat, ist es bei solchen Darstellungen nicht möglich, das Bildhafte und das Geschriebene zugleich wahrzunehmen. Man kann es entweder als Bild interpretieren, dann muß man die Dicke, Farbe, Größe usw. der Buchstaben in den Blick bekommen oder man kann den Text lesen, was die Beachtung der ebengenannten Parameter überflüssig, unbedeutend und sogar störend3 macht. Der Betrachter kann zu einem gegebenen Zeitpunkt nur einen der beiden `Horizonte', wie Higgins sagen würde, rezipieren, weswegen keine Wahrnehmung möglich ist, die es als ,,both visual and literary art" (Higgins 1984, 16. Hervorhebung durch mich) ausweisen würde.
In diesem Sinne scheint bei Higgins u.a. der Begriff der Multimedialität (`mixed media') - wenn überhaupt - nur graduell abgrenzbar von dem der Intermedialität zu sein. Der Begriff einer medialen ,,Synthese" oder ,,Fusion" macht nur Sinn als raumzeitlich simultane Präsentation und Rezeption verschiedener medialer Formen in einem institutionellen Rahmen. Die ,,Synthese" ist also weniger im Intermedium selbst, als in der perzeptiven und kognitiven Verarbeitung verortet. Solche Aspekte fehlen völlig bei den hier diskutierten Texten.
Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich daraus, daß die von allen Autoren als Ziel intermedialer Kunst implizierte Fusion von Kunst und Leben voraussetzt, daß das sogenannte `Leben' selbst als mediale Form erscheinen muß (,,life media"), um dialektisch mit den Medien der Kunst (,,art media") synthetisiert werden zu können. Wenn, wie Kultermann sagt, das Leben ,,das Umfassende, das, was wir als die Gesamtheit der auf den Menschen bezogenen Realitäten unserer Existenz verstehen" (1970, 8) ist, dann muß hier diese Gesamtheit der auf den Menschen bezogenen Realitäten als Medium erscheinen - oder andersherum: Alle Medien erscheinen als ,,Ausweitung des Menschen" (McLuhan 1994, 15). Die Welt als solche wird intermedial: der Begriff droht ubiquitär4 zu werden. Am Rande nur sei bemerkt, daß die Mixtur aus multi-medialistischen und utopisch-holistischen Vorstellungen, wie sie für diesen Diskurs symptomatisch ist, im Bereich der Computer-Technologie eine erneute Wiederkehr zu feiern scheint. Das ,,Multimedium Computer" ermöglicht ein ,,Gesamtdatenwerk" (Ascott 1989) oder ein ,,mediales Gesamtkunstwerk" (vgl. Rötzer/Weibel 1993), das ins ,,Multimedia-Zeitalter" führt, wo durch ,,Zugang für jeden" gesellschaftliche Barrieren (angeblich) abgebaut werden und alle Medien zum digitalen Supermedium verschmelzen (vgl. Winkler 1997, 54-80).

2) Formale oder Trans-mediale Intermedialität

Das, was uns die Untersuchung des Verhältnisses von Film und Malerei lehrt, ist unter anderem gerade der Sachverhalt, daß die Malerei nicht als konstituierte Kunst in den Film eingeschlossen ist, sondern daß sie in ihre Konstituenten aufgespalten wurde, und daß der Film keine Synthese wovon auch immer ist. (Aumont 1992, 88)

