Nicola Glaubitz/Jens Schröter


Quälende Kuben und beruhigende Tableaus
Fragmente einer Diskursgeschichte des Raum- und des Flächenbildes.[*]




A definition of sculpture:
something you bump into when you back up to look at a painting.
Ad Reinhardt.[1]



1. DAS LETZTE BILD – DAS RAUMBILD?

Die Verbreitung digitaler Medien am Ende des 20. Jahrhunderts führt – dies ist geradezu common sense – zu sozialen, politischen, aber vor allem zu kulturellen und ästhetischen Umwälzungen und Umbrüchen. Seit Beginn der neunziger Jahre rückte speziell der Medienumbruch der Bilder ins Zentrum dieser Diskussion: Man befürchtete eine Glaubwürdigkeitskrise der fotografischen Bilder, des kritischen Journalismus und der Welterschließung überhaupt, da manche computergenerierte Bilder den fotografischen aufs Haar zu gleichen schienen.[2] Unabhängig von der Wahrheitsproblematik machte man aber mit dem Begriff der ‚Interaktivität’ einen weiteren, ganz anderen Umbruch dingfest. So verkündete Quéau im Jahr 1995: „In Zukunft können wir in die Bilder eintreten.“[3] Das Bild soll also nicht mehr dem Betrachter gegenüberstehen, sondern ihn wie ein Raum umhüllen – in diesem Sinne sei hier von ‚Raumbildern’ gesprochen. Zunächst ist das nichts Neues, denkt man etwa an die Panoramen des 19. Jahrhunderts.[4] Aber anders scheint zu sein, dass diese neuen Bilder auf den Betrachter reagieren und überdies nicht nur die visuelle, sondern vor allem auch die taktile Wahrnehmung adressieren. Flusser, der sich schon 1991 wie Quéau auf eine offenbar selbstverständliche ‚Zukunft’ berief, ergänzte, dass die „alternative[n] Welten aus den Computern [...] in naher Zukunft auch betastet, berochen und geschmeckt werden“[5] können. Die Bilder werden also scheinbar immer weltähnlicher – ob sie aber dabei auch ihren Bildcharakter verlieren, müsste man nach dem Abebben der Simulakrenhysterie im Gefolge Baudrillards aber doch noch einmal überprüfen.
Die Blaupause der Phantasmen, die angesichts des aktuellen Medienumbruchs Konjunktur haben, wurde literarisch sehr früh formuliert – so hat Bradbury schon 1950 einen für pädagogische Zwecke gedachten Simulator beschrieben, dessen hyperillusionistische Bilder sich bald in eine tödliche Bedrohung verkehren.[6] Auch in den ersten konkreten Forschungen an solchen virtuellen Raumbildern, die Ivan Sutherland unternahm, wird, lange vor der Medientheorie, die ‚Simulation’ problematisiert. Sutherland hielt 1965 einen Vortrag, in dem er über ein zukünftiges ‚ultimatives Display’ sinnierte, welches die Simulation eines völlig real wirkenden Raums ermöglicht, in dem man mit dem ganzen Körper in einem simulierten Stuhl ‚sitzen’ können soll – und am Ende steht erneut eine tödliche Bedrohung:

The ultimate display would, of course, be a room within which the computer can control the existence of matter. A chair displayed in such a room would be good enough to sit in. Handcuffs displayed in such a room would be confining, and a bullet displayed in such a room would be fatal. [7]

Freilich existiert ein solcher Hyperillusionismus, bei dem die „Differenz zwischen Darstellung und Wirklichkeit“ eingeebnet und das Bild „ikonoklastisch“[8] aufgehoben würde, de facto bis heute keineswegs. In der Praxis haben sich solche total immersiven[9] Raumbilder nicht etabliert, nicht nur, weil sie technisch enorm aufwendig und in vielen Punkten bis heute schlicht unmöglich sind, sondern auch weil die Immersion – außer für spezielle Anwendungen – kaum nötig ist, ja sogar stört. Dennoch mäandert das Gespenst des letzten, hyperillusionistischen und dadurch potentiell tödlich bedrohenden Bildes, faszinierend wie perhorresziert, durch populäre und auch wissenschaftliche Diskurse.[10] Von Virtual Reality, einem Begriff, der noch am Anfang der neunziger Jahre im Zentrum des Diskurses stand, wird allerdings kaum noch geredet: Mehr und mehr wird von ‚virtuellen Umgebungen’ oder sparsamer noch von ‚virtuellen Bildern’ gesprochen.
Damit ist die leitende Frage der folgenden Überlegungen gewonnen. Ist die bedrohliche Irritation, die von den virtuellen Bildern ausgeht, vielleicht gar nicht so sehr Resultat einer tatsächlichen Destabilisierung von Wirklichkeitsbegriffen, sondern eher Ausdruck von Konzeptualisierungsproblemen? Problemen angesichts eines Dispositivs,[11] in dem das Bild als Raum den Körper des Betrachters/Begehers umfängt, in variable Relationen zu den Bildobjekten verwickelt und die Grenze zwischen Bild und Betrachter schwächt? Wir legen hier eine Reihe von notwendig selektiven und – wenn man so will – symptomatischen, diskursanalytischen Lektüren von Texten aus der ästhetischen und erkenntnistheoretischen Tradition vor. Zunächst soll die diskursive Verzahnung des Dispositivs Fläche/Auge/Totalität mit bestimmten Modellen rationaler und entkörperlichter Subjektivität rekonstruiert werden. Dann wenden wir uns einem zweiten Gefüge zu – Raum/Körper/Variabilität. Dieses ist mit einem anthropologischen Modell eines in räumlichen Relationen stehenden Körper- und Sinnenwesens verbunden. Beide Gefüge existieren nebeneinander und können sich auch überlagern.
Jedoch zeigt sich, dass in der frühneuzeitlichen, so genannten ‚klassischen’ Epistemologie, dem ‚zeitlosen Rechteck’ (Foucault) und einem körperlosen Erkenntnissubjekt eine hegemoniale Position zugekommen ist. In Folge dessen rangiert bis in die Moderne auch auf ästhetischer Ebene das Flächenbild und ein ihm zugeordneter distanzierter Betrachter zumindest tendenziell höher (siehe 2.). So wurden räumliche Bildformen – wie vor allem die Skulptur – bisweilen marginalisiert.[12] Wir versuchen also nicht, das virtuelle Raumbild formalästhetisch in Beziehung zu anderen Bildern zu setzen oder medienarchäologisch auf seine technische Genese und deren Implikate zu befragen. Vielmehr sollen hier einige der diskursiven Sedimente eruiert werden, die es offenbar so schwer machen, das virtuelle Raumbild zu konzeptualisieren. Uns geht es nicht darum, bereits Beschreibungsmodelle für solche Bildtypen zu entwickeln, sondern darum, die Komplexität der Problemlage darzustellen und damit eine mögliche Grundlage für weitere Überlegungen zu liefern (siehe 3). Die irritierende Wirkung der virtuellen Raumbilder könnte, so unsere These, darin bestehen, dass sie bestimmte historisch etablierte Oppositionen zwischen Fläche und Raum, Auge und Körper, Totalität und Variabilität verschieben und transformieren.[13] Kommt es also gegenwärtig zu einem erneuten Umbruch im Verhältnis der beiden hier skizzierten Dispositive – wie Lucio Fontana in seinen Schnitten in die flache Leinwand vorauszuahnen schien?

(ABB. 1, Lucio Fontana, Attesa [Erwartung], 1960)


2. DIE ZWEI DISPOSITIVE DES BILDES

Begriffe wie ‚Bildhauerei’ oder ‚bildende Künste’ zeigen an, dass zumindest skulpturale Phänomene historisch auch ‚Bilder’ genannt wurden. Dennoch ist das Konzept des Bildes um das Dispositiv Fläche/Auge/Totalität zentriert, das – so Martina Dobbe – „Paradigma des komponierten Tafelbildes“.[14] Historisch gesehen war das zentrale Verfahren der Transformation des räumlich Sichtbaren in eine durch ein entkörperlichtes Auge (nicht zwei räumlich sehende Augen) zu übersehende Totalität die perspektivische Projektion. Sie dominierte, obzwar es immer Abweichungen von ihren Vorschriften sowie alternative Bildmodelle gab, seit der Renaissance das malerische Bild. Auch die Optiken fotografischer Medien und die hegemonialen Generierungsverfahren ‚fotorealistischer’ Computergrafik folgen ihr.[15] In der Malerei der Moderne verlor das perspektivische Paradigma, das als Eröffnung eines fensterhaften ‚Durchblicks’ immer in latenter Spannung zur Oberfläche des Bildes stand, an Einfluss. So blieb die Bildfläche allein zurück bzw. trat sogar in den Vordergrund.[16] Flächigkeit und die mit ihr offenbar garantierte Über-Sichtlichkeit gelten noch in aktuellen definitorischen Bemühungen um das Bild als verbindlich. So heißt es 1999 etwa: „Bilder [...] lassen sich als flächige und klar begrenzte Gegenstände charakterisieren, die in der Regel innerhalb eines kommunikativen Aktes zur anschaulichen Darstellung eines Sachverhaltes dienen.“[17] Im Folgenden möchten wir durch eine symptomatische und leider notwendig kursorische Archäologie sehr unterschiedlicher Texte historische Mosaiksteinchen des Dispositivs Fläche/Auge/Totalität zwischen epistemologischen und ästhetischen Positionen ausgraben (2.1.).[18] Auf dieselbe skizzenhafte Weise kommen danach die Gegenstimmen zu Wort (2.2.).


2.1. FLäCHE/AUGE/TOTALITäT

Beinahe zwangsläufig muss man sich mit René Descartes auseinandersetzen, wenn man sich der Geschichte des erkennenden Subjekts zuwendet. Seine Philosophie gilt bis heute nicht nur als Inbegriff eines extrem zugespitzten Rationalismus, sondern auch als Paradigma einer Erkenntnistheorie, welche die abendländische und insbesondere frühneuzeitliche Privilegierung des Sehsinnes noch einmal bekräftigt.[19] Davon zeugt die Visualitäts- und Malereimetaphorik in Descartes’ Schriften. Er spricht von den ‚Augen des Geistes’ (mentis oculis) und bezeichnet die Vorstellungen im Geist als ‚Bilder’ von Gegenständen (rerum imagines), die diese ‚repräsentieren’ (repraesentant).[20] Die wiederholten Referenzen auf Sehen und Sichtbares muten befremdlich an, denn bekanntlich bildet der fundamentale Zweifel an der Zuverlässigkeit der Sinnesorgane – inklusive des Sehsinnes – den Ausgangspunkt seiner Erkenntnistheorie. In der Tat unterstellt er zwar häufig, die Vorstellungen seien getreue Abbilder der Dinge – ebenso oft bestreitet er aber, „daß Ideen als Bilder zu verstehen sind, die im Vorstellungsvermögen (phantasia) oder im Geist gleichsam gemalt sind.“ [21]
Descartes ist mit seiner Visualitätsmetaphorik offenbar vorrangig an einer ihrer Konnotationen interessiert, nämlich dem Distanzgewinn. Eigens berichtet er, wie er Studierstube und Bücher verlässt, um reisend mit eigenen Augen Erfahrungen zu sammeln, anstatt sich auf die Autorität des Buchwissens zu verlassen.[22] Diese autobiographischen Episoden im Discours de la méthode (1637) fungieren als beglaubigender Erfahrungsbericht und illustrieren darüber hinaus die methodisch zentrale Verbindung von direkter, unverstellter Augenzeugenschaft und Beobachterdistanz. Der berühmte Rückzug vor den Kachelofen ist ebenfalls ein Akt der Distanzierung, aber nun wieder in die Gegenrichtung: Die Isolation von unmittelbarer Sinneswahrnehmung ist die Voraussetzung dafür, alle erkenntnistheoretischen Prinzipien aus dem unbezweifelbaren ‚ich denke’ abzuleiten.[23] Erst ganz auf sich gestellt ist der Geist imstande, sich unvoreingenommen auf die ersten Grundsätze des Denkens – unter anderem geometrische Axiome – zu konzentrieren. Diese Prinzipien, die der Geist aus sich selbst heraus entwickelt, haben einen höheren Gewissheitsgrad als die Ideen, die ursprünglich aus der Sinneswahrnehmung stammen.[24]
Dennoch hat sich Descartes lange darum bemüht, das rein geistige Erkennen in ein bidirektionales Verhältnis zur sinnlichen, vor allem visuellen Wahrnehmung zu setzen. Dieser Problemorientierung nimmt sich explizit die frühe Abhandlung Traité de l’homme (1629-1633) an. Hier setzt Descartes bei der Frage an, wie Sinnesempfindungen zu Ideen werden, und entwickelt eine mechanistische Sehtheorie. Die Verbindung zwischen visuellem Reiz und rein geistiger Vorstellung wird als Kontinuum gedacht: Descartes zufolge geht eine visuelle Wahrnehmung auf Lichtstrahlen zurück, die auf die Retina treffen und dort das Zusammenziehen oder Lockern von Nervensträngen bewirken. Diese Reize erweitern oder verengen Poren auf der Hirnoberfläche, in die Partikel aus der Zirbeldrüse (dem Organ, welches die Verbindung von Körper und Seele herstellt) fließen. Das ‚Reizmuster’ ist eine bildliche Figur oder Form, die in die Zirbeldrüse weitergeleitet wird und dort als Vorstellung erscheint.[25] Allerdings ist der visuelle Eindruck kein Abbild (denn er ist immer unvollständiger und schematischer als der Gegenstand selbst) und gewährleistet daher keine objektive Erkenntnis. Vorstellungen hätten daher eher den Status von Zeichen für Dinge, und ihr ‚Betrachten’ durch den immateriellen Geist gliche, so Dominik Perler, dem „Aufnehmen und Entschlüsseln des Codes“.[26]
Descartes schwankt auch hier zwischen einem Dementi des Repräsentationscharakters der Ideen[27] und dem Versuch, den Geist dennoch in einer kontinuierlichen (und nicht bloß analogen) Linie zum sehenden Auge zu konzipieren. Seine Erkenntnistheorie kann insofern als Verdichtung einer philosophiegeschichtlich grundlegenden Ambivalenz in der Bewertung des Sehens gelesen werden, auf die u. a. Martin Jay, Jonathan Crary und Hans Blumenberg aufmerksam gemacht haben. Sehen oder Beobachten (theorein) gilt einerseits als Wahrnehmungsweise, die sich mit Klarheit, Distanziertheit und Objektivität vollzieht und sich auf ein unwandelbares Gegenstandsfeld richtet – im Idealfalle etwa die rein zu schauenden platonischen Ideen oder der visionär sich offenbarende Gott. Dass sich im Gegenzug der Sehsinn mit – möglicherweise trügerischen – Erscheinungen begnügen muss und eine unmittelbar sinnlich packende Wahrnehmungsweise sein kann, reduziert seinen erkenntnistheoretischen Wert erheblich und lässt ihn sogar hinter den Tastsinn zurückfallen.[28]
Während sich Descartes also einerseits argumentativ die positiven kultur- und diskursgeschichtlichen Zuschreibungen zunutze macht, die an das Sehen geknüpft werden, zweifelt er andererseits die Verlässlichkeit der visuellen Sinneserfahrung im Erkenntnisprozess an. Nicht immer bleibt es bei einer sauberen Trennung dieser Bereiche, und oft gehen Analogien in Gleichsetzungen über. Uns interessieren weniger die Probleme, die sich daraus für die Erkenntnistheorie ergeben, sondern die von Descartes anvisierten Strukturmerkmale des Erkennens. Worum geht es, wenn er eine Visualitäts- und Gemäldemetaphorik verwendet, und welche Zuschreibungen an die Bildwahrnehmung kommen damit im Gegenzug ins Spiel?
Im Discours de la méthode sind es die ideale Form wissenschaftlicher Darstellung und die ideale Ordnung des Geistes, die Descartes mit Gemäldeanalogien veranschaulicht. Die Resultate seines Denkens möchte er dem Leser geordnet „wie auf einem Gemälde darstellen, damit jeder darüber urteilen kann“.[29] Die aus objektiver Distanz überschaubare – und dann adäquat beurteilbare – Fläche (eines Gemäldes) taucht mit ähnlichen Implikationen im Bild des Philosophen als Architekt auf, der idealerweise eine Stadt (d. h. sein Wissen) auf einer Ebene von ihren Fundamenten ausgehend ganz neu aufbauen sollte.[30] Descartes verwendet diese Beispiele, um den ‚nach innen gewendeten’ Geist zu beschreiben: Er richtet sich auf sein nach gültigen Prinzipien tableauartig geordnetes Wissen. Diese Vorstellung findet sich noch prägnanter in einer Passage aus dem Dialog Die Suche nach Wahrheit durch das natürliche Licht:

Ich meine, all dies wird ganz klar, wenn man die Vorstellungskraft der Kinder mit einer leer gelassenen Fläche vergleicht, auf welche unsere Vorstellungen, gewissermaßen als die naturgetreuen Abbilder der einzelnen Dinge, eingetragen werden müssen. Die Sinne, die Neigungen, die Lehrer und der Verstand sind die ungleichen Maler, welche an diesem Bild arbeiten.[31]

Dem anschauenden Geist sollte sich im Idealfall eine wohlgeplante, harmonisch komponierte Anordnung darbieten, die aus sich selbst heraus schlüssig aufgebaut ist und in der Introspektion ‚sichtbar’ wird. Eben diese Vorstellung einer übersichtlichen, simultanen Anordnung und die Annahme einer (bildlichen oder zeichenhaften), unmittelbaren Entsprechung von Geistesinhalten und Dingen hat Michel Foucault als latente Leitvorstellungen der so genannten ‚klassischen episteme’ im 17. und 18. Jahrhundert bezeichnet. Nicht umsonst wählte Foucault die Bezeichnung ‚Tableau’ – ein „zeitloses Rechteck, in dem die Wesen [...] sich nebeneinander mit ihren sichtbaren Oberflächen darstellen [...]“[32] – als Oberbegriff, um die Prämissen der klassischen Wissenschaften zusammenzufassen: sie orientieren sich gleichermaßen an der ‚unmittelbaren Form des Sichtbaren’ wie an einem durch Repräsentationen vermittelten und methodisch durch die mathesis systematisierten Sein. Ihr Ziel ist die simultane Darstellung der Totalität von Welt.[33] Descartes’ Changieren zwischen Ablehnung und Operationalisierung von Referenzen auf Visualität und Tableau (Fläche) macht jedoch die erkenntnistheoretischen Kapazitätsgrenzen dieser Metaphorik deutlich: Die logisch schlüssige und begrifflich adäquate Erörterung der Problemlage (mittels ‚klarer und deutlicher Vorstellungen’) erfordert ein ständiges Abstandnehmen von den erkenntnisrealistischen Implikationen visueller Analogien. Eben der Abstand, den das immaterielle, reine Denken zu den Dingen und zu den Sinnesempfindungen einnimmt und der zum Garanten für seine objektive Urteilsfähigkeit wird, wirft im Gegenzug die Frage auf, wie er sich dann überhaupt auf den/die Körper beziehen kann und wie der Übergang von einem zum anderen denkbar ist.[34] Anthropo- oder vielmehr ‚somatomorphe’ Vorstellungen wie die eines ‚anschauenden Geistes’ leisten eine solche Überbrückung auf eine zwar unscharfe, aber anschauliche und einleuchtende Weise. Und worauf sich die streng genommen unkörperliche, begrifflich-metaphorisch aber immer wieder als Auge inkarnierte, denkende Substanz bei Descartes erkennend bezieht, ist die Totalität einer systematisch-simultanen Ordnungsstruktur – ein Tableau, eine Fläche.
Die cartesianische Erkenntnistheorie ist daher diskurs- und kulturgeschichtlich in Verbindung zur Entwicklung der Fluchtpunktperspektive und ihren ‚rationalistischen’ Implikationen gesetzt worden. Sybille Krämer zieht Descartes als Beispiel für eine ‚Reduktion’ des Sehens „zu einem Akt des Beobachtens und des Lesens“ heran, die der Entdeckung der ‚perzeptiven Phänomenalität als eines mathematisierbaren Produkts’ in der perspektivischen Malerei entspricht.[35] Die (zentral)perspektivische Konstruktion setzt, so gibt Jay ganz ähnlich zu bedenken, eine ideale Position voraus, von der aus Bilder konstruiert werden müssen. Jenes ruhende, fixierte Auge allerdings wäre, so Jay, präziser als ein „abstract point“[36] zu bezeichnen. Diesem Punkt/Auge/Subjekt entspräche ein ‚visuelles Feld’, während dem stereoskopischen Sehen mit einem immer in Bewegung befindlichen Blick eine ‚sichtbare Welt’ korrespondiert.[37] Das Spannungsverhältnis zwischen den Extrempolen der epistemologischen Prämissen und Implikationen einer geometrisch formalisierbaren Wirklichkeitsrepräsentation einerseits und ihrer immer unscharfen Operationalisierung durch ein verkörpertes Subjekt andererseits bleibt auch hier bestehen.

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Philosophiegeschichtlich bleibt dieses Spannungsverhältnis virulent, solange Erkenntnistheorie noch selbstverständlich von einem erkennenden Subjekt aus gedacht wird und solange die Erkenntnistheorie deswegen die Anbindung an eine zwangsläufig anthropomorph konstruierte Wahrnehmungstheorie nur schwer abschütteln kann. Kant und der deutsche Idealismus sind hier symptomatisch. Kant kreist zwar in der Kritik der reinen Vernunft ausschließlich die logischen Voraussetzungen ein, die a priori gegeben sein müssen, um erst Erfahrung möglich zu machen.[38] Das erkennende, transzendentale Subjekt Kants schnurrt daher in letzter Konsequenz auf die kaum mehr (be)greifbare unbekannte Variable x zusammen, aus der sich noch nicht einmal Vorstellungen von Person oder Seele ableiten lassen.[39] Die sorgfältig ausgearbeitete Trennung dieser Voraussetzungen von den empirischen Komponenten und Inhalten der Erfahrung zeigt dann aber – und das ist die Pointe von Kants Erkenntniskritik – umso deutlicher, wie notwendig der enge und dauernde Bezug auf konkrete, sinnlich wahrgenommene Erfahrungsinhalte – Anschauungen – als Gegenhalt anderweitig leerer Begriffe ist. Luhmann hat sowohl Kants als auch Hegels Philosophie als letzte Überbietungsformen einer vormodern-anthropologischen Denkweise bezeichnet,[40] weil ihre Entwürfe eine modernisierungsbedingt divergierende Pluralität von ‚Systemrationalitäten’ – z. B. Ethik, Ästhetik, Recht – durch die Konstruktion des erkennenden, menschlichen Subjekts und seiner Rationalität zusammenzwingen.[41]
Auch bei Hegel steht ein sehr konkretes menschliches Wesen – Napoleon, „ein [...] Individuum, das hier, auf einen Punkt konzentriert, [...] über die Welt übergreift und sie beherrscht“[42] – Modell für den hochabstrakten absoluten Geist und verleiht ihm anthropomorphe Begreifbarkeit. Die Denkfigur des menschlichen Subjekts bleibt bestimmend für die eine, vereinheitlichende Rationalitätsform. Im engeren Bereich der Ästhetik ist die Orientierung an einer menschlichen Dimension selbstverständlicher – insbesondere wenn man der Tradition der Aisthetik und ihrer Frage nach dem Verhältnis von Sinneswahrnehmung und Kunst folgt.[43] Aber gerade hier tendiert die Wertaxiomatik der hegelschen Ästhetik eher in Richtung einer Vergeistigung und Rationalisierung als in Richtung anthropologieaffiner Theoriebestände – die Vorliebe für ein ‚auf einen Punkt konzentriert[es]’ Subjekt dominiert auch seine Ästhetik.

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In seinen erstmals 1835 publizierten Vorlesungen zur Ästhetik entfaltete Hegel die Geschichte der Kunst als eine Stufenfolge zunehmender Dematerialisierung und Vergeistigung,[44] die mit entsprechenden zivilisatorischen Stufen – oder genauer: Stufen der Objektivation des Weltgeistes – korreliert. Die Skulptur entspricht dabei der Entfaltung idealer Schönheit im antiken Griechenland. So schrieb Hegel über die klassisch-idealen Skulpturen: „Schöneres kann nicht sein und werden“.[45] Doch nur um hinzuzufügen: „Dennoch gibt es Höheres als die schöne Erscheinung des Geistes in seiner [...] sinnlichen Gestalt“. So schreitet die Geschichte der Entfaltung des Weltgeistes unerbittlich voran, denn die – und hier klingt schon eine gewisse Furcht vor dem Raum an – Erscheinung im „Elemente des Äußeren [...] widerstrebt [...] dem
wahren Begriff des Geistes.“[46] Die Malerei wurde zur wesentlichen Kunst des christlichen Abendlandes.[47] War das „Element, in welchem die Skulptur ihre Gebilde realisiert [...] noch das allgemeine Dasein der räumlichen Materie“,[48] so gilt für die Malerei, dass sie die „räumliche Totalität der drei Dimensionen zusammenzieht.“ Zwar wird eine „vollständige Konzentration [und] Negation“ erst durch die Musik erreicht werden, doch gilt: „Die Malerei dagegen [...] tilgt nur eine der drei Dimensionen, so daß sie die Fläche zum Element ihrer Darstellungen macht.“ Diese Abstraktion ist keineswegs willkürlich, sondern „macht gerade den notwendigen Fortgang von der Skulptur aus“. Die Malerei erzeugt so überdies eine „weit engere Beziehung auf den Zuschauer als beim Skulpturwerk.“ Denn die „Reduktion auf die Fläche“ führt zu Ordnung: „Der Zuschauer ist gleichsam von Anfang an mit dabei, mit eingerechnet, und das Kunstwerk nur für diesen festen Punkt des Subjekts.“ Für diese geordnete Stabilität und Festigkeit der Betrachterposition ist die

Totalität des Raums sogar störend, weil dann die angeschauten Objekte für sich selbst ein Dasein behalten. [...] Die Statue ist für sich überwiegend selbstständig, unbekümmert um den Besucher, der sich hinstellen kann, wohin er will; sein Standpunkt, seine Bewegungen, sein Umhergehen ist für das Kunstwerk etwas Gleichgültiges.[49]

Diesem ungeordneten Flanieren entspricht, dass die plastischen Objekte, schwankend und akzidentiell, nur „durch das äußerliche Licht sichtbar“ werden, während die Malerei „in sich selbst durchleuchtet“[50] ist. Die Malerei „entfernt alle Bedürftigkeit und Anstalt zu einer räumlichen, totalen Realität und Organisation“[51] – ganz zu schweigen von jenen Bedürftigkeiten, die zum „Herumtatscheln an den weichen Marmorpartien der weiblichen Göttinnen“[52] animieren. So überwindet die Malerei als „reichere[...] Kunst“ die „bloße Beschränkung auf die räumlichen Formen“.[53] Hegel bevorzugt offenkundig die Fläche vor dem Raumkörper, weil sie abstrakter ist und so eine stabile, distanzierte und rein geistige Betrachterposition erlaubt. Das räumliche, einen verkörperten Betrachter implizierende Medium Skulptur wird tendenziell gegenüber der Fläche und dem ihr entsprechenden ‚Punkt des Subjekts’ (oder Punktsubjekt) abgewertet – eine Tendenz, die sich fortsetzt.[54]

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Diese Tendenz prägt auch Diskussionen der Skulptur, die keineswegs die Künste in ein teleologisches System der Entfaltung des Weltgeistes einzuspannen suchen. Man kann als – in der Moderne dann recht einflussreiches – Beispiel dafür Adolf von Hildebrands Das Problem der Form in der bildenden Kunst von 1893 anführen. Er unterschied die „Bewegungsvorstellung“ als sukzessive Wahrnehmung aus der Nähe von der „Gesichtsvorstellung“ als simultaner, überblickender Wahrnehmung aus ausreichender Distanz. Bei letzterer empfängt das „ruhig schauende Auge [...] ein Bild, welches das Dreidimensionale nur in Merkmalen auf einer Fläche ausdrückt“.[55] Überhaupt setzt die Wahrnehmung von Räumlichkeit einen „Wechsel des Standpunktes“ voraus. Diese Sukzession ist aber außerstande, „ein einheitliches Gesamtbild für die dreidimensionale Form“ zu liefern, woraus folgt: „Ein einheitliches Bild für den dreidimensionalen Komplex besitzen wir also allein im Fernbild.“[56] Es ist folglich kaum überraschend, dass Hildebrand letztlich dafür plädierte, Skulpturen der Bildfläche zu unterwerfen: „Indem sich die Figur in ihren Hauptansichten in einer gemeinsamen Fläche einigt, erhält sie die Ruhe und Sichtbarkeit, wie wir sie bei einer klaren Wirkung aus größerer Entfernung erhalten.“ So geht gewissermaßen das distanzierte, allem ‚Herumtatscheln’ (Hegel) abholde Fernbild „in die plastische Darstellung über. [...] Die Figur stellt sich auch für den nahen Standpunkt als einheitliches Flächenbild dar.“ Die „natürliche Folge solcher Gestaltung“ ist, „daß sie den Beschauer zwingt, seinen Standpunkt gegenüber den Flächen zu wählen“.[57] Selbst bei Figuren mit mehreren vorgesehenen Ansichten[58] gibt es aber „eine Ansicht [...], welche analog dem Bilde oder Relief die ganze plastische Natur als Flächeneindruck darstellt und zusammenfasst“.[59] So wird gefordert, den „ganze[n] Formenreichtum einer Figur in einem einfachsten Flächengang“ zu verdichten, andernfalls drohen quälende Konsequenzen:

Man ist dann mit der Darstellung um kein Haar weiter gekommen, denn die Plastik hat nicht die Aufgabe, den Beschauer in dem unfertigen und unbehaglichen Zustande gegenüber dem Dreidimensionalen oder Kubischen des Natureindrucks zu lassen, indem er sich abmüht, eine klare Gesichtsvorstellung sich zu bilden, sondern sie besteht gerade darin, ihm diese Gesichtsvorstellung zu geben und dadurch dem Kubischen das Quälende zu nehmen.[60]

Die Klarheit, die Hildebrand in der Wahrnehmungsweise der Skulptur vermisst, verweist auf eine latente cartesianische Orientierung: Das Ideal der ‚klaren und deutlichen Vorstellungen’, für Descartes ein erkenntnistheoretisches Muss, leitet als epistemische Figur auch die ästhetischen Überlegungen Hildebrands. Es liegt nahe, dass andere Körper- und Sinneswahrnehmungen diese Klarheit und Distanz beeinträchtigen könnten.
Anders zwar als Hegel ordnet Hildebrand, der als Künstler selbst Reliefs, also gleichsam flächige Plastiken herstellte, die Skulptur nicht geschichtsphilosophisch einer niedrigeren Entwicklungsstufe als die Malerei zu,[61] aber er unterwirft sie eindeutig dem Paradigma der Bildfläche. So gewinnt „eine plastische Figur [...] erst wenn sie als Flaches wirkt [...] eine künstlerische Form“.[62] Verkehrte Welt: Eine Plastik ist für Hildebrand dann eine gute Plastik, wenn sie eigentlich keine ist, sondern eine Bildfläche – das Fernbild ist in der Tat „die letzte künstlerische Instanz“,[63] die den Betrachter zu seinem Glück, dem „ruhende[n] Auge“,[64] ‚zwingt’. Erst dann ist das ‚Quälende’ des Dreidimensionalen, das den Zuschauer ‚unbehaglich’ und gehetzt um die Figur ‚herumtreibt’, gebannt. Folglich „sollte“ eine Plastik „nie [...] auf der Mitte eines Platzes vorkommen [...], weil es kein vorn und hinten gibt.“ Eine solche Aufstellung verführt erneut zum unruhigen Herumlaufen – mit massiv körperlichen Untertönen: „[D]er Beschauer kreist um das Standbild herum und hat vier Ansichten zu schlucken [man beachte die gustatorische Metaphorik!, N.G./J.S.], was nur bei sehr wenigen Statuen ein Vorteil ist und immer nur bei nackten Figuren ein Genuß [!] sein kann.“[65] Hildebrands Formalismus war eine der Wurzeln, aus denen sich später im zwanzigsten Jahrhundert der Modernismus zu entwickeln begann.