Vehement weist Aumont jeden Versuch zurück, den Film als ein `synthetisches Medium' zu bestimmen. Er wendet sich scharf gegen das ,,simple Verfahren einer reinen Aufzählung", das eben noch so gegenwärtig war. Vielmehr macht er die bemerkenswerte Feststellung, daß die Malerei aufgespalten wurde, und daß einige dieser `Spaltprodukte' in den Film zumindest einfließen können. Müller hat den Unterschied zwischen der in 1) und der hier dargelegten Konzeption von Intermedialität konzise zusammengefaßt, wenn er Higgins als Problem vorhält, ,,Intermedialität von Kunstwerken zwischen unterschiedlichen Medien und nicht innerhalb spezifischer medialer Kontexte" verortet zu haben. Als Quintessenz liest er hingegen bei Aumont: ,,Im Medium `Film' werden Konzepte und Prinzipien anderer Medien thematisiert und ästhetisch realisiert und auch in anderen Medien Konzepte des Films." (1994, 133)
Der zentrale Begriff, den Aumont als die Malerei und die neuen Bildtypen wie Photographie und Film verbindend begreift, ist der des variablen Auges. Konsequenterweise erscheinen Photoapparat und Kamera nun als Inkarnationen dieser, die Moderne geradezu als Synonym bezeichnenden, Beweglichkeit des Blicks: ,,L`appareil photographique comme incarnation de cette mobilité enfin trouvée" (1989, 39).5 Dementsprechend vertritt er auch die Auffassung, daß die immer wieder betonte Kontinuität der in der Renaissance entwickelten zentralperspektivischen Organisation des Bildraumes mit dem photographischen und kinematographischen Bild (vgl. Comolli 1980; dazu ausführlich Winkler 1991, 19-38) von geringerer Relevanz sei: Aumonts Konzept deckt sich in diesem Punkt mit neueren Studien zur `Vorgeschichte' des Kinos, insbesondere denen von Jonathan Crary (1988; 1990, vgl. dazu Hick 1994). Dieser ist ebenso der Auffassung, daß sowohl die moderne Malerei, die bspw. in Form des Impressionismus die flüchtige Erscheinung der Welt bannen wollte, als auch die Photographie, die das ,,Unbedeutende, das Atmosphärische, das kaum zu fassende und zu fühlende" (Aumont 1992, 83) festhält und der Film als ,,experimentelles Spiel mit der Variation des Blickpunktes" (81) gleichermaßen aus dem Einschnitt zu Beginn des 19. Jahrhunderts resultieren. Aumont vertritt also die Auffassung, daß das intermediale Band, welches Malerei und Kino verbindet, in vergleichbaren, trans-medialen Darstellungsweisen liegt, die durch gemeinsame Partizipation an einer historisch gegebenen ,,Ordnung des Sichtbaren", einem ,,skopischen Regime" (vgl. Jay 1988), bedingt sind.
Die formalen Ebenen sind getrennt von der medialen Basis und relativ autonom ihr gegenüber - in diesem Sinne trans-medial6, wenngleich sie sich auch nur in einem je gegebenen medialen Substrat aktualisieren können. Allerdings drängt sich das Problem auf, ob es sich hierbei nicht um einen ,,medientheoretischen Idealismus" handelt, insofern eine quasi-platonische Unabhängigkeit der Form vom Medium behauptet wird: ,,Intermedialität wäre in diesem Kontext als Verbindung oder Verkettung verschiedener Medien zur Vermittlung der von allen unterschiedenen Eigenschaften [...] mißzuverstehen." (Paech 1997, 336). Paech insistiert - mit Luhmann (1986) - zurecht auf der Untrennbarkeit von Medium und Form, insofern Formen - wie bereits gesagt - immer nur in einem Medium erscheinen, Medien selbst immer nur in Formen aktualisiert existieren. Jedoch scheint die Rede von der ,,Trans"medialität insofern gerechtfertigt, als sich sehr wohl nachträglich konkrete Analogien zwischen medialen Artefakten konstruieren lassen, die bspw. Rückschlüsse auf ein zu einem gegebenen Zeitpunkt dominierendes ,,skopisches Regime" (vgl. Jay 1988) zulassen. Paech bemerkt ja selbst: ,,Man kann auch sagen, daß es keine Intermedialität zwischen Literatur und Film gibt, sondern nur zwischen Medien literarischen und filmischen Erzählens." (Paech 1997, 335; Anm. 7). Diese Formulierung impliziert die Transmedialität des Erzählens, der Narration, insofern sie als tertium comparationis den Bezug zwischen den beiden Medien eröffnet, ohne einem der beiden als Spezifikum zugeordnet werden zu können.7 Seymour Chatman bemerkt: "One of the most important observations to come out of narratology is that narrative itself is a deep structure quite independent of its medium" (1981, 117).
Auch Fiktionalität, Rhythmizität, Bildkomposition oder Serialität (vgl. Sykora 1983) können als mögliche Fälle solcher trans-medialer Strukturen gelten. Zwar rangieren diese Begriffe offensichtlich nicht auf der gleichen Ebene - gemeinsam ist ihnen aber doch, daß sie alle schon herangezogen wurden, um Artefakte aus verschiedenen Medien auf abstrakterer Stufe zu vergleichen.
Gerade in Hinsicht auf derartige formale Strukturen kann Aumonts (und auch Crarys) Position durch Heranziehung der präzisen analytischen Instrumente des Neoformalismus ergänzt werden. Der Neoformalismus scheint als theoretischer Rahmen für Untersuchungen trans-medialer Formen von Intermedialität geeignet zu sein, bedauert Bordwell doch: ,,We lack a term for those trans-media architectonic principles that govern the shape and dynamics of a film" (1989, 375; Hervorheb. J.S.). Und: ,,As a distinction the fabula/syuzhet pair cuts across the media. At a gross level, the same fabula could be inferred from a novel, a film, a painting, or a play." (1993, 51). Ferner heißt es: ,,Logically, syuzhet patterning is independent of the medium; the same syuzhet patterns could be embodied in a novel, a play, or a film." (50). Obwohl der Neoformalismus im Unterschied zu allzu generalisierenden Theorien wie bestimmten Formen der Psychoanalyse gerade ,,[v]om Spezifischen des Films" (vgl. Wulff/Hartmann 1995) zu handeln scheint, ist diese Spezifität nicht mit einer schroffen, ontologischen Gegenüberstellung des Films zu anderen Medien zu verwechseln.8 Und obwohl auch Branigan darauf insistiert, daß es im Neoformalismus um ,,a set of uniquely cinematic techniques" (1992, 119) ginge, zeigt doch seine eigene Demonstration der von ihm entwickelten Narrationstheorie gerade nicht an einem Film, sondern an einem Comic (76-83), daß die vom Neoformalismus eruierten narrativen oder auch einfacheren formalen Strukturen des Films9 sehr wohl einen Status haben, der sie als Grundlage für eine Art komparative Studie10 trans-medialer, allgemeiner Darstellungsweisen geeignet macht. Insofern ist die einfache Zuordnung des Neoformalismus zu den `Spezifizierern', wie sie Branigan in Kontrast zu anderen Theorien der Narration vornimmt, welche diese als ,,general, transcendent sort of medium [...] which is superimposed upon specific media like film and literature" (121) begreifen, zu einfach und verkürzend. Zumal der Status der ,,uniquely cinematic techniques" sich bei genauerer Betrachtung alles andere als glasklar zeigt. Was wäre denn eine solche ,,technique" oder neoformalistischer gesprochen: ein solches ,,device", welches nur und ,,uniquely" dem Kino zukäme? Als erster Gedanke mag sich vielleicht die Bewegung des Bildes, und dann, in Präzisierung der Unterscheidung des Films vom Theater, die Bewegung des Bildfeldes als solchem aufdrängen. Aber wie bemerken Bordwell und Thompson doch selbst so deutlich:

Paintings, photographs, comic strips, and other images all furnish instances of aspect ratios, in frame and out frame relations, angle, height, level, and distance of the frames vantage point. But there is one resource of framing that is specific to cinema (and video) [Hervorheb., J.S.]. In film it is possible for the frame to move with respect to the framed material. 'Mobile framing' means that within the confines of the image we see, the framing of the object changes. (1990, 181)

Just in dem Kapitel, in welchem es um ,,Cinematographic Properties" geht und spezieller noch genau dort, wo es - wie das Zitat zeigt - um die Absetzung des Films von anderen Bildtypen anhand des Kriteriums ,,Mobile Framing" sich dreht, konzedieren Bordwell und Thompson freimütig, daß das spezielle ,,mobile framing", welches ,,specific to cinema" ist, dies auch für ,,video" ist: ergo ist es nicht ,,uniquely cinematic"! Und da das ,,mobile framing", bzw. die Kamerabewegung sogar nicht nur diesen beiden Medien zu-geschrieben werden kann, sondern auch den digitalen Bildern des Computers in Form der ,,virtual camera" (vgl. Mitchell 1992, 117-136), so ließe sich exakt an dem Verfahren [device] des ,,mobile framings" eine vergleichende, inter-medial orientierte Untersuchung initiieren. Bordwell (1993) selbst gibt zahlreiche Hinweise wie sich die neo-formalistischen Kategorien fruchtbar machen lassen könnten: Sein ,,Art Cinema Mode of Narration" ist in Zusammenhang mit modernistischen Formen von Literatur entstanden (207/208), der ,,Parametric Mode" hingegen hat vieles mit serialistischen Kunstformen und serieller Musik gemeinsam (275-278). Ein wichtiger Begriff im Zusammenhang dieser trans-medialen (vgl. Gass 1993, 69) Intermedialität wäre der Begriff der transtextual motivation (vgl. Bordwell 1993, 36). Er beschreibt die Weise, in der ein in einem Artefakt gegebenes Verfahren durch Anlehnung bspw. an Genre-Konventionen, also in bezug auf andere, kanonische Texte, motiviert ist:

Transtextual motivation [...] involves any appeal to conventions of other artworks, and hence it can be as varied as the historical circumstances allow. [...] In film, types of transtextual motivation most commonly depend on our knowledge of usage within the same genre, our knowledge of the star, or our knowledge of similar conventions in other art-forms (Thompson 1988, 18/19; Hervorheb., J.S.).

Zu untersuchen wäre also, wie bestimmte formale Verfahren (devices), z.B. die Bildkomposition in Bezug auf die Bildgrenze, rhythmische Strukturen usw., in bestimmten Artefakten z.B. der Malerei, der Musik eingesetzt werden und ob und wenn ja, wie in bestimmten Filmen, Photos, Gemälden usw. auf derartige Funktionen von Verfahren zurückgegriffen wird (vgl. Bonitzer 1987; Jost 1987; Brüggemann 1991).11 Auf diese Weise können formale, strukturelle Homologien zwischen Artefakten verschiedener medialer Provenienz mit den Begrifflichkeiten des Neoformalismus analysiert werden: als `transtextuell'12 motivierte `Verfahren'. Und übergreifend ließen sich vielleicht historische Phasen lokalisieren, in denen dominant bestimmte Verfahren bestimmter Kunstformen (Medien) auf bestimmte Weise auf andere Kunstformen (Medien) eingewirkt hätten - der Begriff des ,,Leitmediums" könnte so systematisch und historisch präzisiert werden. Aumonts ,,Wiederaufnahme von Fragen, Konzepten, Prinzipien" (1992, 79) zwischen verschiedenen Medien fände hier als übergreifende Perspektive ihren Platz.

Zwei Anmerkungen sind noch zu machen: Zunächst muß man sich gegenwärtig halten, daß die zu eruierende trans-mediale Ebene natürlich eine Abstraktion ist. Foucaults Wendung von der ,,Ortlosigkeit der Sprache" (1993a, 19), in der die heterogenen Einträge von Borges' chinesischer Enzyklopädie ihren gemeinsamen Nicht-Ort finden, gilt in gewisser Weise auch für die Konstruktion ,,trans"-medialer Korrespondenzen im selbst schriftlichen Raum des theoretischen Diskurses (vgl. Baxandall 1990, 28). Insofern ist Vorsicht vor allzu schnellen Analogie-Bildungen, etwa zwischen kinematographischer Montage und kubistischer Malerei, angeraten.
Weiterhin haben Modelle, die mit trans-medialer Intermedialität operieren, also gerade mit dem Bereich, an welchem verschiedene Medien gleichermaßen partizipieren, ihre liebe Mühe mit ,,Medienspezifik". Für den Neoformalismus ist das spezifisch Filmische am Film ausschließlich im ,,style" lokalisiert: ,,Style is thus wholly ingredient to the medium" (Bordwell 1993, 51). Und selbst dort ist es - wie ebenfalls schon erwähnt - nicht sicher vor ständigen Analogien mit anderen Medien. Lars-Henrik Gass hat einmal formuliert

So müßte fortan nicht mehr von zwei definierbaren Seinsweisen - hier Photographie, dort Film - mit gemeinsamer ontologischer Referenz gesprochen werden; vielmehr kämen auf einer gleichsam transmedialen Ebene ästhetische Nahverhältnisse zustande, in denen z.B. ein Film einer musikalischen Komposition weitaus näher erscheinen könnte als einem anderen Film und eine Photographie einem Gemälde näher als einer anderen Photographie. [...] Abstrahierbare mediale Apriori, allgemeine Unterscheidungen zwischen `Photographie', `Film', `Theater', `Malerei', `Literatur' usw. werden somit im Gebrauch ästhetischer Mittel als aufhebbar gedacht. (1993, 69 / 70)