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Nach 1945 wurde der Modernismus insbesondere mit dem Namen Clement Greenbergs verbunden.[66] Dessen Ästhetik fordert eine Kunst, die den illusionistischen Bezug auf Referenzobjekte weitgehend zurückweist und die intermediale Überlagerung und Kontamination zugunsten medienspezifischer Selbstreflexion zu vermeiden hat. Obwohl er auch über die Skulptur schrieb und insbesondere David Smith schätzte, war seine Position von der amerikanischen abstrakten Malerei nach 1945 geprägt. Er hob insbesondere die dort vollzogene Reduktion der Malerei auf ihre – wie er es sieht – medienspezifische Flächigkeit (flatness) hervor.[67] Seine Bevorzugung der Malerei führte zu einer im modernistischen Theoriekontext eigentlich unplausiblen Subsumption der Skulptur unter das rein Visuelle – und zur Ausklammerung des Raums und der Masse.[68] So zeigt sich in „der modernistischen ‚Reduktion’ [...], daß die Skulptur in ihrer Essenz fast ebenso ausschließlich visuell ist wie die Malerei“. Folglich muss sie sich „der zu starken taktilen Assoziationen“ entledigen. Da diese Formulierungen die doch sonst heiligen Grenzen zwischen den Künsten – hier: Malerei und Skulptur – niederzureißen drohen, bemerkt er:

Die Skulptur kann sich fast auf zwei Dimensionen beschränken [...], ohne daß das Gefühl aufkommt, sie würde die Grenzen ihres Mediums verletzen, denn das Auge erkennt, daß das, was sich in zwei Dimensionen darbietet, tatsächlich (wenn auch nicht spürbar) dreidimensional gestaltet ist.

Diese Formulierung ist schon deswegen merkwürdig, weil es natürlich nicht allein ‚das Auge’ ist, sondern die Bewegung des zweiäugigen Betrachters, welche schnell (und alleine, wie diverse optische Täuschungen zeigen) auch die flächigste Skulptur noch als dreidimensionales Gebilde erkennbar macht: Greenberg scheint den Körper des Betrachters auszuklammern und zugleich eine zweidimensionale bildhafte Skulptur zu fordern.[69] Und tatsächlich: Ziel muss es sein „die Substanz zu etwas ausschließlich Optischem [...] [,] Materie körperlos und schwerelos“ zu machen. Zwar ist für Greenberg die „neue Skulptur [...] die repräsentativste bildende Kunst des Modernismus“ – aber sie ist zugleich eine Skulptur, die zumindest implizit schon wieder sehr nahe an das rein visuelle und flächige ‚Fernbild’ Hildebrands heranrückt.
Die Forderung nach einer optischen Skulptur schien Greenberg, wie auch seinem modernistischen Kampfgefährten Michael Fried, in den Arbeiten Anthony Caros verwirklicht zu sein.[70] Fried führte unter expliziter Berufung auf Greenberg überdies Jules Olitski als Beispiel an und betonte, dass dessen Skulptur Bunga 45 (1967) über ihre Farbigkeit versuche, „die Oberfläche – sozusagen die Oberfläche der Malerei – als ein Medium der Skulptur einzuführen“, wodurch die Skulptur einem Bild ähnlicher als einem Objekt werde.[71]
Diese erneute Subsumierung des plastischen Objekts unter die Fläche findet sich nun bezeichnenderweise in Frieds bekanntem Aufsatz Art and Objecthood von 1967, dessen eigentliches Thema eine Kritik an der gerade entstandenen Minimal Art[72] war. Für die hier verfolgte Fragestellung ist zentral, dass – so Fried – die Minimal Art die „Arbeit auf nur einer Fläche [...] zugunsten des Dreidimensionalen“[73] aufgegeben hatte. Ihre irritierend einfachen und kompakten Objekte waren für Fried ein mehrfaches Ärgernis.

(ABB. 2, Tony Smith, Die, 1962[74])

Sie schienen durch ihre schlichte objekthafte Gegenwart[75] die Grenze zum bloßen, unkünstlerischen Objekt zu verwischen, da sie, wie schon Greenberg kritisch anmerkte, „im Dreidimensionalen [...], wo die Skulptur ist und wo auch alles materiell Vorhandene ist, das nicht Kunst ist“[76] operieren. Außerdem – und hierin mag man eine Art von Antizipation der Interaktivität virtueller Raumbilder sehen – beziehen die minimalistischen Objekte durch ihre Präsenz intensiv den Betrachter ein. Das betonte Robert Morris, einer der führenden Vertreter der Minimal Art:

Das Objekt ist nur eines der Elemente in der neueren Ästhetik. Auf gewisse Weise ist es reflexiver, weil das Bewußtsein, sich im selben Raum wie die Arbeit zu befinden, stärker ist [...]. Man ist sich stärker als früher bewußt, daß man selber die Beziehungen herstellt, indem man das Objekt aus verschiedenen Positionen, unter wechselnden Lichtbedingungen und in unterschiedlichen räumlichen Zusammenhängen erfaßt.[77]

Diese Wiederkehr des, wenn man so will, quälend ‚Kubischen’ Hildebrands, um das der Betrachter körperlich ‚herumkreist’, ja programmatisch herumkreisen soll – „Denn der Betrachter verändert ständig die Form, indem er seine Position relativ zur Arbeit wechselt“[78] – wurde von Fried mit dem abwertenden Begriff des ‚Theatralischen’ belegt.[79]
Und dieses befindet sich, hier wird Frieds Wortwahl noch drastischer als die Hildebrands, mit dem „Bildhafte[n] im Kriegszustand“.[80] Ja, das „Theater und die Theatralik [befinden] sich im Krieg nicht nur gegen die moderne Malerei (oder die moderne Malerei und Skulptur),[81] sondern gegen die Kunst als solche.“[82] Folglich „degeneriert [die Kunst], wenn sie sich den Bedingungen des Theaters annähert“.[83] Das „Überleben der Künste“[84] hängt am Endsieg über das Theatralische. Die „infektiöse Theatralik“[85] – schlechthin „unerträglich“[86] – findet ihre „paradigmatisch[e]“ Realisation in der „Dauer der Erfahrung“, d. h. dem körperlichen ‚Herumkreisen’, das die Minimalisten dem Betrachter zumuten. Demgegenüber ist es doch wohltuend, mit wahrhaft modernistischer Kunst umgehen zu können, die „selbst in jedem Moment gänzlich manifest ist[87] – an jedem Punkt zu jedem Moment präsent, wie eine Fläche, die einem Punktsubjekt, einem entkörperlichten Auge gegenüberhängt.[88] Eine in Klammern eingeschobene Bemerkung verdeutlicht, dass Fried sehr wohl um die Problematik dieser Beschreibung hinsichtlich der Skulptur weiß: „Dies gilt auch für Skulpturen, obwohl sie offensichtlich, da sie dreidimensional sind, von unendlich vielen Standpunkten aus gesehen werden können.“ Für diese etwas verblüffende (und an Hildebrand erinnernde) These muss wieder das Werk von Anthony Caro herhalten. Es wird gegen anderslautende eigene Beobachtungen behauptet: „Jemandes Erfahrung von einem Caro ist nicht unvollständig, die Überzeugung, was seine Qualität betrifft, nicht ungewiß, nur weil man die Skulptur nur von dort gesehen hat, wo man steht.“[89] Diese „Augenblicklichkeit“ fordert ein gottähnliches, transzendentales Subjekt: Als „reichte, wenn man nur unendlich viel scharfsichtiger wäre, ein einzelner kurzer Moment aus, um alles zu sehen [...].“[90] Daraus folgt: „Gegenwärtigkeit ist Gnade.“[91]

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Herumgetatschel, das Quälende, unbehaglich, herumgetrieben werden, Herumkreisen, Krieg, Kriegszustand, Überleben, infektiös, degeneriert: Diese Semantiken zeigen, wie sehr das räumliche Objekt mit seinen Allüren, „für sich selbst ein Dasein [zu] behalten“[92] und sich frech abzuschatten, d. h. nicht auf ein Mal aus der Distanz übersehbar zu sein, ja gar uns, genauer unseren Körpern, „im Weg [zu] sein“[93] als unerträglich erscheint. Weil das Ding nicht nur unseren Distanzsinn des Sehens anspricht, sondern auch taktile, haptische und motorische Empfindungen und Aktivitäten evoziert, wird es zu einem potentiellen oder unterschwelligen Problem abendländischer Erkenntnistheorie und Aisthetik/Ästhetik. Folglich findet der Betrachter nur durch eine mindestens implizite Unterordnung des räumlichen Objektes unter eine (optische) Fläche Ruhe (Hildebrand) und gar Gnade (Fried) – kontemplative Distanz und kognitive Sicherheit.[94] Die ‚klar begrenzte’ (Sachs-Hombach) Fläche ist aufgeräumt, übersichtlich und erlaubt einem alles übersehenden Auge des punktförmigen Subjekts einen souveränen und distanzierten Blick: Die Fläche bezeichnet die abstrahierende Loslösung vom ‚unerträglichen’ körperlichen Sein – dem der Objektwelt und dem der Betrachter. Die frühneuzeitliche Utopie des gottähnlichen Subjekts erweist sich hier als hartnäckiger Wiedergänger und als latente epistemische Leitvorstellung in ästhetischen Diskursen, die sich eigentlich avantgardistisch gebärden.


2.2. RAUM/KöRPER/VARIABILITäT

Es lässt sich aber auch eine andere Geschichte erzählen, eine Geschichte alternativer Konzeptionen. Das Dispositiv Fläche/Auge/Totalität war in der Erkenntnistheorie und in der Ästhetik lange Zeit und trotz Erschütterungen immer wieder tendenziell vorherrschend – nicht zuletzt aufgrund der Schwierigkeiten, die das Objektivieren konkreter sinnlicher Erfahrung aufwirft. Taktile, haptische und motorische Empfindungen sind ‚unmittelbar’ und direkt. Aber sie scheinen sich auch – folgt man gängigen Charakterisierungen – dem rationalen Zugriff zu entziehen und im Status subjektiver, nur begrenzt mitteilbarer oder medialisierbarer Empfindung zu verharren.[95] Relevanz gewinnt die Erfahrung eines Körperwesens (anstelle eines punktförmigen Subjekts), das plastische Räumlichkeit (und nicht eine überschaubare Ordnung der Dinge) erlebt, aber beispielsweise in eher randständigen Entwürfen. Diese gehören zu einer antirationalistischen, antisystematischen (bis hin zu gegenaufklärerischen) Traditionslinie, in die sich pragmatisch und/oder anthropologisch motivierte Erkenntniskritik sowie Reflexionen über Kunst im Kontext der Aisthetik einreihen.
Ausgerechnet im ansonsten von der ‚okulozentrischen’ (Jay) Aufklärung geprägten 18. Jahrhundert kam es zu einer vorübergehend starken Aufwertung des Tastsinns.[96] Einen wichtigen Anstoß dazu lieferte das so genannte Molyneux-Problem. Gelehrter selbigen Namens schrieb 1688 einen Brief an die Autoren der Bibliothèque universelle und stellte die Frage, ob ein Blindgeborener, der Kubus und Kugel bis dahin nur tastenderweise kannte, dieselben – wenn wieder sehend gemacht – sehend erkennen könne. Fünf Jahre später stellte Molyneux Locke dieselbe Frage und beantwortete sie zugleich mit einem deutlichen ‚Nein’. Locke teilte diese Meinung. In der Diskussion ging es um zwei grundlegende erkenntnistheoretische Positionen des späten 17. Jahrhunderts, den Rationalismus und den Empirismus. Könnte der Wieder-Sehend-Gemachte die geometrischen Formen erkennen, müsste das Wissen um sie gewissermaßen eine universale, erfahrungsunabhängige geistige Idee sein. Diese Auffassung hatte Descartes vertreten. Im anderen Fall wäre alles Wissen Resultat der Erfahrung, eine Position, die sich mit Locke durchzusetzen begann und die sich scharf von der rationalistischen Tradition abzugrenzen sucht.
George Berkeley ist in diesem Kontext besonders interessant. In seinen Schriften ist die epistemische Leitfigur eines Körpers zentral, der sich visuell, taktil, haptisch und somatisch in einem nach Nah- und Ferndistanzen gestaffelten Raum orientiert. An Essay Towards a New Theory of Vision (1709) und A Treatise Concerning the Principles of Human Knowledge (1710) greifen zwar noch auf das ‚klassische’ Bild des Geistes zurück, der die metaphysisch gegebene Universalsprache der Natur decodiert. Im Unterschied zu Descartes gilt Berkeleys Aufmerksamkeit jedoch vorrangig der Modalität des Entzifferns.[97] Die Implikationen dieser Verschiebung sind weit reichend: Es wird deutlich, dass sich Berkeley von der Leitvorstellung der Wissensanordnung in Form des flächenhaften, systematisch-simultanen Tableaus mit einem entsprechenden körperlosen ‚Punktsubjekt’ ablöst und dieses – aus systematischen Gründen – gegen eine anthropologisch grundierte Vorstellung des beweglichen Menschen innerhalb eines Raumenvironments vertauscht.
Die erkenntnistheoretischen Überlegungen in den The Principles of Human Knowledge setzen mit der Feststellung ein, es sei für jeden evident, dass die Gegenstände des menschlichen Wissens entweder Sinnesempfindungen („ideas actually imprinted on the senses“) oder Selbstbeobachtungen des Geistes, des Gedächtnisses und der Einbildungskraft seien.[98] Von Beginn an orientiert sich Berkeley an der Vorstellung eines sinnlich empfindenden Ich, für das die Begriffe „mind, spirit, soul or myself“ relativ indifferent gebraucht werden können.[99] Diese Orientierung steht – wie bei Descartes – in seltsamem Kontrast zu seinen Grundprämissen. Als radikaler Idealist definiert Berkeley den Geist zunächst nur durch sein Unterschiedensein von allem, was nur in Abhängigkeit von ihm denkbar ist. Abhängig, akzidenziell sind die Wahrnehmungen bzw. Vorstellungen, deren Sein in ihrem Wahrgenommen-werden-können liegt (esse est percipi). Als reale Substanz existiert deshalb allein der Geist, und die Wahrnehmungen in ihm sind folglich nur als immaterielle Entitäten denkbar.[100] Sie können also auch selbst nicht von materiellen Entitäten (Dingen) herrühren, sondern müssen von der geistigen Substanz schlechthin – Gott – eingegeben sein.[101] Erkenntnis wäre unproblematisch und unfehlbar, besäße der menschliche Geist Berkeley zufolge nicht die unbequeme Neigung, durch Selbstbeobachtung seiner eigenen Operationen abstrakte Ideen zu entwickeln, die sich zu irrigen metaphysischen Spekulationen auswachsen. Dieser Eigendynamik entgegenzusteuern und das Erkennen auf die tatsächlichen und relevanten Erkenntnisgegenstände zu fokussieren ist das eigentliche Grundproblem hinter Berkeleys Argumentation. Angehen kann er dieses Problem nur mit Hilfe einer im Prinzip unbegründeten Prämisse: der Annahme, Vorstellungen im Geist seien bereits differenziert in verlässliche, ursprünglichere Sinneswahrnehmungen (auf die es sich zu konzentrieren gilt) und synthetisierte, abstrakte Ideen (deren erkenntnistheoretische Relevanz gering ist).[102]
So ist es gerade das idealistische Grundkonzept, das die Erkenntnistheorie in engste Anbindung an eine differenzierte Wahrnehmungstheorie zwingt: Wenn sich richtige von falschen, nützliche von unsinnigen Vorstellungen nicht durch ihre Herkunft (dinglich oder geistimmanent) unterscheiden lassen (denn alles was ist, ist Geist), bleibt allein die Möglichkeit übrig, sie durch die Art und Weise des Wahrgenommenwerdens zu unterscheiden. Die Feindifferenzierung unterschiedlicher Sinneserfahrungen spielt aus diesem Grund eine zentrale Rolle in Berkeleys Unternehmen, den Geltungsbereich abstrakter Ideen so weit wie möglich einzuschränken. Seine Beobachtungen ähneln daher bisweilen stark einer phänomenologischen Deskription. Der frühere Essay Towards a New Theory of Vision operationalisiert bereits diese Gedanken. Berkeley legt hier einen Gegenentwurf zu Theorien von Kepler, Descartes und Scheiner vor, die das Sehen aus der Rekonstruktion der Verhältnisse von Linsen und Brennweiten sowie den Gesetzen der Lichtbrechung erklären und dies als Beweis für das Vorhandensein angeborener geometrischer Vorstellungen ansahen. Obwohl er die Relevanz mathematisch-optischer Berechnungen zum Zwecke der Rekonstruktion nicht bezweifelt, glaubt Berkeley, dass insbesondere das Entfernungssehen und das Wahrnehmen von Objekten im Raum selbst nichts mit einer „innate geometry“ zu tun habe.[103] Berkeley versucht stattdessen, die konkrete Sinneserfahrung des Sehens präzise zu beschreiben.[104] Dies läuft überraschenderweise darauf hinaus, dass das Sehen eine Wahrnehmungsweise ist, die nicht allein – ja noch nicht einmal grundlegend – auf visuellen Sinneseindrücken basiert. Basal ist vielmehr eine habitualisierte, analytisch kaum mehr trennbare Verbindung visueller mit taktiler Sinneserfahrung.[105] Lediglich Farbe, Helligkeit und Deutlichkeit sind rein visuelle Eindrücke oder ‚unmittelbare Objekte des Sehens’. Entfernung, Bewegung, Ausdehnung, Größe, Gestalt und Position im Raum dagegen, die zum Erkennen von Gegenständen eigentlich wichtigen Qualitäten, sind mittelbare Gegenstände des Sehens: Sie stammen ursprünglich aus dem Tastsinn und gehen eine zwar nicht notwendige, aber habituell bedingte und universal anzutreffende Verbindung mit der visuellen Wahrnehmung ein.[106] Das Wiedererkennen bestimmter Gegenstände erfordert zusätzliche Lernerfahrungen.
Diese Befunde erweitert Berkeley normativ-pragmatistisch: Der Bereich dessen, was wir auf unproblematische Weise sehen, umschreibt gleichzeitig den engen Bereich des – so Berkeley – wirklich nützlichen und notwendigen Wissens. Erkennen braucht nicht über Sachverhalte hinauszugelangen, die für das Alltagsleben und für das Aufrechterhalten grundlegender Lebensfunktionen relevant sind.[107] Die Wahrnehmungsweise des horizontal ausgerichteten Auges als Teil des menschlichen Körpers in Verbindung mit haptischen Empfindungen, Empfindungen der Augenbewegungen sowie der Körperposition und -bewegung wird zum Maß aller Erkenntnis. Wie bei Locke fungiert das Postulat anthropologischer Nützlichkeit als Grenzziehung, die den Bereich des Wissbaren ziemlich radikal einschränkt – Berkeley betrachtet die Überschreitung der Grenzen ‚natürlicher Wahrnehmung’, die z. B. das Mikroskop ermöglicht, als sinnlose, rein optische Spielerei.[108]
Berkeley entwickelt eine komplexe Konzeption des Sehens als Wahrnehmungsform, die visuelle, taktile und haptische Sinneseindrücke mit semantischen Komponenten verbindet. Räumliches Sehen umfasst außerdem eine zeitliche Dimension, da es Erfahrungsschichten aufruft und Antizipationen beinhaltet.[109] Obwohl die vereinfachende Metapher für diesen komplizierten Prozess das habitualisierte Lesen von erlernten Zeichen ist und Berkeley insofern epistemologische Leitvorstellungen mit Descartes teilt,[110] ist seine Konzeption des erkennend-wahrnehmenden Subjekts völlig anders. Während Descartes’ res cogitans optimale Klarheit im Wegblenden sinnlicher Affektionen gewinnt, rettet bei Berkeley (gerade umgekehrt) allein der Bezug auf konkrete Sinneswahrnehmung und die Notwendigkeit der körperlichen Selbsterhaltung den Geist davor, sich in selbstreferentiellen Schleifen zu verlieren. Diese anthropologische Konzeption eines Geistes, der sich durch sensuellen Input des Körpers stabilisiert und von dort aus Wissen erwirbt, ist diskurshistorisch und systematisch gesehen nur schwer mit ausgefeilteren Erkenntnistheorien oder gar naturwissenschaftlich orientierten Forschungstheorien zu vereinbaren. Hochgradig anschlussfähig erweist sie sich jedoch für einen Diskurs, der sich vorrangig für die Differenzierungsmöglichkeiten von sinnlichen Wahrnehmungsmodalitäten interessiert: die Ästhetik in der Traditionslinie der aisthesis. Im 18. Jahrhundert könnte man die Aufmerksamkeit insbesondere für den Tastsinn geradezu zum Gradmesser für die Konjunktur von Aisthetik und Anthropologie machen.

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Hatte Berkeleys Aufwertung des Tastsinns und des Körpers die Zeitgenossen massiv beeinflusst, so schien sich seine Theorie zu bestätigen, als Cheselden 1728 tatsächlich eine Staroperation an einem (partiell) Blindgeborenen durchführte. Nun „war der Weg frei zu einer einzigartigen Feier des Tastsinns“.[111] Dies wirkte sich besonders auf die Ästhetik aus, und hier insbesondere auf die Einschätzung und Theorie der Skulptur. Dabei ist vor allem Herder zu nennen,[112] der zwischen 1768 und 1770 seinen 1778 erschienenen Text Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traume verfasste. Dieser Text – oft nur kurz ‚Plastik’ tituliert – ist eine der ersten Abhandlungen, welche die eigenen ästhetischen Potentiale der Skulptur zu bestimmen sucht. Herder bezieht sich, wie kaum anders zu erwarten, gleich zu Beginn seiner Abhandlung auf den Fall des von Cheselden sehend gemachten Blinden und folgert daraus – an Berkeley anschließend –, dass „das Gesicht uns nur Gestalten, das Gefühl allein, Körper zeige: daß Alles was Form ist, nur durchs tastende Gefühl, durchs Gesicht nur Fläche, und zwar nicht körperliche, sondern nur sichtliche Lichtfläche erkannt werde.“[113] Das Sehen liefert zwar „eine Fläche, ein Nebeneinander aller und verschiedensten sichtbaren Gegenstände“, aber ohne Tasterfahrungen wird daraus keine räumliche Ordnung. So ist dem kleinen Kind noch alles „Bild auf einer Tafel“[114] und erst mit der Zeit wird durch den ‚begreifenden’ Umgang mit den Dingen eine Vorstellung von der Körperwelt aufgebaut. Die Fläche erscheint hier als nur partielle Form der Erkenntnis, die erst durch den sich bewegenden und tastenden Körper ergänzt wird. Da der Tastsinn so eng mit der Konstitution der Wahrnehmung der Räumlichkeit der Dinge verbunden ist, formuliert Herder: „Im Gesicht ist Traum, im Gefühl Wahrheit.“[115] Der eigentliche Sinn dieser Reflexionen besteht darin, die verschiedenen Künste auf ihre Grundprinzipien zurückzuführen. Naheliegend und überdies schon durch eine längere Tradition vorbereitet assoziiert Herder die Malerei mit dem Sehen und die Skulptur mit dem Tastsinn. Die Malerei ist „die Kunst fürs Auge“ und daher „Traum“, während die Bildhauerei „Wahrheit [...], ganz Darstellung“ bietet und so geradezu immersive und erotische Erfahrungen bietet: „Eine Bildsäule kann mich umfassen, daß ich vor ihr knie, ihr Freund und Gespiele werde, sie ist gegenwärtig, sie ist da.“[116] Die Distanziertheit der Fläche, vor und auch nach Herder hochgeschätzt, ist für diesen nur ein mit dem Sehsinn korreliertes Phänomen. Die später von Hildebrand bevorzugte Idee einer flächig-hauptansichtigen Skulptur lehnt er ab. Er bemerkt, die Begrifflichkeit der ‚Ruhe’ ganz anders akzentuierend, über den Betrachter der Skulptur:

Er gleitet umher, sucht Ruhe und findet keine, hat keinen Gesichtspunkt, wie beim Gemählde, weil tausende ihm nicht gnug sind, weil, so bald es eingewurzelter Gesichtspunkt ist, das Lebendige Tafel wird, und die schöne runde Gestalt sich in ein erbärmliches Vieleck zerstücket.[117]

Der Mensch ist Herder – der schroff die „todte Fläche“[118] kritisiert – eben nicht nur Auge, sondern auch Körper und Tastsinn. Hegels abfällige Bemerkungen über das ‚Herumgetatschel’ wären Herder wohl fremd gewesen: „Wehe dem Liebhaber, der in behaglicher Ruhe seine Geliebte von fern als ein flaches Bild ansieht und gnug hat!“[119] Demgegenüber soll der Betrachter „sich alle Mühe [geben], jedes Flächenartige zu zerstören.“[120] Die nahe liegende Konsequenz, Skulpturen vorrangig über das Tasten wahrzunehmen, was freilich das skulpturale Erbe durch Abnutzung bedrohte, hat Herder allerdings nicht gezogen. Er schreibt: „Seht jenen Liebhaber, der tiefgesenkt, um die Bildsäule wanket. Was thut er nicht, um sein Gesicht zum Gefühl zu machen, zu schauen, als ob er im Dunkeln taste?“[121] Nicht nur werden die Leser selbst (metaphorisch) aufgefordert, ihren Sehsinn einzusetzen – vielmehr noch soll der Betrachter der Plastik den Tastsinn durch das Sehen gewissermaßen simulieren: Das Auge [...], war nicht Auge mehr, das Schilderung auf einer Fläche bekam: es ward Hand [...]“.[122] Oder anders: „Man siehet die Bestätigung meiner Behauptungen, wenn man die Operationen des Auges selbst zergliedert, die es sich bei der Bildsäule nimmt: [...] zu sehen, als ob man tastete und griffe.“[123] Bedeutet dies, dass Herder letztlich die Plastik doch der Hegemonie des Sehsinnes unterwerfen muss – weil das Sehen den Tastsinn substituiert? Oder heißt es vielmehr, dass er das ‚reine Sehen’ „[t]odte[r] Mahleraugen“[124] zugunsten einer Art ‚synästhetischer’ Involvierung eines körperlichen – ‚wankenden’ – Subjekts, also einem anderen, nicht distanzierten Sehen zurückweist? Wir glauben letzteres, da er die Fixierung auf einen Sinn tendenziell verlässt und das Subjekt in seiner synästhetischen ‚Unreinheit’, in seinem in-der-Welt-Sein[125] ernst nimmt.

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Herders ästhetische Überlegungen privilegieren die Skulptur aufgrund ihrer ‚lebendigeren’, imaginativ anregenden Erscheinung über die Malerei – und seine sensualistisch-idealistisch ausgerichtete Erkenntnistheorie sucht ebenfalls logisch-systematische Kategorien direkt aus unterschiedlichen Sinneswahrnehmungstypen zu gewinnen.[126] Die diskursgeschichtliche Kontinuität vergleichbarer Denkweisen, die sich um das Paradigma Raum/Körper/Variabilität gruppieren, ist weniger auffällig. Sie setzt sich aber im 19. Jahrhundert z. B. mit Friedrich Nietzsche und im 20. Jahrhundert mit John Dewey fort und kristallisiert sich an einer recht unvermuteten Stelle noch einmal prägnant aus: Einige der Thesen, Motivationen und Grundprämissen Berkeleys finden sich in der Philosophie des Physikers und ‚Außenseiters’ Ernst Mach wieder.[127] Selbst ohne direkte Vorläufer und Nachfolger wurden Machs Überlegungen von so unterschiedlichen und einflussreichen Denkrichtungen wie dem logischen Positivismus, der Phänomenologie Husserls und der Gestaltpsychologie als entscheidender Impuls wahrgenommen.[128] Machs Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen (1886) bemüht sich – wie die Empiristen, aber vor dem Hintergrund einer differenzierteren naturwissenschaftlichen Wissenschaftstheorie – noch einmal darum, eine Erkenntnistheorie direkt aus der Wahrnehmungstheorie abzuleiten. Allerdings – und das macht ihn für unseren Kontext interessant – verzichtet Mach völlig auf die traditionelle Prämisse einer Subjekt-Objekt-Dichotomie.[129] Mit dem Wort ‚Ich’ bezeichnet man, so Mach, einen Empfindungskomplex von ziemlich variabler Zusammensetzung, der sich nicht spezifisch von anderen, ebenso veränderlichen Elementenkomplexen (‚Objekten’, ‚Leib’, ‚Stimmungen’, ‚Gefühlen’) unterscheidet.[130] Dass das Ich im herkömmlichen Sinne „unrettbar“ ist und eine Grenzziehung zwischen Beobachtersubjekt und Welt sich als unmöglich erweist, findet Mach keineswegs beunruhigend. Die glücklichsten Augenblicke erlebe man ohnehin, wenn ein Ichgefühl im Einssein mit der Welt ganz fehle.[131] Und auch eine die Wissenschaften übergreifende Erkenntnistheorie profitiere nur davon, Begriffe wie Substanz/Eigenschaft, Ding, Materie, Sein/Schein aufzugeben und durch die Rede von Elementen(komplexen) und ihren Relationen zu ersetzen.[132] Im Grunde kann man lediglich sagen: ‚Es gibt Weltelemente’. Aber diese Elemente gruppieren und differenzieren kann allein ein Körperwesen, das etwa die Tastempfindungen als (relativ) beständige Grundlagen anderer, veränderlicher Empfindungen ausmachen kann. Sein Bewusstsein schließlich vermag Elementkomplexe auch begrifflich zu erfassen.[133] Der erkennende Mensch ist als Zusammenhang bewusst gewordener Elemente (Empfindungen) Teil eines Kontinuums von ‚Welt’. Er steht dieser also nicht gegenüber, sondern ist räumlich in sie involviert: „Spreche ich von meinen Empfindungen, so sind dieselben nicht räumlich in meinem Kopfe, sondern mein ‚Kopf’ teilt vielmehr mit ihnen dasselbe räumliche Feld [...]“.[134]
Es überrascht kaum, dass Machs Denkansatz auch solchen kunsttheoretischen Perspektiven Impulse gab, die der in 2.1. skizzierten Linie der tendenziellen Unterordnung der Skulptur unter eine optische Fläche (von Hildebrand bis Fried) widersprachen.[135] Hier wäre zunächst Carl Einstein zu nennen, der Machs Ideen aufnahm.[136] Ihn faszinierte die tendenzielle Auflösung des kontrollierten, der Welt entgegen gesetzten, ‚bürgerlichen’ Subjekts, was ihn zu einer anderen Bewertung der Skulptur führte. 1915 veröffentlichte er sein bald äußerst einflussreiches Buch Negerplastik, in welchem die so genannt ‚primitive’ Kunst afrikanischer Völker als Kunst ernst genommen wurde – für die Zeit eine Sensation. In einer heute allerdings verdächtig exotistisch wirkenden Weise bindet er die Vorstellung eines von der Welt separierten Subjekts an die europäische Kultur und setzt dieser den ‚ichlosen Neger’ als positives Ideal entgegen:

Der Mensch verwandelt sich immer etwas, jedoch bleibt er bemüht, eine gewisse Kontinuität, die Identität zu wahren. Gerade der Europäer bildete dieses Gefühl zu einem fast hypertrofen [sic] Kult; der Neger, der weniger vom subjektiven Ich befangen ist und die objektiven Gewalten ehrt, muß, soll er sich neben ihnen behaupten, sich in sie verwandeln.[137]