Und die `abstrahierbaren medialen Aprioris' können nicht nur `als aufhebbar gedacht' werden: vielmehr scheint, daß im Rahmen des trans-medialen Paradigmas mediale Spezifika widerspruchsfrei überhaupt nicht mehr untergebracht werden können. Das zeigt sich insbesondere an jenem Typ von Analysen, der sich einerseits auf trans-mediale Gemeinsamkeiten verschiedener Medien stützt, andererseits aber ein hierarchisches Verhältnis zwischen diesen Medien voraussetzt. Diese Hierarchie wird immer dann impliziert, wenn behauptet wird, ein bestimmtes Verfahren sei von einem Medium auf ein anderes `übergegangen' - z.B. in der Rede von einer `Literarisierung des Kinos'.
[A] Einerseits muß der Gedanke eines solchen gerichteten Transfers eines Verfahrens (oft ,,Einfluß" genannt; vgl. Baxandall 1990, 102-105) nämlich unterstellen, daß das Verfahren medien-un-spezifisch genug ist, um in einem anderen medialen Kontext als selbiges, d.h. wieder-identifizierbares Prinzip auftreten zu können (Das ist die Basis für jeden trans-medialen Vergleich).
[B] Andererseits muß das Verfahren medienspezifisch genug sein, um in seinem neuen medialen Kontext noch auf das Medium, dem es `entliehen' wurde bzw. von dem es `herkommt', verweisen zu können.
Diese paradoxale Struktur der Idee eines gerichteten Transfers ästhetischer Prinzipien (Einfluß) kann man z.B. ganz symptomatisch bei Yvonne Spielmann (1993; 1994) finden. In ihrer Diskussion der Filme Peter Greenaways findet sich u.A. folgender Gedankengang: Zunächst negiert sie die von Bazin (1967, 166) getroffene `medienspezifische' Unterscheidung zwischen dem gemalten Bild als zentripetal und dem filmischen Bild als zentrifugal. Sie konstatiert - mit Deleuze (1990, 32) - ,,die Unhaltbarkeit einer ontologischen Differenz zwischen zentripetalem Rahmen der Malerei und zentrifugaler Filmleinwand" (1993, 57). Diese Strategie ist notwendig, ganz im Sinne des oben unter [A] gefaßten Aspekts, um die Opposition zentripetal/zentrifugal als medien-un-spezifische Option zu formulieren, d.h. Film- wie gemalte Bilder können beide sowohl zentripetal als auch zentrifugal organisiert sein. Da also das Filmbild auch zentripetal auftreten kann, kann sie einen intermedialen Bezug transmedialer Art bei Greenaway lokalisieren:

Dem Raumkonzept der perspektivischen Malerei nähert sich der Filmregisseur dadurch an, daß der Aufbau des Bildfeldes den zentripetalen Aspekt des Filmbildes vor dem zentrifugalen betont (Ebd., Hervorhebung durch mich)

Aber gerade diese Feststellung muß verwundern. Wenn nämlich zentripetal/zentrifugal medien-un-spezifisch gefaßt wurden, wieso verweist dann ein zentripetales Filmbild noch auf die Malerei? Wenn nach der Zurückweisung einer medienspezifischen Differenz zwischen Film und Malerei die Zentripetalität keine exklusive Eigenschaft des gemalten Bildes mehr ist, wieso soll und kann dann `zentripetal' für `Malerei' stehen? Hier zeigt sich der als [B] bezeichnete Aspekt. Es scheint also, daß transmediale Modelle nur um den Preis der Inkonsistenz13 noch [B], also irgend eine Medienspezifik, annehmen können. Meiner Meinung nach zeigt sich dieselbe Paradoxie an einer Stelle bei Hansen-Löve (1983, 292):

Die konstruktiv-methodische Projektion der medienspezifischen Verfahren einer Kunstform bzw. Gattung in eine andere heterogene dient der Avantgarde (v.a. in ihrer analytischen Frühphase) der Reflexion und Intensivierung des Empfindens der jeweiligen Medien- und Gattungsspezifik (ihrer medialen ,,Differenzqualität").

Wie kann die Übertragung eines ,,medienspezifischen Verfahrens" in ein anderes Medium stattfinden, wenn das Verfahren spezifisch auf die Struktur seines Mediums angewiesen ist? Und wenn es übertragen werden kann, ist es schlichtweg nicht mehr für das erste Medium spezifisch, sondern mindestens für beide! Vielmehr muß man sich auch im klaren darüber sein, daß wenn sich bspw. der Film eines Verfahrens der Literatur bedienen kann und bedient, es keinen Sinn mehr hat, zu sagen, daß der Film nun `literarisch' sei: denn schließlich ist das Verfahren jetzt ja auch ein filmisches Verfahren. In diesem Sinne hat schon Boris Eichenbaum präzise bemerkt:

Vor dem Hintergrund des Films nun haben viele Privilegien der Literatur ihr Monopol verloren [...] Wie das Theater hat auch die Literatur, indem sie den Film befruchtete und zu seiner Entwicklung beitrug, gleichzeitig ihren früheren Status verloren und muß in ihrer weiteren Evolution der Existenz einer neuen Kunst Rechnung tragen (Eichenbaum 1974, 24).

Dies ist eine der Bedeutungen von Kittlers Satz, demzufolge neue Medien alte nicht obsolet machen, sondern ihnen andere Systemplätze zuweisen (1993, 178). Aumont betont folglich, daß es ihm gerade nicht um Einflußnahme gehe (1992, 87) und daß ,,die Malerei" und ,,der Film [...] viel zu offene Begriffe - immer in Gefahr substantialistisch definiert und verstanden, anstelle historisch spezifiziert zu werden", seien. Konsequenterweise ersetzt er wenig später den Ausdruck ,,Film" durch die Wendung ,,der Typus künstlerischer Praxis, den man gemeinhin als `Film' bezeichnet" (79, Hervorheb. J.S.).