Es ist fast zu erwarten, dass Einstein die Räumlichkeit der (afrikanischen) Plastik gegen die Unterordnung unter die (malerische) Fläche für einen statischen Betrachter in der europäischen Tradition stark machen wird. Und wieder bestätigt sich die Erwartung. Die „Verständnislosigkeit des Europäers für afrikanische Kunst“ folgt aus deren gesteigerter Kubizität, hat sich die europäische Skulptur doch – und hier bezieht sich Einstein explizit auf Hildebrand – „um die Auflösung des Plastischen“ bemüht. Zu sehr ist die europäische Skulptur am Modell der Malerei orientiert, es werden die „dem Beschauer nächsten Teile [...] zu Flächen“ geordnet, das „Dreidimensionale [wird] in einigen Ebenen aufsummiert, die das Kubische unterdrücken“. Diese „Vermischung des Malerischen und des Plastischen“ konnte nur mit einer „völligen Niederlage der Plastik enden“.[138] Die Subjektzentrierung der europäischen Kunst führt dazu, dass „die Dynamik der individuellen Prozesse überwog“.[139] Dabei ward die „Voraussetzung aller Plastik, der kubische Raum [...] vergessen“. Demgegenüber habe die afrikanische Plastik „isoliert die reinen plastischen Formen gezüchtet.“[140] Das exotistisch-idealisierte Bild, welches Einstein von der afrikanischen Plastik entwirft,[141] war jedenfalls sehr einflussreich, gerade auch auf die künstlerischen Avantgarden der Zeit.
Einer ihrer (mit Einstein wiederum bekannter) Mentoren, Daniel-Henry Kahnweiler, Förderer gerade des Kubismus, ließ sich von Einsteins Plädoyer für das – wie dieser vor dem Hintergrund der von uns skizzierten Assoziation rationalistischer Philosophien mit der Fläche bezeichnend formuliert – „irrational Kubische“[142] ebenfalls zu einer Verteidigung der Plastik inspirieren. Da er das Wesen der Bildhauerei, wie sein Aufsatz von 1919 lautet, zu eruieren sucht, muss er eine Reihe von Abgrenzungen vornehmen. Sein erster Schritt ist die Unterscheidung der angewandten Künste (Architektur) von jenen, die etwas darstellen (Malerei, Plastik bzw. Skulptur).[143] Die Trennung zwischen Malerei und Skulptur zieht er zunächst ganz konventionell: Die Malerei stellt zweidimensional, die Skulptur dreidimensional dar. Aber: „Was bedeutet eigentlich dieser Unterschied von Zwei- und Dreidimensionalität?“[144] Natürlich nicht die – im klassischen Paragone der Künste oftmals betonte[145] – Differenz von Wahrheit und Schein, denn ‚Schein’ sind letztlich beide Bildformen. Kahnweiler bietet eine interessante Alternative an: „Das Licht ist wirklich im dreidimensionalen, Schein nur im zweidimensionalen Bildwerk.“ Doch diese scheinbare so klare Trennung wird durch das – von Hildebrand noch so hochgeschätzte – Relief verunsichert. Jenes „bedient sich der Mittel der Bildhauerei zu einem Ziele, das dem der Malerei sich nähert.“ Zum Relief bemerkt Kahnweiler folglich: „Von der Rundplastik trennt es sich streng“.[146] Und so gewinnt er letztlich seine entscheidende Differenz: Das Relief ist dreiseitig, die Rundplastik aber vierseitig, nur um sie kann sich der Betrachter herumbewegen:

Die Malerei und das Relief schildern verschiedene Gegenstände miteinander. [...] Nicht so die Rundplastik: sie steht im allgemeinen Raume mit den übrigen Körpern, ein Körper wie sie. [...] Die Malerei und das Relief schaffen ihren Eigenraum. Sie entweichen offensichtlich dem allgemeinen Raume. [...] Auf einer Wand: sie begrenzen so den allgemeinen Raum, vernichten die Tiefe, lassen nur die Fläche bestehen.[147]

Es gilt folglich: „Die Bildhauerei aber soll stolz im Raume ragen“.[148] In jeder Ansicht muss sie mit anderen Gegenständen im Raum leben, sie „darf nicht fürchten, im Sehbilde des Beschauers sich zu vermischen mit andren Körpern, die hinter ihr auftauchen.“[149] Doch gemessen an diesem Anspruch fällt der Autor ein vernichtendes Urteil. Fast ausnahmslos ist die Skulptur gescheitert: „Was bleibt eigentlich von der Bildhauerei des christlichen Europas übrig, wenn wir ihr diesen Maßstab anlegen? Fast nichts! Sie ist Malerei ...“. So klammert sich etwa die „Skulptur des Mittelalters an das Gebäude, verlässt nie die schützende Wand. Sie fühlt sich Relief [sic].“[150] So kann er explizit Hildebrand dessen „krankhafte Furcht vor der Berührung seines Werks mit anderen Körpern im Raume“ und der „Pseudobildhauerei des christlichen Europas“ ihre „Verirrung“[151] – die Orientierung am ‚Scheinraum’ der Fläche – vorwerfen.


3. FAZIT: DAS BILD JENSEITS DER FLäCHE?

Unsere notwendig fragmentarische Rekonstruktion von ästhetischen und epistemologischen Positionen konnte zwei Tendenzen in der diskursiven Formierung des ästhetisch rezipierenden bzw. erkennenden Subjekts ausmachen: Erstens diejenige, in der das Subjekt als körperloser, statischer Punkt beschrieben wird, der einer (real oder metaphorisch) flächigen und daher überschaubaren Totalität gegenübersteht. Und zweitens diejenige, die einem mobilen, tastenden, von der Welt umhüllten und in sie verwickelten Beobachter den Vortritt lässt. Beide Dispositive – wir haben sie in aller Vorläufigkeit Fläche/Auge/Totalität und Raum/Körper/Variabilität genannt – werden historisch sehr verschieden formuliert, existieren oft in unterschiedlicher Gewichtung nebeneinander und überlappen sich auch.[152] Wir haben hier die vielfältigen Differenzen zwischen den konkreten historischen Manifestationen heuristisch zurückgestellt, um die beiden Tendenzen etwas genauer herausarbeiten zu können.
Ursprünglich lässt sich die Privilegierung des körperlosen Punktsubjekts/Auges und der ihr zugeordneten Fläche an die Verdrängung des Körpers in der christlichen Tradition binden – dass der nackte und ideale Körper klassischer Plastik mit einer auf Jenseitigkeit orientierten Religion kaum vereinbar scheint, ist ebenso nahe liegend wie trivial. Interessanter aber noch ist die Verknüpfung des skulpturalen Objektes mit der Abweichung vom rechten Weg, wie sie die bekannte biblische Geschichte vom goldenen Kalb erzählt. Herder und Kahnweiler haben explizit auf die Ursünde der Skulptur, potentiell Götze sein zu können, verwiesen.[153] Vor einiger Zeit hat Jeffrey Shaw diese Beziehungen und Spannungen zwischen Skulptur, Götze, Fläche und Bewegung des Betrachters ausgerechnet im Medium interaktiver, digital generierter Bilder künstlerisch reflektiert.

(ABB. 3, Jeffrey Shaw, The Golden Calf, 1994)

Die Dominanz von Fläche/Auge/Totalität wird dann von einer erkenntnistheoretischen Tradition ausgebaut, die eine Trennung von Subjekt und Objekt voraussetzt.[154] Aber ein mit der Fläche korreliertes Punktsubjekt wird auch in ästhetischen Diskursen dort bevorzugt, wo eine quasi-theoretische, kontemplative, auf interesseloses Wohlgefallen und die Bedeutung des jeweiligen Werkes konzentrierte Beobachtungshaltung empfohlen wird. Dabei kann den Betrachter allein sein isolierter, körperloser, Distanz wahrender – geradezu anästhesierter – Sehsinn unterstützen. Und der von Betrachter und Bild geteilte mehrdirektionale Raum reduziert sich auf lineare Distanz.
Gerade diese Möglichkeit, die Flächenbild-Betrachter-Relation elegant auf wenige griffige und – siehe Zentralperspektive – auch formalisierbare Elemente reduzieren zu können, macht das Paradigma des Tafelbilds so attraktiv für Annäherungen an einen Bildbegriff. Noch Gottfried Boehms Bildkriterium der ikonischen Differenz etwa, das bildtheoretisch problematische Vorstellungen wie Sein/Schein-Dichotomien oder Abbildhaftigkeit nicht mehr benötigt, wird am Flächenbild entwickelt. Obwohl Boehm selbst einräumt, „dass unser – oft unausgesprochenes – Vorurteil, das Bild am Modell des ‚Gemäldes’ oder des Tafelbildes zu messen [...] revisionsbedürftig ist“,[155] definiert er dennoch die ikonische Differenz zunächst als „Grundkontrast [...] zwischen einer überschaubaren Gesamtfläche und allem, was sie an Binnenereignissen einschließt“.[156] Kontraste, überraschende (und damit ästhetisch ansprechende) Spannungen ergeben sich, so Boehm, durch Hell/Dunkel- oder Fläche/Tiefe-Kontraste oder auch durch die Möglichkeit, von der temporären Sehweise einer Sukzession der Details auf eine Simultanwahrnehmung des Ganzen – einer Totalität – umzuspringen. Dreidimensionale Objekte und/oder zeitlich ausgedehnte Prozesse schatten sich aber per definitionem ab und verändern sich in der Zeit. Die in Boehms Kontrastpaar von ‚Sukzession und Simultaneität’ bereits angelegte temporale Dimension der ikonischen Differenz müsste für die Beschreibung solcher Phänomene als Bilder stärker betont und herausgearbeitet werden.[157]
Räumliche und skulpturale Dispositive – das heißt Anordnungen, in denen ein Betrachter körperlich, mit mehreren Sinnen und mit variablen Bewegungsmöglichkeiten denselben Raum teilt wie das bildliche Objekt – stellen eine adäquate Konzeptualisierung aber auch aus anderen Gründen vor Schwierigkeiten. Die Parameter, die bestimmt werden müssen, wenn man die Spezifik von räumlich-skulpturalen Dispositiven angemessen beschreiben möchte, sind zahlreich und kontextabhängig. Nicht zufällig hat sich in unserem historischen Rückblick eine Korrelation anthropologisch gefärbter Subjektvorstellungen mit Beschreibungsmodellen räumlich-skulpturaler Phänomene herausgeschält. Diese Kopplung eignet sich offenbar besser dazu, der komplexen Vielfältigkeit involvierter Sinneswahrnehmungsmodalitäten und der Aspekthaftigkeit perspektivisch und fragmentarisch sichtbarer Objekte Rechnung zu tragen. Aber die ‚dichte Beschreibung’ (Clifford Geertz) von Raum/Körper/Variabilität-Dispositiven ordnet sich weder in eine historische Teleologie, wie z. B. der opticality Greenbergs ein, noch scheinen räumlich-skulpturale Anordnungen sich auf ein leicht beschreibbares Überformen und Reflektieren einzelner Sinne (sehendes Sehen, fühlendes Fühlen...) festlegen zu lassen. Dass die Schwierigkeit darin besteht, generalisierbare Kriterien zu finden, hat J.M. Bernstein unlängst im Kontext von High Modernism, Minimal Art und Konzeptkunst und den sie begleitenden kunstwissenschaftlichen Diskursen unterstrichen: „Art is bound to the sensuous extreme or gives in too quickly to conceptuality, while philosophy remains bound to a conceptuality it can only conceptually master, and thus fails sensuous particularity.”[158]
Nicht nur für räumlich-skulpturale Bildanordungen könnte man daraus die Konsequenz ziehen, dass eine vorsichtigere, deskriptive Annäherung ohne allzu hohe Verallgemeinerbarkeit erstens den Phänomenen eher gerecht wird und zweitens zu einer notwendigen Flexibilisierung etablierter Theorierahmen anregen kann. Dazu laden die anfänglich genannten, auf digitalen Medien beruhenden Bilder geradezu ein: Diese neuen Bilder sind im überwiegenden Falle immer noch Flächen, die auf Monitoren erscheinen. Doch es handelt sich gerade um Flächen, die den Anspruch auf entkörperlichte Distanzierung (jedenfalls gelegentlich) nicht mehr einlösen und so die mehr oder weniger etablierte Dichotomie von Fläche/Auge/Totalität und Raum/Körper/Variabilität dislozieren. Diese Irritation kann schließlich in den anfänglich angedeuteten Angstphantasien einer Überrumpelung durch die Computerbilder münden. Die neuen Flächen sind also gleichsam löchrig (ein wenig wie die Bilder Lucio Fontanas). Sie erzeugen einen virtuellen Raum, durch den interaktiv navigiert wird.[159] Bei solchen Bildern liegt – trotz Monitorfläche – keine überschaubare Gesamtfläche vor, die klar erkennen lässt, welche ‚Binnenereignisse’ sie inkludiert. Vielmehr muss der Betrachter ständig auf mehr oder weniger unerwartete Ereignisse reagieren.[160] Das gegenwärtig beste Beispiel dafür sind die bezeichnenderweise so genannten Ego-Shooter im Bereich der Computerspiele, bei denen der Betrachter die Szenerie quasi-subjektiv sieht und mit Bewegungen seines Joysticks durchquert. Oft sieht er überdies direkt vor sich auf dem Bildschirm einen Teil seines virtuellen Körpers, meist eine Hand mit einer Waffe (gelegentlich wird der räumliche Eindruck der Bilder noch durch den Einsatz stereoskopischer Bildtechniken[161] intensiviert). Dieser Pseudo-Körper wird sogar durch taktile Erfahrungen (bis hin zum force-feedback) im Umgang mit Eingabegeräten wie Joysticks etc. vermittelt.[162] Der Betrachter ist zwar von der Darstellung durch die klar begrenzte Fläche des Monitors getrennt und dennoch zugleich körperlich in die Darstellung verwickelt, sein Sehen ist gewissermaßen zugleich verkörpert und körperlos. Die interaktiven Computerbilder erinnern eher an „das bewegliche Wahrnehmungsfeld des alltäglichen Sehens mit seinen offenen Rändern, seiner flexiblen Neuanpassung an Situationen“, welches Boehm doch klar dem „begrenzte[n] und stabilen Bildfeld“ gegenüberstellen wollte – ohne allerdings zuverlässig die ständig beschworenen Immersionsgefühle auszulösen und die ikonische Differenz einzuebnen.[163] Man sollte vielleicht von einer neuartigen und paradoxen Dissoziation eines verkörperten Modus des Sehens vom Körper sprechen.
Nicht nur die Beschreibung der gegenwärtig neuesten Bilder – gelegentlich ebenso pauschal und unpassend wie symptomatisch unter dem Begriff des Cyberspace versammelt –, sondern letztlich auch diejenige skulpturaler und theatraler Bildphänomene fordern eine Loslösung des Bildkonzepts von seiner Zentrierung um die Fläche. Das zumindest lässt sich als – natürlich erst noch zu entfaltendes – Resultat unserer Problemskizze festhalten. Trotz aller Differenzen – die neuen Bilder sind natürlich keine wirklich räumlichen Gebilde wie Skulpturen[164] –finden sich in der Ästhetik der Plastik Begriffe wie Ansichtigkeit, Oberfläche, Volumen, Kontur, die hilfreich sein mögen, um die virtuellen Objekte zu beschreiben. Die Diskussion des Theaters könnte das ihrige zur kritischen Beschreibung der Positionierung und Bewegung der Objekte im virtuellen Raum, ihrer Interaktion untereinander und mit dem Betrachter/(Mit)Spieler etc. beitragen – schon lange vor dem Wirbel um die Virtual Reality im Umbruch zu den digitalen Medien sprach Artaud von der „virtuelle[n] Realität des Theaters“...[165]

[*] Wir danken Bernhard Ebersohl für Recherchen und Korrekturen. Ebenso danken wir Christian Spies für kritische Anmerkungen.
[1] Zitiert in: Alex Potts: The Sculptural Imagination. Figurative, Modernist, Minimalist. New Haven und London 2000, S. 1.
[2] Vgl. Fred Ritchin: „Photojournalism in the Age of Computers“. In: Carol Squiers (Hrsg.): The Critical Image: Essays on Contemporary Photography. London 1991, S. 28-37.
[3] Philippe Quéau: „Die virtuelle Simulation: Illusion oder Allusion? Für eine Phänomenologie des Virtuellen.“ In: Stefan Iglhaut, Florian Rötzer und Elisabeth Schweeger (Hrsg.): Illusion und Simulation. Begegnung mit der Realität. Ostfildern 1995, S. 61-70 (hier: S. 61). Vgl. aktuell Manfred Faßler: Bildlichkeit. Navigationen durch das Repertoire der Sichtbarkeit. Wien, Köln, Weimar 2002, der gleichfalls das Phantasma einer uns penetrierenden Visualität bemüht: „Das sichtbar Gemachte geht unter die Haut und verlässt jedes Areal des sinnlichen Weitblickes“ (S. 9), vgl. zu begehbaren Bildern S. 10f.
[4] Vgl. dazu Oliver Grau: Virtuelle Kunst in Geschichte und Gegenwart: visuelle Strategien. Berlin 2001, S. 25-65.
[5] Vilém Flusser: „Digitaler Schein“. In: Florian Rötzer (Hrsg.): Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien. Frankfurt a. M. 1991, S. 147-159 (hier: S. 147).
[6] Vgl. Ray Bradbury: „Das Kinderzimmer“ [1950]. In: ders.: Der illustrierte Mann. Zürich 1977, S. 15-35.
[7] Ivan E. Sutherland: „The Ultimate Display“. In: Wayne Kalenich (Hrsg.): Proceedings of the International Federation of Information Processing Congress 1965. Vol. 2. Washington und London 1966, S. 506-508 (hier: S. 508).
[8] Gottfried Boehm: „Die Wiederkehr der Bilder“. In: ders.: (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 1994, S. 11-38 (hier: S. 12).
[9] Zur Definition von Immersion vgl. Carrie Heeter: „Being There. The Subjective Experience of Presence“. In: Presence 1/2/1992, S. 262-271.
[10] Als populäre Beispiele könnte man zahlreiche Science Fiction-Filme und Fernsehsendungen – vom Holodeck in Star Trek – The Next Generation bis zu The Matrix – nennen, in denen hyperillusionistische Raumbilder zu tödlichen Bedrohungen oder Gefängnissen werden. Ein Beispiel, dafür, dass auch in wissenschaftlichen Diskursen computergenerierten Bildern ganz selbstverständlich die Implosion der ikonischen Differenz unterstellt wird, liefert Elena Esposito: „In einem vollendend [sic] gelungenen Projekt virtueller Wirklichkeit soll der Realitätseffekt so wirkungsvoll sein, dass die Objekte nicht mehr von den Objekten der von der Maschine unabhängigen ‚realen Wirklichkeit’ unterschieden werden können“ (Elena Esposito: „Illusion und Virtualität. Kommunikative Veränderungen der Fiktion“. In: Werner Rammert (Hrsg.): Soziologie und Künstliche Intelligenz. Produkte und Probleme einer Hochtechnologie. Frankfurt a. M. und New York 1995, S. 187-216 (hier: S. 187)).
[11] Wir orientieren uns an Michel Foucaults (vgl. Dispositive der Macht. Berlin 1978, S. 119/120) Definition des Dispositivs als ‚entschieden heterogenem Ensemble’ aus Praktiken, Symbolen (Texten, Bildern, Zahlen, ja Klängen), Institutionen, Technologien und Körpern – müssen uns jedoch auf exemplarisch ausgewählte diskursive Komponenten (Texte) beschränken; die ebenso notwendige Analyse von Praktiken, Techniken und Institutionen kann nur in einem anderen Rahmen durchgeführt werden.
[12] Zur Marginalisierung einer nicht auf das fixierte, distanzierte, souveräne Sehen reduzierten Wahrnehmung vgl. Norman Bryson: Vision and Painting. The Logic of the Gaze. London u. a. 1983, Kapitel 5. Zur Marginalisierung der Skulptur, vgl. u. a. James Hall: The World as Sculpture. The Changing Status of Sculpture from the Renaissance to the Present Day, London 1999, S. 53-79; F. David Martin: Sculpture and Enlivened Space. Aesthetics and History. Lexington 1981, S. 17-31 und Potts: The Sculptural Imagination, S. ix, wo Potts davon spricht, dass Skulptur „disrupts the pervasive logic of the two-dimensional image in modern culture“ – und folglich abgewertet wurde.
[13] Eine anders gelagerte Irritation der Grenze von Fläche und Raum mag auch der Grund für die Marginalisierung des Reliefs sein.
[14] Vgl. Martina Dobbe: „Das verkörperte Auge. Einige bildwissenschaftliche Fragen an das Medium Plastik“. In: dies., Peter Gendolla (Hrsg.): Winter-Bilder. Zwischen Motiv und Medium. Festschrift für Gundolf Winter zum 60. Geburtstag, Siegen 2003, S. 258-274 (hier: S. 260). Siehe auch Gundolf Winter: „Das Bild zwischen Medium und Kunst“. In: ders., Yvonne Spielmann (Hrsg.): Bild – Medium – Kunst. München 1999, S. 15-30, hier: S. 17: „Spricht man europäisch-abendländisch über das Bild, meint man das Tafelbild [...]“.
[15] Vgl. zur Rolle der Zentralperspektive vor allem im Kino und dem „nicht mehr durch einen Körper gefesselt[en] [...] Augen-Subjekt“ Jean-Louis Baudry: „Ideologische Effekte erzeugt vom Basisapparat“ [1970]. In: Robert F. Riesinger (Hrsg.): Der kinematographische Apparat. Geschichte und Gegenwart einer interdisziplinären Debatte. Münster 2003, S. 27-40 (hier S. 33). Zur Computergrafik vgl. Jens Schröter: „Virtuelle Kamera. Zum Fortbestand fotografischer Medien in computergenerierten Bildern“. In: Fotogeschichte 23/88/2003, S. 3-16.
[16] Zur historischen Genese des flächigen und begrenzten Bildfeldes, vgl. Meyer Shapiro: „Über einige Probleme in der Semiotik der visuellen Kunst: Feld und Medium beim Bild-Zeichen“. In: Gottfried Boehm (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 1994, S. 253-274. Die Betonung, die gerade in der abstrakten Malerei auf der flatness der Bildfläche liegt, wird weiter unten diskutiert. Zur Spannung zwischen Perspektive und Fläche, vgl. Bryson: Vision and Painting, S. 92 und Winter: „Das Bild zwischen Medium und Kunst“.
[17] Klaus Sachs-Hombach, Klaus Rehkämper: „Aspekte und Probleme der bildwissenschaftlichen Forschung – Eine Standortbestimmung“. In: dies. (Hrsg.): Bildgrammatik: interdisziplinäre Forschungen zur Syntax bildlicher Darstellungsformen. Magdeburg 1999, S. 9-22 (hier: S. 10, Hervorhebung, N.G./J.S.).
[18] Ausführlich – allerdings ohne Rekurs auf Begriffe des Subjekts und noch ohne Perspektive auf neuartige Phänomene wie die virtuellen Bilder – diskutiert Hall: The World as Sculpture immer wieder die Verzahnungen zwischen Epistemologie und Ästhetik: „The ideal viewer was stationary, and perspective posited a viewer who was absorbed in calm and rational contemplation. Metaphors for the mind – such as the camera obscura and the tabula rasa – reflected and reinforced these prejudices. As a result, a great deal of sculpture strove to be as ‚pictorial’ as possible [...]“ (S. 2).
[19] Vgl. Martin Jay: Downcast Eyes. The Denigration of Vision in Twentieth-Century French Thought. Berkeley, Los Angeles, London 1994, S. 69: „Descartes was a quintessentially visual philosopher, who tacitly adopted the position of a perspectivalist painter using a camera obscura to reproduce the observed world“.
[20] Lateinische Zitate aus: René Descartes: Méditations metaphysiques [1641]. Paris 1992 (lat.-frz. Ausgabe), (3. Meditation), S. 96, 98, 104. Präziser: Der Geist kann sich auf seine eigenen Operationen richten oder Vorstellungen von Dingen, die durch Sinnesempfindungen und die Einbildungskraft in den Geist gelangt sind, „gleichsam [...] betrachten“ (René Descartes: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie [1641]. Übers. und hrsg. von Artur Buchenau. Hamburg 1994, (6. Meditation), S. 62, vgl. S. 29, 17). Im lateinischen Original verwendet Descartes für die Betrachtung der Dinge das Wort ‚inspicere’ und für die Introspektion ‚respicere’, vgl. Descartes: Méditations métaphysiques, S. 174, 176. Michel Foucault sieht im 17. Jahrhundert ein „fast exklusives Privileg der Sehkraft“ (Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften [1966]. Frankfurt a. M. 1971, S. 174).
[21] Dominik Perler: Repräsentation bei Descartes. Frankfurt a. M. 1996, S. 12f.; hier auch ein Überblick über die Forschungsliteratur, vgl. S. 52, 65-77. Perler (S. 27ff.) und John Cottingham (A Descartes Dictionary. Oxford 1993, S. 82f.) verweisen darauf, dass Descartes die ältere scholastische Annahme zurückweist, das Sehen sei eine materielle Transmission von Bildern zwischen Objekt und Sinnen (vgl. z. B. René Descartes: Die Welt oder Abhandlung über das Licht [1633]. Weinheim 1989, S. 9). Andererseits dränge sich aber eben diese Vorstellung bildlicher Entsprechungen der Dinge im Geist durch die Metaphorik immer wieder auf.
[22] René Descartes: Discours de la méthode / Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung [1637]. Übers. u. hrsg. von Lüder Gäbe, französisch-deutsch. Hamburg 21997, (1. Teil), S. 17. Vgl. ebd.: (3. Teil), S. 47.
[23] Vgl. ebd.: (1. Teil), S. 9, 11; (4. Teil) S. 51, 53, 55.
[24] Vgl. ebd.: (4. Teil) S. 53, 55, 59; Descartes: Meditationen (1. Meditation), S. 16.
[25] Perler: Repräsentation bei Descartes, S. 26. Perler argumentiert (S. 32, 59), Descartes habe diese frühe physiologisch-mechanistische Theorie der Bilderzeugung niemals aufgegeben.
[26] Ebd.: S. 28, 30f.. Vgl. zur Zurückweisung des Abbild- oder Repräsentationsverhältnisses der Ideen Descartes, Meditationen (6. Meditation), S. 62. Jay macht darauf aufmerksam, dass in Descartes’ Discours de la méthode neben die Gemälde- eine Schriftmetaphorik tritt (Downcast Eyes, S. 79). Das passt zu Foucaults Charakterisierung der ‚klassischen episteme’, worauf wir zurückkommen.
[27] z. B. in den Meditationen, (3. Meditation), S. 30. Vgl. Perler: Repräsentation bei Descartes, S. 13, 30.
[28] Vgl. Jay: Downcast Eyes, S. 29, vgl. 31f.; Jonathan Crary: Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert. Basel 1996, S. 57; Hans Blumenberg: „Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen Begriffsbildung“. In: Studium Generale, 10, 1957, S. 432-447 (hier: S. 434, 439); Bryson: Vision and Painting, S. 93.
[29] Ebd.: (Teil 1), S. 7.
[30] Ebd.: (Teil 2), S. 19.
[31] René Descartes: La recherche de la vérité par la lumière naturelle / Die Suche nach Wahrheit durch das natürliche Licht. Hrsg. und übers. von Gerhart Schmidt. Würzburg 1989, S. 43 (Hervorhebung, N.G./J.S). Die Entstehungszeit und Datierung des Dialogs, der noch einmal die erkenntnistheoretischen Kernthesen Descartes’ zusammenfasst, sind umstritten, vgl. die „Vorbemerkung“ auf S. 16-22.
[32] Foucault: Die Ordnung der Dinge, S. 172. Foucault übernimmt den Tableaubegriff in Archäologie des Wissens ([1969] Frankfurt a. M. 1981, S. 16, 20) auf der Theorieebene, allerdings mit einer anderen, explizit nicht mehr flächenorientierten Bedeutung.
[33] Ebd.:, S. 256f., 258, 123. Crary: Techniken des Betrachters, S. 41f., 57 hebt ganz ähnlich die deduktive Methode und die mathematisch-geometrische Axiomatik als Objektivitätsgaranten sowohl einer korrekten bildlichen Abbildung als auch des richtigen Erkennens (bei Descartes) hervor. Diese finden eine Entsprechung in der Camera Obscura, die in der frühen Neuzeit gleichermaßen als Technologie und als Denkmodell faszinierte.
[34] Vgl. schon Kants Zweifel daran, wie aus dem ‚ich denke’ abgeleitete und daher immer nur selbstbezügliche Prädikate überhaupt Voraussetzungen für die Erkenntnis des Empirischen bilden sollen (Kritik der reinen Vernunft [1781]. Hamburg 1990, S. 372).
[35] Sybille Krämer: „Zentralperspektive, Kalkül, Virtuelle Realität: Sieben Thesen über die Weltbildimplikationen symbolischer Formen“. In: Gianni Vattimo, Wolfgang Welsch (Hrsg.): Medien Welten Wirklichkeiten. München 1998, S. 27-37 (Zitat: S. 31; Paraphrase S. 33; vgl. S. 28) – Krämer bezieht sich auf Descartes’ Abhandlungen zur analytischen Geometrie; vgl. Crary: Techniken des Betrachters, S. 57.
[36] Jay: Downcast Eyes, S. 54f. Es geht Jay hier in erster Linie um die Differenzierung des ruhenden Auges vom bewegten, stereoskopischen, körpergebundenen Blick. Dieser freilich wird auch beim Betrachten perspektivisch konstruierter Bilder eingesetzt. Da der menschliche Blick stereoskopisch und ständig in Bewegung ist, kann man zwar auch für das Betrachten (und nicht nur das Konstruieren) solcher Bilder einen solchen abstrahierten Idealpunkt ansetzen, aber seine tatsächliche Relevanz ist gering. Perspektivische Bilder erscheinen z. B. nicht verzerrt, wenn man seine Betrachterposition variiert, vgl. Michael Polanyi: „Was ist ein Bild?“. In: Gottfried Boehm (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 1994, S. 148-162 (hier: S. 149).
[37] Jay: Downcast Eyes, S. 55.
[38] Die physiologischen Voraussetzungen der Sinneswahrnehmung und der im einzelnen ablaufenden wahrnehmungspsychologischen Vorgänge sind zwar ebenfalls notwendige Voraussetzungen für Erkenntnis, fallen aber nicht in den Bereich der Transzendentalphilosophie, vgl. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, A 347 / B 405, S. 375.
[39] Ebd.: A 346 / B 404, S. 374.
[40] Luhmann geht davon aus, dass Erkenntnistheorien und Philosophien vor ca. 1800 auf implizit anthropologischen Prämissen aufbauen und auch Kants Konzept des transzendentalen Bewusstseins noch eine „Superanthropologie“ sei, vgl. Niklas Luhmann: Gesellschaftsstruktur und Semantik I. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft [1980]. Frankfurt a. M. 1998, S. 234.
[41] Dafür spricht z. B., dass Kant in den anderen Kritiken mit weniger reduzierten, anthropologischeren Subjektvorstellungen arbeitet. Vgl. dazu allgemein Gernot und Hartmut Böhme: Das Andere der Vernunft. Zur Entwicklung von Rationalitätsstrukturen am Beispiel Kants. Frankfurt a. M. 1983; Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Frankfurt a. M. 1997, S. 497-499; S. 230.
[42] Hegel an Zellmann, 23.1.1807, zit. nach Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, S. 518 (Hervorhebung, N.G./J.S.)
[43] Vgl. zu einer Anknüpfung an diese Tradition Gernot Böhme: Aisthetik. Vorlesungen über Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre. München 2001.