3) Transformationale Intermedialität

Hier könnte man mit Philip Hayward (1988, 1) von ,,Re-Representation" oder mit Maureen Turim (1991) von ,,displacement" sprechen, d.h. die intermediale Beziehung besteht darin, daß ein Medium ein anderes repräsentiert. Vorweggeschickt werden müßte, daß es fraglich ist, ob hier von Inter-medialität gesprochen werden kann, da schließlich ein Artefakt eines bestimmten Mediums (z.B. ein Film) ein anderes Medium (bspw. Gemälde)nicht als Anderes enthält sondern repräsentiert. Ein Gemälde in einem Film, ein Gebäude auf einem Photo, sind kein Gemälde oder Gebäude mehr, sondern integraler Teil des sie repräsentierenden Mediums - sie werden eben repräsentiert. Insofern wäre bspw. ein Photo eines geschriebenen Textes keine inter-mediale Beziehung, sondern eben ein Photo, das referentiell auf einen Text verweist. Das Photo wird Objekt der Darstellung.Im übrigen untergräbt diese Repräsentationsbeziehung schon im Kern den Gedanken einer `medialen Synthese'. So betrachtet wäre der Film kein kombiniertes ,,Gesamtkunstwerk" (vgl. Uhlenbruch 1995), das sich aus verschiedenen Medien (oder ,,Künsten") zusammensetzt, da alles, was im (photographischen) Film erscheint, `durch' das Kino-Dispositiv gegangen sein muß, um zu erscheinen, d.h. integraler Bestandteil ein und desselben Filmbildes ist (eine Ausnahme wäre vielleicht der Ton im Tonfilm, da dieser getrennt gespeichert wird).
Nichtsdestotrotz würde man sich eine interessante Perspektive verstellen, überspränge man die Repräsentation mit diesem Argument. Denn wenn - um bei dem Beispiel zu bleiben - die Photographie auf einen geschriebenen Text verweisen bzw. sich auf ihn beziehen kann, handelt es sich bereits um ein Beziehung zwischen zwei Medien. Ein Medium verweist auf ein anderes - es kann das repräsentierte Medium dadurch kommentieren, was wiederum interessante Rückschlüsse auf das ,,Selbstverständnis" des repräsentierenden Mediums zuläßt. Und es kann das repräsentierte Medium auf eine Art und Weise repräsentieren, die dessen lebensweltliche, ,,normale" Gegebenheitsweise verfremdet oder gleichsam transformiert.
Eine komplizierte Frage ist, ab welchem Punkt man sich berechtigt fühlen darf, von einer intermedialen Repräsentation zu sprechen. Überdehnt wäre der Begriff sicherlich, wenn man schon die Erwähnung des Wortes ,,Malerei" in einem Film oder Buch als intermediale Repräsentation werten würde. Auch ein Fall wie der, daß Gemälde in Filmen für szenische oder narrative Zwecke eingesetzt werden (vgl. Stelzner-Large 1990), ist nicht passend. Es muß eine Repräsentation vorliegen, die explizit auf das repräsentierte Medium bezug nimmt.

Als ein kleines Beispiel für eine solche Repräsentation kann die Sendung 100(0) Meisterwerke herhalten. Das Gemälde wird sukzessiv in einzelne Bereiche zerlegt, die der Film (oder das Video) über die Montage verketten. Diese Zerlegung des Gemäldes weist auf einen wichtigen Aspekt hin, dem wir schon begegnet sind. Bazin (1967, 166) unterschied das zentripetale Bild der Malerei, dessen Rahmen es fest eingrenzt und auf den Bildmittelpunkt bezieht, vom zentrifugalen Bild des Films, das beständig den Rahmen überschreitet und in Austausch mit dem Außerbildraum steht. Es ist zu beobachten, daß in zahlreichen filmischen Darstellungen von Malerei zunächst das ganze Gemälde als gerahmte Einheit zu sehen ist, dann aber die Kamera so nah an das Bild heranfährt, daß das Bild aus seinem Rahmen herausgenommen wird und die Leinwand füllt. Da diese aber zentrifugal ist, kann das Bild oder Details daraus nun in Anschluß zu anderen Details, anderen Bildern desselben Malers, Bildern anderer Maler usw. treten (vgl. Paech 1990 a, 45). Nicht zufälligerweise wird diese Struktur oft getragen von einer Voice-Over Stimme. Diese kommentiert die verketteten, 'zentrifugalisierten' Bildausschnitte und ersetzt auf diese Weise das - wie Eichenbaum (1974, 35) schreibt - ,,innere Gemurmel", welches wir vor dem Bild produzieren - diese Stimme supplementiert unsere Lesart. Jene Stimme liefert den zeitlich sich entfaltenden Begründungszusammenhang, der rechtfertigt, warum gerade diese und keine andere Weise der Verknüpfung gewählt wurde (vgl. Doane 1985, 572). In der Tat bezeichnet schon die Eröffnungssequenz von einer Sendung wie bspw. 100(0) Meisterwerkeden Anspruch der Sendung, ,,Übersetzungsorgan für Kunstwerke" (Winter 1990, 73) zu sein. Wir werden buchstäblich Komplizen der immer gleichen Off-Stimme, denn die erhöhte Kameraposition, die uns als Zuschauer weit über die die Treppe benutzenden Besucher erhebt, deutet an, daß wir eine (transzendente) Überblicksposition besitzen, von der aus eine `objektive' Beurteilung des Kunstwerkes möglich ist (76).

Entscheidend ist, daß, trotz aller Verschiedenheiten, die Beschreibungen solcher Transformationen immer ontologische Implikationen haben. Denn, um überhaupt eine Transformation - ein ,,displacement" wie Turim (1991) sagt - konstatieren zu können, muß ein Wissen, was das repräsentierte Medium (angeblich) ist und auch was das repräsentierende Medium (angeblich) ist, vorausgesetzt werden. Es müssen wesentliche Differenzen bestimmt werden, die es möglich machen, zu beschreiben, was dem repräsentierten Medium durch das repräsentierende Medium `(hin)zugefügt' wurde: eben wie es ,,displaced" wurde. Für unsere winzige Analyse setzten wir bspw. voraus, daß beide Bildformen (Malerei und Film/Video) eine Zeit des Erzählten beinhalten können, aber doch nur der Film eine fixe Erzähl- oder allgemeiner Darstellungszeit hat.
Viele weitere solcher ontologischen Differenzen sind denkbar und formuliert worden: Eine der häufigsten ist die zwischen dem indexikalischen Charakter der Photographie im Unterschied zur bloßen Ikonizität der Malerei. Eine solche Opposition als Grundlage ermöglichte andersartige Analysen transformationaler Intermedialität, bspw. für Fälle, in denen zunächst ein Gemälde abgefilmt erscheint und dann ein Protagonist den, für die Filmkamera nachgestellten, Bildraum (des Gemäldes) betritt, um sich dort zu bewegen. Ein solcher Fall liegt in der `Die Krähen'-Episode von Dreams(Japan/USA 1990, Akira Kurosawa) vor, in welcher der Protagonist ein Gemälde Van Goghs betritt. Wie man sieht ist das, was im trans-medialen Paradigma nicht operationalisierbar ist, nämlich eine vorausgesetzte medienspezifische Differenz, für das transformationale Paradigma unhintergehbare Voraussetzung.
Und das bedeutet auch, daß man aus der Transformation Rückschlüsse sowohl auf das - wenn man so will - `Modell' des transformierenden als auch auf das `Modell' des transformierten Mediums ziehen kann. `Die Krähen'-Episode aus Dreams legt eben die Opposition indexikalisch/nicht-indexikalisch als signifikante Differenz zwischen Film und Malerei nahe, während die Zerhackungen der Malbewegung qua Montage in Le Mystére Picasso (F 1963, Georges Clouzot) etwa unbewegt/bewegt als zentralen, spezifischen Unterschied suggerieren. Damit befinden wir uns schon auf der Rückseite der transformationalen Intermedialität, die man