[44] Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Ästhetik. Nach der zweiten Ausgabe Heinrich Gustav Hothos (1842). Frankfurt a. M. 1966, 2 Bd. (hier: Bd. 2), S. 17-22. Folglich bewegt sich die ganze Kunstgeschichte von der massigen Architektur bis zur Poesie – der „absolute[n], wahrhafte[n] Kunst des Geistes“ (S. 19).
[45] Hegel: Ästhetik 1, S. 498. Vgl. zu Hegels Theorie der Skulptur auch Jacques Larfouilloux: Sculpture et Philosophies. Paris 1999, S. 249-389.
[46] Ebd.: S. 499. Im Folgenden bezeichnet eine Fußnote im Haupttext alle ihr vorhergehenden zitierten Textstellen – bis zur vorangehenden Fußnote.
[47] Vgl. ebd.: S. 510-529.
[48] Hegel: Ästhetik 2, S. 95.
[49] Ebd.: S. 181-183.
[50] Ebd.: S. 19 (Hervorhebung, N.G./J.S).
[51] Ebd.: S. 183.
[52] Ebd.: S. 14/15.
[53] Ebd.: S. 184.
[54] Die Diskussion über das Verhältnis von Malerei und Skulptur ist natürlich viel älter – und war auch schon zuvor meist zugunsten der Malerei entschieden worden. Der ‚Wettstreit der Künste’ (Paragone), der spätestens mit Leonardo begann, kann hier nicht en detail berücksichtigt werden, vgl. dazu als kompakten Überblick mit Schwerpunkt auf der Aufklärung Hans Körner: „Paragone der Sinne: der Vergleich von Malerei und Skulptur im Zeitalter der Aufklärung“. In: Matthias Wellmer (Hrsg.): Mehr Licht. Europa um 1770 – die bildende Kunst der Aufklärung. Heidelberg 1999, S. 365-378.
[55] Adolf von Hildebrand: Kunsttheoretische Schriften. Das Problem der Form in der bildenden Kunst [1893]. Baden-Baden, Strasbourg 1961, S. 10. Explizit wird die Analogie zur Bildfläche der Malerei gezogen: „Das Wichtige am Fernbild ist das einheitlich Zweidimensionale der Erscheinung. Dadurch, dass jede verschiedene Augeneinstellung in die Tiefe ausgeschlossen ist, steht die Erscheinung ganz analog dem gemalten Bilde als Plan vor uns“ (S. 55).
[56] Ebd.: S. 12, vgl. auch S. 17.
[57] Ebd.: S. 36.
[58] Vgl. dazu Lars Olof Larsson: Von allen Seiten gleich schön. Studien zum Begriff der Vielansichtigkeit in der europäischen Plastik von der Renaissance bis zum Klassizismus. Stockholm 1974.
[59] Hildebrand: Das Problem der Form, S. 36/37.
[60] Ebd.: S. 37. Vgl. auch den stark von Hildebrand geprägten Heinrich Wölfflin („Wie man Skulpturen aufnehmen soll“, Teil 2. In: Zeitschrift für bildende Kunst, N.F., 8/1897, S. 294-297), der ebenfalls vom „unruhig[en] [...] herumgetrieben werden“ (295) und vom einzuhaltenden „Gesetz der flächenhaften Plastik“ (297) spricht.
[61] Obwohl es auch heißt: „Die Plastik ist unzweifelhaft aus der Zeichnung entstanden, indem diese durch Vertiefung zum Relief führte“ (Hildebrand: Das Problem der Form, S. 48). Anders als bei Hegel ist die Fläche hier zwar keine zivilisatorisch spätere und daher höhere Stufe gegenüber dem Raumkörper – letzterer wird aber dafür zum Derivat der Fläche.
[62] Ebd.: S. 37. Vgl. auch S. 61.
[63] Ebd.: S. 59.
[64] Ebd.: S. 69.
[65] Ebd.: S. 45.
[66] Vgl. zu Hildebrand und Greenberg die Anmerkungen von Yves-Alain Bois: Painting as Model. Cambridge, Mass. 1990, S. 77 und S. 284/285.
[67] Vgl. Clement Greenberg: „Modernistische Malerei“ [1961]. In: ders.: Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays und Kritiken. Hrsg. von Karlheinz Lüdeking. Basel 1997, S. 265-278, insb. S. 268: „Die Betonung der unvermeidlichen Flächigkeit des Bildträgers war jedoch für die Selbstkritik und Selbstdefinition der Malerei fundamentaler als alles andere.“ Entgegen dem, was dies nahe legt, räumt Greenberg allerdings ein, dass die (seiner Auffassung nach) spezifische Flächigkeit der Malerei „niemals absolut“ realisiert werden kann und dass die „optische Illusion [...] weiterhin [...] gestattet“ bleibt (S. 273). Die Abstraktion ist „nicht als ein unbedingt notwendiges Moment in der Selbstkritik der Malerei“ (S. 269) einzuschätzen. Was die Malerei mehr vermeiden sollte ist vielmehr „die Darstellung jener Art von Raum, in dem erkennbare Gegenstände vorkommen können“ (ebd.). Aus dieser schon bei Hildebrand anklingenden Phobie gegen den Raum erwächst auch, dass „sich die Malerei vordringlich all dessen entledigen muss, was sie mit der Skulptur gemeinsam hat“ (S. 270). Vgl. zur Zurückweisung des Taktilen in der Malerei auch Clement Greenberg: „On the Role of Nature in Modernist Painting“. In: ders.: Art and Culture. Critical Essays. Boston 1990, S. 171-174. Kritisch zur Betonung der Flächigkeit vgl. David Clarke: „Der Blick und das Schauen. Konkurrierende Auffassungen von Visualität in der Theorie und Praxis der spätmodernen Kunst“ [1992]. In: Gregor Stemmrich (Hrsg.): Minimal Art. Eine kritische Retrospektive. Basel 1995, S. 678-708. Überdies ist die Betonung der flatness nicht einfach gleichzusetzen mit der Betonung einer Fläche, der ein Betrachter distanziert gegenübersteht, denn die von Greenberg geschätzten Bildkonzepte von Barnett Newman und Jackson Pollock operieren mit einer Entgrenzung der Fläche (schon durch das Format) und implizieren somit immersive Momente.
[68] Alle Zitate im folgenden Absatz aus: Clement Greenberg: „Skulptur in unserer Zeit“ [1958]. In: ders.: Essenz der Moderne, S. 255-264 (hier: S. 260-264). Der Text ist eine überarbeitete Fassung von: Clement Greenberg: „Die neue Skulptur“ [1949]. In: ders.: Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays und Kritiken. Hrsg. von Karlheinz Lüdeking. Basel 1997, S. 163-173, in dem Greenberg eine noch weniger visualistische Konzeption der Skulptur verfolgte.
[69] Vgl. zur „modernist fetishization of sight“ Rosalind Krauss: „Antivision“, In: October 36/1986, S. 147-154 (hier S. 147). Vgl. auch J.M. Bernstein: „Aporia of the Sensible. Art, Objecthood and Anthropomorphism”. In: Ian Heywood, Barry Sandywell (Hrsg.): Interpreting Visual Culture – Explorations in the Hermeneutics of the Visual. London, New York 1999, S. 218-237 (hier: S. 224): Greenbergs „optical account of painting abstracts the human eye from the human body“.
[70] Vgl. Clement Greenberg: „Contemporary Sculpture: Anthony Caro“ [1965]. In: ders.: The Collected Essays and Criticism. Bd. 4: Modernism with a Vengeance 1957-1969. Chicago und London 1993, S. 205-208.
[71] Vgl. Michael Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“ [1967]. In: Gregor Stemmrich (Hrsg.): Minimal Art. Eine kritische Retrospektive. Basel 1995, S. 334-374, v.a. 355-359, hier: S. 358.
[72] Fried bevorzugte den Ausdruck ‚Literalismus’.
[73] Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, S. 336. Die Minimalisten wiesen sogar explizit die Fläche zurück, vgl. Donald Judd: „Spezifische Objekte“ [1965]. In: Gregor Stemmrich (Hrsg.): Minimal Art. Eine kritische Retrospektive. Basel 1995, S. 59-73 (hier: S. 61). Der Präzision halber muss erwähnt werden, dass die Vertreter der Minimal Art ihre eigene Arbeit selbst nicht immer zur Skulptur gezählt haben, vgl. ebd.: S. 59-61 und 64.
[74] Smiths Arbeit wird heute nicht immer zum Kanon der Minimal Art gerechnet, vgl. Potts: Sculptural Imagination, S. 190. Georges Didi-Huberman: Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes. München 1999 hält Die hingegen für paradigmatisch minimalistisch.
[75] Vgl. Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, S. 340-342.
[76] Clement Greenberg: „Neuerdings die Skulptur“ In: ders.: Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays und Kritiken. Hrsg. von Karlheinz Lüdeking. Basel 1997, S. 362-372 (hier: S. 365). Zu dem Problem, dass ausgerechnet Greenbergs modernistischer Reduktionismus selbst die Frage nach der Grenze, ab der „ein Bild kein Bild mehr ist, sondern zu einem beliebigen Objekt wird“ (Greenberg: „Modernistische Malerei“, S. 272) aufgeworfen hatte, vgl. Thierry de Duve: Kant nach Duchamp. München 1997, S. 193-276.
[77] Robert Morris: „Anmerkungen über Skulptur“ In: Gregor Stemmrich (Hrsg.): Minimal Art. Eine kritische Retrospektive. Basel 1995, S. 92-120 (hier: S. 105).
[78] Ebd.: S. 107.
[79] Vgl. Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, S. 342-345. Vgl. dazu Potts: The Sculptural Imagination, S. 188-199. Und insofern das Theater ein dezidiert räumlich-körperliches Medium ist, welches zumindest in den experimentellen Formen der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts auch den direkten Kontakt zum Betrachter/Zuschauer gesucht hat, ist seine Abwertung im flächenorientierten Diskurs des Modernismus zumindest nicht völlig überraschend. Auf diesen Kontext und insbesondere Frieds Verwendung von wertenden Gegensatzpaaren wie theatricality und authenticity verweist Erika Fischer-Lichte: Ästhetische Erfahrung. Das Semiotische und das Performative. Tübingen, Basel 2001, S. 295. Vgl. allgemeiner Jonas A. Barish: The Antitheatrical Prejudice. London 1981. 
[80] Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, S. 353. Auch auf S. 360 wird der „Kriegszustand“ beschworen. Vgl. auch Hal Foster: „Die Crux des Minimalismus“ [1986]. In: Gregor Stemmrich (Hrsg.): Minimal Art. Eine kritische Retrospektive. Basel 1995, S. 589-633, der Frieds Text kritisch als „Strafverfolgung“ der „Verbrechen des Minimalismus“ (607, 605) beschreibt.
[81] Ein symptomatischer Einschub...
[82] Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, S. 359.
[83] Ebd.: S. 360.
[84] Ebd.: S. 359.
[85] Ebd.: S. 355.
[86] Ebd.: S. 359.
[87] Ebd.: S. 365.
[88] Vgl. kritisch dazu Rosalind Krauss: „Theories of Art after Minimalism and Pop“. In: Hal Foster (Hrsg.): Discussions in Contemporary Culture, Bd. 1, Seattle 1987, S. 59-64, insb. S. 61 zum Betrachter modernistischer Kunst als „abstracted from his bodily presence“ und als „pure optical ray“ vs. dem vom Minimalismus implizierten Betrachter als einem „bodied, [...] corporeal, subject“ (S. 63).
[89] Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, S. 365 (Hervorhebungen im Original). Demgegenüber hatte Fried in einem anderen Text („Shape as Form“ [1969]. In: Henry Geldzahler (Hrsg.): New York Painting and Sculpture 1940-1970. New York 1969, S. 403-425 (hier: S. 424), Hervorhebung, N.G./J.S.) selbst betont: „It is as though, finally the opticality toward which advanced sculpture aspires brings one up short [...], against the fact that when we perceive a solid object eyesight makes contact with no more than its surface (and then only part of that). That is to say, advanced sculpture, such as Caro’s makes this fact a disturbing one, and in effect thrusts it into our awareness“. Vgl. auch Greenberg: „Contemporary Sculpture: Anthony Caro“, S. 206: „His [= Caro’s] pieces ask to be looked at from many different, and dramatically different, points of view [...].“
[90] Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, S. 365/366 (Hervorhebung im Original).
[91] Ebd. Vgl. dazu Foster: „Crux des Minimalismus“, S. 607/608.
[92] Hegel: Ästhetik 2, S. 183.
[93] Fried: „Kunst und Objekthaftigkeit“, S. 344.
[94] Vgl. Foster: „Crux des Minimalismus“, S. 595 dazu, dass die Minimal Art „die disziplinäre Ordnung [der modernistischen] Ästhetik, in der die bildende Kunst etwas rein und ausschließlich Visuelles ist“ bedroht.
[95] Vgl. Jay: Downcast Eyes, S. 23; André Leroi-Gourhan: Hand und Wort: Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst [1964-65]. Frankfurt a. M. 1980, S. 367-369.
[96] Vgl. Jay: Downcast Eyes, S. 105/106. Vgl. auch Michael J. Morgan: Molyneux’s Question: Vision, Touch and the Philosophy of Perception. Cambridge 1977.
[97] Foucault zufolge sind die Empiristen John Locke und George Berkeley Repräsentanten derselben klassischen episteme, zu der auch Descartes gehört. Die Lesbarkeit einer Welt, die sich in der ‚unmittelbaren Form des Sichtbaren’ zeigt, ist deren Kennzeichen, vgl. Foucault: Die Ordnung der Dinge, S. 255-258. Lockes Essay Concerning Human Understanding (1690) veranschaulicht diese Prämisse in dem bekannten Vergleich des Geistes mit einem „white Paper, void of all Characters“. Diese Metapher lässt noch immer die Bedeutung der Fläche durchscheinen: Prozesse des Wahrnehmens und Lernens sind durchweg in die Metapher des Buchdrucks gefasst. (John Locke: An Essay Concerning Human Understanding [1690]. Hrsg. von Peter H. Nidditch. Oxford 1975, S. 104.) Für die Empiristen bilden freilich gerade nicht die cartesianischen axiomatischen Grundwahrheiten die Basis der Erkenntnis, sondern durch Sinneserfahrung, Lernen und geistige Selbstbeobachtung erworbene Wissensstrukturen.
[98] George Berkeley: A Treatise Concerning the Principles of Human Knowledge [1710]. In: ders.: Philosophical Works, Including the Works on Vision. Hrsg. von M.R. Ayers. London 1989, (Teil 1, Punkt 1) S. 77.
[99] Ebd.: (Punkt 2), S. 77.
[100] Vgl. ebd.: (Punkt 3), S. 78; (Punkt 7), S. 79.
[101] Vgl. ebd.: (Punkt 8), S. 67. Berkeley versucht mit diesem Argument auch die intersubjektive Gleichheit und Gültigkeit von Vorstellungen zu begründen.
[102] Weder die unterstellte Neigung des Geistes zur Abstraktion noch die Differenziertheit der Vorstellungen lassen sich aus Berkeleys Prämisse – ‚es gibt den göttlichen und menschlichen Geist und Vorstellungen, die von diesen abhängen’ – deduzieren. Vgl. dazu in leicht veränderter Perspektive Ernest Sosa: „Berkeley’s Master Stroke“. In: John Foster, Howard Robinson (Hrsg.): Essays on Berkeley. Oxford 1985, S. 59-81 (hier: S. 69f.). Berkeley argumentiert im übrigen explizit für eine prinzipielle Nichtdifferenziertheit von Vorstellungen, wenn er Lockes Theorie der primären und sekundären Qualitäten (d. h. zwischen der Wirklichkeit entsprechenden und subjektiv synthetisierten Vorstellungen) angreift, vgl. Berkeley: Principles of Human Knowledge, (Teil 1, Punkt 9), S. 79. Zur Kritik abstrakter Vorstellungen vgl. ebd.: „Introduction“, (Punkt 10), S. 68.
[103] George Berkeley: An Essay Towards a New Theory of Vision [1709]. In: ders.: Philosophical Works, Including the Works on Vision. Hrsg. von M.R. Ayers, London 1989, (Punkt 29), S. 13, vgl. auch Punkt 29-43, S. 13-20 mit eigenen Ausführungen zur Optik, sowie „Appendix“, S. 57.