4) Ontologische Intermedialität

nennen könnte. Zentral ist, daß bspw. ,,der" Film sich durch transformierende Bezugnahme auf ein anderes Medium, wie bspw. ,,die" Malerei selbst bestimmen kann. Diese Reflexivität des Films durch seine Transformation eines anderen Mediums könnte ein gutes Beispiel für die, von Kessler, Lenk und Müller (1994, 9f.) bei Christian Metz vermißten, ,,intermedialen Enunziationsfiguren" sein.
Die Frage, die sich hier stellt, ist also: Gehen die klar abgegrenzten, durch irgendwelche `medienspezifischen Materialitäten' bestimmten Einheiten, die wir Medien nennen der inter-medialen Beziehung voraus oder gibt es eine Art Ur-Intermedialität, die umgekehrt als Bedingung der Möglichkeit solcher Einheiten fungiert?
Um der Antwort auf diese Frage näherzukommen, sei ein kleines Gedankenexperiment eingeschoben: Will man eine Definition bspw. für die ,,Photographie" finden, also das benennen, was spezifisch für sie ist, müßte zunächst die Hinsicht bestimmt werden, für die diese Definition gelten soll. Festzustellen, daß die ,,Photographie" quadratische Bilder erzeugt, wäre ungenügend. Aber welche Aspekte soll man auswählen? Eben genau die, in denen sich die ,,Photographie" von den als Vergleich herangezogenen Medien unterscheidet - und zwar nur diese. Quadratische Bilder - dies hätte die ,,Photographie" mit der (meisten) ,,Malerei" gemeinsam, was aber hätten ,,Photographie" und ,,Malerei" nicht gemeinsam? Eben daß ,,Photographien" indexikalische Bilder sind. Zieht man also nur die ,,Malerei" als Kontrast heran, ,,ist Photographie" ein Medium, das indexikalische Bilder erzeugt. Dieses Kriterium unterschiede aber nicht die ,,Photographie" vom (photographischen) ,,Film": Um diese Unterscheidung durchzuführen, wäre der unterschiedliche Status beider Bildtypen in Bezug zum Hors-champ etwa zu erörtern. Definiert man die ,,Photographie" also im Kontext von ,,Malerei" und ,,Film", kommt dabei bspw. heraus: ,,Photographie" ist ein Medium, das indexikalische und statische Bilder hervorbringt. Beide Unterscheidungen würden aber ebenfalls nicht ausreichen, um die ,,gewöhnliche Photographie" von der ,,Polaroid-Photographie" zu differenzieren, usw. ad infinitum. Dies zeigt, daß das, was an einem gegebenem Medium als spezifisch erscheint, abhängig ist von den ,,umlagernden Bezugspunkten" (Saussure), d.h. den (impliziten) Definitionen anderer Medien, die als Kontrast herangezogen werden müssen. Dies ist die zweite Bedeutung von Kittlers These, demzufolge neue Medien alte nicht obsolet machen, sondern ihnen andere Systemplätze zuweisen (1993, 178). Das wiederum bedeutet, daß die Bestimmung des `Eigenen' eines Mediums die differentielle Abgrenzung von anderen Medien voraussetzt, die (Begriffe der) anderen Medien sind also paradoxerweise für jede ,,puristische" und ,,essentialistische" Definition absolut notwendig: darin als Spur (anwesend). So betrachtet muß jedes mediale ,,Wesen", sobald es ,,auf der Szene der Anwesenheit erscheint, sich auf etwas anderes als sich selbst bezieh[en]" (Derrida 1988, 39). Diese `ontologische'Intermedialität wäre also nicht eine, die der Spezifik gegebener, bereits bestimmter Medien als bspw. ihre Synthese nachfolgt, sondern umgekehrt, diesen vorausgeht: Die Begriffe, um ein neues Medium zu be-schreiben, können ja nur der bereits existierenden Sprache entlehnt oder aus existierenden Begriffen zu Neologismen zusammengesetzt werden - der Rückgriff auf Metaphern, die auf andere Medien verweisen, wie z.B. `visueller Rhythmus', `Schrift des Lichts'... ist unvermeidlich.14 Man könnte sagen, daß das ,,Wesen" eines Mediums ,,Stück für Stück aus Figuren, die ihm fremd waren, aufgebaut worden ist" (Foucault 1993b, 71).
Unsere Argumentation scheint sich an diesem Punkt in einen Selbstwiderspruch zu verwickeln. Denn einerseits haben wir ja betont, daß Medien nur relational und differentiell in ihrem So-Sein bestimmt werden, mithin kein absolut konstantes `Wesen', aufweisen, insistieren aber andererseits auf dem differentiellen Charakter der Bedeutungskonstitution im Medium Sprache/Schrift, scheinen also diesem Medium selbst eine invariante Spezifik zu unterlegen. In gewisser Weise ist dieses Paradox jedoch unvermeidlich, insofern Sprache/Schrift die unhintergehbare Bedingung der Möglichkeit von Theorie darstellt. Sprache/Schrift ist der Ort an dem Theorie statthatt. Die Medien über die die Medientheorie schreibt erscheinen nur als inter-mediales ,,displacement" in Texten - nämlich versprachlicht/verschriftlicht. D.h. allerdings nicht, daß Theorie prinzipiell nur in Sprache/Schrift möglich ist. Die sog. Essay-Filme legen zumindest die Möglichkeit nahe, daß es auch Theorie in Bildern geben könnte, jedoch ist die schriftlich/sprachliche Theorie die gegenwärtig absolut dominante Form. Wichtig ist es auch darauf hinzuweisen, daß unsere Position nicht behauptet, daß andere Medien nach dem Modell von Sprache/Schrift funktionieren, wie es etwa die Filmsemiotik für den Film behauptet hat (vgl. kritisch dazu Deleuze 1991, 41-63). Jedoch ist auch das radikalste Zugeständnis einer irreduziblen Andersheit etwa des Bildes immer noch darauf angewiesen als Text, mithin im Medium Sprache/Schrift, ausgedrückt zu werden. Sprache/Schrift ist kein Medium unter anderen, es verhält sich assymetrisch zu den anderen Medien, insofern es der Ort ist, wo die `Wahrheit', das `Wesen', die `Spezifik' aller anderen Medien einzig ausgesagt werden können. Und umgekehrt kann kein Medium `als es selbst', in seiner reinen Spezifik und Wesenhaftigkeit erscheinen ohne durch die Relationalität und Differentialität der Sprache/Schrift gegangen zu sein: ,,Vor der Schrift steht man wie vor dem Gesetz, d.h. man ist immer schon von ihr betroffen, unterliegt immer schon ihrem Prinzip, ohne ihrer Herr werden zu können. Schrift und Gesetz implizieren daher einander wechselseitig. Die Schrift ist das Gesetz einer jeden Sprache, und umgekehrt ist jedes Gesetz nur als Schrift bindend" (Wetzel 1991, ix).
Man wird bemerken, daß diese ontologische Intermedialität15 (auch: Ontomedialität) die Vorstellung klar voneinander separierter medialer Segmente unterläuft. Darin sind die ontologische und die transmediale Intermedialität (siehe 2)) vergleichbar, bemerkt Müller doch - ohne den Begriff zu verwenden - zur letzteren:

Wenn ein `Medium' Strukturen und Möglichkeiten eines anderen oder anderer Medien in sich birgt, dann impliziert dies, daß sich die Vorstellung von isolierten Medien-Monaden oder Medien-Sorten nicht mehr aufrecht erhalten läßt (Müller 1996, 82).

Vielleicht bedeutet dies alles, anzuerkennen, daß nicht die einzelnen Medien primär sind und sich dann inter-medial aufeinanderzubewegen, sondern daß die Intermedialität ursprünglich ist und die klar voneinander abgegrenzten ,,Monomedien" das Resultat gezielter und institutionell verankerter Zernierungen, Einschnitte und Ausschlußmechanismen sind: ,,Most often, pehaps in all cases, medium specifity recommendations turn out to be not defenses of a given medium per se, but briefs in favor of certain styles, genres and artistic movements." (Carroll 1984/85, 147). Die Geschichte der Kunstkritik ist voll von solchen Versuchen, bestimmte Strömungen bspw. der Malerei in Rekurs auf eine unterstellte ,,Eigentlichkeit" der Malerei zu rechtfertigen. Oder schärfer formuliert: Passend zum jeweiligen Zweck kann man sich eine Spezifik konstruieren, die die Evaluierung bestimmter Objekte erlaubt.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, daß es niemals darum gehen kann, einen integralen Begriff von Intermedialität zu vertreten. Der Begriff ist so vielfältig wie die Diskurse. In welchen er produziert wird. Da die gegenwärtig einsetzende, inflationäre Verwendung des Begriffs droht, genauso eine Verwässerung zu produzieren, wie wir sie schon von Begriffen wie ,,Diskurs", ,,Medium" oder ,,Intertextualität" kennen, schien eine Bestandsaufnahme der vorliegenden Methoden und Ansätze geboten. Wie sich zeigt, richten sich die vier skizzierten Typen mit sehr unterschiedlichen Methoden auf sehr unterschiedliche Phänomene. Und in jedem verschiedenen Bereich ist auch der Medienbegriff ein anderer. Die unterschiedlichen Begriffe von Medium können hier aber nicht entfaltet werden. Die vorliegende Aufzählung erhebt keinen Anspruch darauf, abschließend oder vollständig zu sein. Sie ist eine offene Liste, der sich zu jedem Zeitpunkt neue Typen von Intermedialität (und ihnen korrelierende Methoden) gesellen könnten.