[104] Entfernung, so argumentiert Berkeley, könne beispielsweise nicht als abstrakte Größe unabhängig von Gegenständen wahrgenommen werden. Aber auch relational – aus dem Verhältnis von Gegenständen – ist sie nicht objektiv bestimmbar, da sich kein Anhaltspunkt für die kontinuierende Identität der zueinander positionierten Gegenstände finden lässt: Nähert man sich beispielsweise einem etwa eine Meile entfernten Gegenstand, verändert er im Laufe der Annäherung radikal seine Größe und seine Qualitäten. Vgl. Berkeley: New Theory of Vision (Punkt 44), S. 20. Was uns von der gleichbleibenden Identität des Gegenstandes überzeugt, sind lediglich Erfahrung und Gewohnheit: die habituelle Verknüpfung von Sinneseindrücken, die sich zu Erfahrung verdichtet haben und die uns Gegenstände auch in unterschiedlichen Aspekten wiedererkennen lassen.
[105] Berkeley: New Theory of Vision, (Punkt 45), S. 20. Taktiles umfasst haptische Erfahrung, das Spüren von Augenbewegungen und vor allem das Wahrnehmen der Bewegung und Positionalität des Körpers, vgl. ebd.: (Punkt 45), S. 21.
[106] vgl. W. Woodward: Artikel „Raum, Raumwahrnehmung, psychologischer Raum“. In: Joachim Ritter: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Darmstadt 1992, Band 8, S. 111-119 (hier: S. 114). Belegen lässt sich die Zusammengesetztheit des Seheindrucks z. B. durch die Möglichkeit eines Auseinandertretens beider Komponenten: Objektive, messbare Größe etwa beruht auf dem Taktil-Haptischen, während rein visuell gesehene Größe variabel ist, vgl. Berkeley: New Theory of Vision, (Punkt 55), S. 23.
[107] Berkeley: New Theory of Vision, (Punkt 73), S. 28; (Punkt 147), S. 51f.
[108] Ebd.: (Punkt 85), S. 34.
[109] Distanzen werden Berkeley zufolge über Markierungen von Zeitintervallen oder Zeitspannen vermittelt, innerhalb derer mit dem Eintreffen von unmittelbaren taktilen Eindrücken zu rechnen ist (Principles of Human Knowledge, (Punkt 44), S. 89)
[110] Berkeley bezeichnet visuell-taktile Eindrücke als universell gültige, im Unterschied zu verbalen Sprachen nicht irrtumsanfällige ‚Sprache Gottes’ („the voice of the Author of nature, which speaks to our eyes“), vgl. New Theory of Vision, (Punkt 152), S. 53, vgl. (Punkt 147), S. 51; vgl. Principles of Human Knowledge, (Punkt 44), S. 89; Foucault: Die Ordnung der Dinge, S. 100.
[111] Körner: „Paragone der Sinne“, S. 370.
[112] Vgl. Robert E. Norton: Herder’s Aesthetics and the European Enlightment. Ithaca und London 1991, insb. S. 203-232.
[113] Johann Gottfried Herder: „Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traum.“ In: ders.: Sämtliche Werke, Bd. VIII. Hrsg. von Bernhard Suphan. Hildesheim 1967, S. 1-87 (hier: S. 5/6). Höchstwahrscheinlich kannte Herder Berkeleys New Theory of Vision seit 1769, vgl. Marion Heinz: Sensualistischer Idealismus. Untersuchungen zur Erkenntnistheorie des jungen Herder. Hamburg 1994, S. 57.
[114] Herder: „Einige Wahrnehmungen“, S. 6.
[115] Ebd.: S. 9.
[116] Ebd.: S. 16/17. Zu der hier anklingenden ‚pygmalionischen’ Belebung der Skulptur, vgl. Inka Mülder-Bach: „Eine ‚neue Logik für den Liebhaber’. Herders Theorie der Plastik“. In: Hans-Jürgen Schings (Hrsg.): Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. Stuttgart 1992, S. 341-370.
[117] Herder: „Einige Wahrnehmungen“, S. 12.
[118] Johann Gottfried Herder: „Viertes Wäldchen“. In: ders.: Sämmtliche [sic] Werke. Hrsg. von Bernhard Suphan, Bd. 4. Berlin 1878, S. 3-197 (hier: S. 67).
[119] Herder: „Einige Wahrnehmungen“, S. 13.
[120] Herder: „Viertes Wäldchen“, S. 65.
[121] Herder: „Einige Wahrnehmungen“, S. 12.
[122] Herder: „Viertes Wäldchen“, S. 66.
[123] Ebd.: S. 65.
[124] Ebd.: S. 67.
[125] Diese an Heidegger angelehnte Formulierung ist nicht ohne Bedacht gewählt, vgl. Thomas M. Seebohm: „Der systematische Ort der Herderschen Metakritik“. In: Kant-Studien, 63/1972, S. 59-74 (hier: S. 70/71).
[126] Vgl. ebd.: S. 63f., 72; allgemein Heinz: Sensualistischer Idealismus.
[127] Vgl. zum Einfluss Berkeleys auf Mach Manfred Sommer: Evidenz im Augenblick. Eine Phänomenologie der reinen Empfindung. Frankfurt a. M. 1987, Kap. 10, v.a. S. 241-243. Zu Mach als ‚Außenseiter’, vgl. John Blackmore und Klaus Hentschel (Hrsg.): Ernst Mach als Außenseiter: Machs Briefwechsel über Philosophie u. Relativitätstheorie mit Persönlichkeiten seiner Zeit; Auszüge aus d. letzten Notizbuch (Faks.) von Ernst Mach. Wien 1985.
[128] Vgl. Rudolf Haller: „Poetische Phantasie und Sparsamkeit – Ernst Mach als Wissenschaftstheoretiker“. In: ders., Friedrich Stadler (Hrsg.): Ernst Mach – Werk und Wirkung. Wien 1988, S. 342-355 (hier: S. 342f.); Gereon Wolters: „Vorwort zum Neudruck von 1985“ [1985]. In: Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen [1886; Text der 9. Aufl., Jena 1922]. Darmstadt 1991, S. IX-XXIV (hier: S. XVIIf.).
[129] ...ebenso wie auf die späteren Annahmen einer Intentionalität des Bewusstseins (Husserl) oder einer Isomorphie von Logik und Welt (Wittgenstein).
[130] Vgl. Mach: Analyse der Empfindungen, S. 2f., 11, 18, 21. Manfred Sommer: Evidenz im Augenblick, S. 81 formuliert präzise, wie sich Empfindungen von Elementen unterscheiden: „Die Menge der psychischen Empfindungen ist nur eine Teilmenge jener Empfindungen, die Mach Elemente nennt.“
[131] Mach: Analyse der Empfindungen, S. 20f.
[132] Wolters: „Vorwort“, S. XXVI; Mach: Analyse der Empfindungen, S. 1; 4f., 8f., 23.
[133] Ebd.:, S. 6: Das Tastbare erscheint „als Träger der daran gebundenen flüchtigeren Eigenschaften“ und scheint beständiger zu sein, auch wenn „Räume und Zeiten ebenso gut Empfindungen genannt werden können, als Farben und Töne“; vgl. S. 26; vgl. Wolters: „Vorwort“, S. XV.
[134] Mach: Analyse der Empfindungen, S. 22.
[135] Die Verbindungslinie von Ernst Mach zur Minimal Art ist sogar bereits gezogen worden. Peter Mahr („Ernst Mach – Gestaltwahrnehmung – Minimal Art“. In: Rudolf Haller, Friedrich Stadler (Hrsg.): Ernst Mach – Werk und Wirkung. Wien 1988, S. 404-431) verfolgt jedoch eine andere Argumentationslinie. Er fokussiert Machs Theorie der optischen Gestaltwahrnehmung und setzt sie in Beziehung zur Wahrnehmungsreduktion auf geometrische Grundformen in der Minimal Art.
[136] Dass Einstein Mach rezipiert hatte – wie viele andere, z. B. Robert Musil – ist gesichert, vgl. Oswald Wiener: „Beim Wiederlesen von Carl Einstein“. In: Rolf-Peter Baacke (Hrsg.): Carl Einstein. Materialien. Bd. 1: Zwischen Bebuquin und Negerplastik. Berlin 1990, S. 29-46 (hier S. 32 und 34).
[137] Carl Einstein: Negerplastik. Leipzig 1915, S. xxvi.
[138] Ebd.: ix.
[139] Ebd.: x.
[140] Ebd.: xi. Allerdings hat er selbst, in Bezug auf die – angeblich doch so der europäischen Bildhauerei entgegen gesetzte – afrikanische Plastik letztlich wieder hegelsche und hildebrandsche Topoi aktiviert: „[E]in Umgehen des Kunstwerks, ein Betasten muß verhütet werden“ (S. xv).
[141] Seine detaillierten Analysen der afrikanischen Plastik überspringen wir hier.
[142] Ebd.: xix. Einsteins Text spiegelt die ‚Irrationalität des Kubischen’ insofern auf der Textebene wider, da kaum verständlich ist, was die positiven Bestimmungen des ‚Kubischen’ eigentlich sind. Auch das mag man als Indiz für eine gewisse historisch-diskursive Dominanz der Fläche lesen, da es scheinbar keine (oder nur radikal neue und somit fremdartige) Worte für das Räumliche des Raums gibt. Vgl. Moritz Baßler: „Das Bild, die Schrift und die Differenz. Zu Carl Einsteins ‚Negerplastik’“. In: Christoph Brecht, Wolfgang Fink (Hrsg.): ‚Unvollständig, krank und halb?’ Zur Archäologie moderner Identität. Bielefeld 1996, S. 137-154 (hier S. 148-152).
[143] Vgl. Daniel-Henry Kahnweiler: „Das Wesen der Bildhauerei“ [1919]. In: ders.: Ästhetische Betrachtungen. Beiträge zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Köln 1968, S. 25-35 (hier S. 25). Es ist im Sinne unserer Argumentation bezeichnend, dass eine der positiven Bewertungen der Plastik auch im 20. Jahrhundert von einer eher randständigen Figur wie Kahnweiler ausgeht. Aber natürlich gibt es auch andere, weniger randständige Autoren – wie z. B. Kurt Badt.
[144] Ebd.: S. 26.
[145] Vgl. Körner: „Paragone der Sinne“, S. 365.
[146] Kahnweiler: „Wesen der Bildhauerei“, S. 27.
[147] Ebd.: S. 30.
[148] Ebd.: S. 31.
[149] Ebd.: S. 31/32.
[150] Ebd.: S. 33.
[151] Ebd.: S. 34.
[152] Unser Vorschlag stimmt also nicht mit Crarys ansonsten hervorragender Analyse in Techniken des Betrachters überein, da wir eine Koexistenz des entkörperlichten und des verkörperlichten Sehens, ihre Überlagerung und die meistens, aber nicht immer gegebene Dominanz des ersten behaupten – und nicht einen (mit Foucault) bruchartigen Übergang von einem entkörperlichten (‚Camera Obscura’) zu einem verkörperlichten Modell im frühen 19. Jahrhundert. Denn nicht nur gibt es das Modell eines flächenorientierten, optischen und so entkörperlichten Sehens gerade auch im Diskurs der (hoch)modernistischen Kunst des 20. Jahrhunderts (die in Techniken des Betrachters nicht erwähnt wird) immer noch und stark wie selten zuvor, sondern vielmehr gerät Crary mit seiner scharfen Kontrastierung der beiden Sehweisen in ein offenkundiges Problem: Obwohl das von ihm extensiv diskutierte, an die Binokularität des Körpers gebundene Sehen mit dem Stereoskop im 19. Jahrhundert so sehr dem Modus des verkörperten Betrachters zu entsprechen scheint, hat sich letztlich u. a. doch die flächige, monokulare Fotografie durchgesetzt und zwar – so Crary – nur deswegen, „weil sie die Fiktion, das ‚freie’ Subjekt der Camera Obscura sei immer noch möglich, wiederbelebte und fortsetzte“ (S. 139). Demgegenüber heißt es auf S. 24, dass der „systematische Bruch, zu dem unter anderem die Fotografie zählt [...] solche Ähnlichkeiten [auch die zur Camera Obscura] zur Bedeutungslosigkeit verkümmern“ lässt – ist die Durchsetzung der Fotografie, die doch auf diesen ‚fiktiven’ Ähnlichkeiten beruhen soll, bedeutungslos? Vgl. auch S. 25, wo er etwas unschlüssig bemerkt, dass „die Konzeption der Camera Obscura weiterexistierte“ und doch „beinahe [!] abgeschafft“ wurde. Also scheint das entkörperlichte Modell ja mindestens als ‚Fiktion’ (was immer das genau bedeutet) auch nach dem Bruch im frühen 19. Jahrhundert noch weiter zu bestehen. Der Autor räumt an anderer Stelle selbst ein, dass „ältere“ neben „neuen Formen“ durchaus fortexistieren könnten (S. 12 und vgl. auch S. 18 zu den „marginalen und lokalen“ Formen). Crarys oft ebenso allzu strikte und sequentielle, wie letztlich verschwommene Dichotomie – obwohl offen als „politische Entscheidung [...]“ (ebd.) ausgewiesen – führt so schließlich zu der etwas verwirrenden Pointe: „Die Vorgeschichte des Spektakels und die ‚reine Wahrnehmung’ der Moderne befinden sich auf dem neu entdeckten Territorium eines vollständig verkörperten Betrachters, aber ihr Triumph basiert letztlich auf der Verleugnung des Körpers [...]“ (S. 140). Vgl. Geoffrey Batchen: „Enslaved Sovereign, Observed Spectator: On Jonathan Crary, Techniques of the Observer“. In: Continuum. The Australian Journal of Media & Culture, Vol. 6, No. 2, 1991, S. 80-94 (hier: S. 85-88); David Phillips: „Modern Vision“. In: The Oxford Art Journal, Vol. 16, No. 1, 1993, S. 129-138 (hier: S. 135-137).
[153] Vgl. Die Bibel: 2. Mose 32. Vgl. Herder: „Einige Wahrnehmungen“, S. 72-74 und Kahnweiler: „Wesen der Plastik“, S. 33.
[154] Vgl. Martin Heidegger: „Die Zeit des Weltbildes“ [1938]. In: ders.: Holzwege. Frankfurt a. M. 71994, S. 75-114. Heideggers Konzept zufolge konstituiert sich die neuzeitliche Metaphysik dadurch, dass der Mensch als ‚Subjekt’ aus der Welt heraustritt und sich der Welt gegenüberstellt, die so fast buchstäblich zu einem ihm gegenüber stehenden (oder quasi an der Wand hängendem) ‚Weltbild’ wird, vgl. S. 89: „Wo die Welt zum Bild wird, ist das Seiende im Ganzen angesetzt als jenes, worauf der Mensch sich einrichtet, was er deshalb entsprechend vor sich bringen und vor sich haben und somit in einem entscheidendem Sinne vor sich stellen will“ (Hervorhebung, N.G./J.S).
[155] Boehm: „Wiederkehr der Bilder“, S. 37 und die Beispiele auf S. 38.
[156] Ebd.: S. 30 (Hervorhebung, N.G./J.S.). Vgl. Gottfried Boehm: „Bildsinn und Sinnesorgane“. In: Neue Hefte für Philosophie 18/19/1980, S. 118-132. Dort wird die „Identität des Bildes“ auf den „Maler“ und die „Fläche“ (120) bezogen. Auf S. 128 wird betont, dass die „Prämissen der Fläche“ innerhalb des „abgegrenzten Bildfeldes“, den „Bildbegriff“ gegenüber dem „variablen Erkenntnisrahmen“ der „[r]ealen Dinge“ auszeichnen.
[157] Boehm: „Wiederkehr der Bilder“, S. 29f.
[158] Bernstein: „Aporia of the Sensible”, S. 221.
[159] Vgl. Lev Manovich: The Language of New Media. Cambridge, Mass. und London 2001, S. 244-285.
[160] Das ist in gewisser Weise schon bei den verzeitlichten und vor allem narrativ vorstrukturierten Bildern des Kinos der Fall, bei interaktiven Bildern tritt aber dazu, dass der Betrachter handelnd auf die Ereignisse reagieren muss.
[161] Die Stereoskopie haben wir kaum thematisiert, aber sie wäre (wie ähnliche pseudo-dreidimensionale Bilder, z. B. die Holografie) ein interessanter Fall früher Formen der Verschiebung der Grenze zwischen Fläche und Raum – nicht zufällig kehrt sie gerade im Bereich des interaktiven Computerbildes verstärkt wieder.
[162] Vgl. Matthias Bickenbach: „Knopfdruck und Auswahl. Zur taktilen Bildung technischer Medien“. In: LiLi 117/2000, S. 9-32.
[163] Boehm: „Wiederkehr der Bilder“, S. 31.
[164] Obwohl immerhin Marshall McLuhan: Die magischen Kanäle [1964]. Basel 1994, S. 473 dem Fernsehbild „die Eigenschaften der Plastik“ zuschrieb.
[165] Antonin Artaud: „Das alchimistische Theater“ [1932]. In: ders.: Das Theater und sein Double. Frankfurt a. M. 1979, S. 51-56 (hier S. 52). Eine anderer, vielversprechender Bezug zwischen dem Theater und den virtuellen Räumen ist, dass die virtuelle Räume ein Probehandeln ermöglichen, ja dies ist der wesentliche Zweck der meisten wissenschaftlich oder militärisch genutzten Simulationen. Und dies war und ist in gewisser Weise auch in den fiktiven Räumen des Theaters möglich.