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 1  Obwohl Wagner Marx wohl kannte, darf die begriffliche Nähe nicht dazu verführen, in Wagner einen Marxisten zu sehen. Sein Kommunismus war eher am Vorbild der griechischen Polis orientiert. Zur Politik des Gesamtkunstwerks, vgl. die detaillierte Studie von Bermbach (1994).

 2  Zu Duchamp bemerkt Frank (1987, 13): "Duchamps Ästhetik der 'infra-mince' betonte die Kluft zwischen Kunst und Leben, um gleichzeitig ihre Nähe zu demonstrieren und zu bekräftigen".

 3  vgl. hierzu Aleida Assmans (1988) Überlegungen zum ,,langen Blick", der die Materialität der Schrift zu sehr beachtet und sich so in einer ,,wilden Semiose" verhakt.

 4  Die totalitären Implikate des Diskurses des ,,Gesamtkunstwerks" stellen u.a. Bazon Brock (1983) und Hans Günther (1995) heraus. Den Holismus McLuhans stellt Hartmut Winkler (1997, 64-72) präzise vor der Folie der Philosophie Teilhard de Chardins heraus.

 5  vgl. Deleuze (1990, 17): "[D]ie Kamera erschiene dann als eine Art Relais oder besser noch als ein verallgemeinertes Äquivalent der Fortbewegungen".

 6  Der Begriff stammt von Lars-Henrik Gass (1993, 70).

 7  Andernorts und in einem anderen Zusammenhang formuliert Paech noch expliziter: ,,Meine These ist, daß sich die virtuelle räumliche Struktur des Erfahrungs- und Wahrnehmungsraumes bei Simmel und Rilke, den ich als Bewegung zwischen Projektion und Imagination am Beispiel der Skulpturen Rodins dargestellt habe, homolog zum realen kinematographischen Raum verhält." (1990 b, 148; Hervorheb. J.S.). Hier ist es eine bestimmte Räumlichkeit, die den Bezug zwischen Rodins Skulpturen und dem Kino eröffnet.

 8  David Bordwell bemerkt sogar in aller Deutlichkeit: ,,On the matter of specifity, suffice it to say that although certain poeticians have assumed a distinction between the cinematic and the non-cinematic, this is by no means constitutive of poetics as such. One could assume that any film could be studied by poetics, with no film lying any closer to the essence of the medium than others." (1989, 374).

 9  Ein Beispiel für Letztere wären ohne Zweifel die von Bordwell und Thompson beschriebenen basalen Strukturen wie Wiederholen/Alternieren, Einheit/Nicht-Einheit usw. (vgl. Bordwell/Thompson 1990, 47-49).

 10  Eine komparative Studie, die zwar nicht explizit mit neoformalistischen Methoden vorgeht, aber durchaus in die hier skizzierte Richtung einer Analyse trans-medialer Intermedialität weist, ist Petrics (1993) konzise Untersuchung von Vertovs Celovek s kinoapparatom (UdSSR 1929) vor der Folie des Konstruktivismus.

 11  Das transmediale Paradigma ist übrigens auch hervorragend mit einer psychoanalytisch inspirierten Epistemologie verträglich, wie sich bei Crawford (1983) andeutet.

 12  Wir würden dann allerdings den Neologismus der `transmedialen Motivation' vorschlagen.

 13  In Spielmann 1994 findet sich genau derselbe Widerspruch. Auf S. 137 heißt es ganz im Kontrast zur oben betonten ,,Unhaltbarkeit der ontologischen Differenz": ,,Ein grundsätzlicher Wesensunterschied zwischen dem traditionellen Tafelbild und dem Filmbild tritt gerade in der diametralen Rahmenfunktion zutage: Die Mediendifferenz liegt in der zentripetalen Qualität des einen und der zentrifugalen des anderen Bildtyps" [B]. Eine Seite später jedoch wird wiederum die Medienunspezifik betont [A]: ,,Diesem Raumkonzept nähert sich Greenaway filmisch an, indem die Gestaltung des Bildfeldes und die Kameraführung den zentripetalen Aspekt des Filmbildes [sic!] vor dem zentrifugalen betonen".

 14  Wie bspw. Noel Carroll (1984/85, 146) bemerkt: ,,Ironically, often a cinema based on musicalist analogies is urged over literary cinema in the name of purism".

 15  Man wird anmerken, daß die transformationale Intermedialität, insofern sie vorgängige Wesensbestimmungen der beteiligten Medien impliziert, es ebenfalls verdiente ontologische Intermedialität genannt zu werden. Die Entscheidung den 4. Typ von Intermedialität `ontologisch' zu nennen, basiert darauf, daß dort die Medien-Ontologien selbst Effekt einer vorgängigen Intermedialität sind.