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Maya Deren

Der schöpferische Schnitt

Wie Tempo und Spannung, Raum und Zeit durch einfallsreich geplanten Aufbau kontrolliert werden können

Übersetzt von Saskia Reither und Jens Schröter. Korrigiert von Dagmar Wawrok

Viel wurde über die Techniken des Drehens - Belichtung, Linsen, Beleuchtung, Blickwinkel, Rahmung etc. - geschrieben, mit dem Ergebnis, daß der ernsthafte Amateur ohne weiteres ein kompetenter Kameramann werden kann.
Aber vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit wurde dem Umstand geschenkt, daß er auch sein eigener Cutter sein sollte; und die Tatsache, daß er beide Funktionen erfüllen muß, kann weit schönere Filme zur Folge haben, als bei einer strikten Arbeitsteilung zwischen den beiden Aufgaben.
Dies bedeutet, daß er in der Lage ist, für das Schneiden zu drehen. Denn, wenn er die endgültig geschnittene Fassung seines Films im Kopf hat, kann er Filmmaterial sparen, indem er beispielsweise einen Raum aus dem Blickwinkel filmt, der am logischsten aus der vorhergehenden Einstellung folgt, statt dieselbe Handlung aus drei Blickwinkeln zu filmen und dann zwei davon fallenzulassen. Noch wichtiger ist, daß jedes Detail einer Einstellung - die Richtung aus der das Licht kommt, der Rhythmus und die Geschwindigkeit der Handlung, ob die Person die Einstellung betreten oder sich schon in ihr befinden soll - akribisch entworfen werden kann, um bruchlos aus dem Ende der vorhergehenden Einstellung hervorzugehen, gleich ob diese schon aufgenommen wurde oder nicht. Diese vollkommene Kontrolle des Films macht, wenn sie bewußt ausgeübt wird, eine zwingende Kontinuität im Endprodukt möglich.
Es muß sicherlich klar sein, daß ein Film nicht aus einzelnen Einstellungen, wie lebhaft, aufregend oder interessant sie auch immer sein mögen, besteht, sondern daß letztlich die Aufmerksamkeit von der Weise wie die Einstellungen zusammengefügt wurden, von der Beziehung zwischen ihnen, aufrechterhalten wird. Wenn von der Funktion der Kamera als dem sehenden, registrierenden Auge gesprochen werden kann, dann kann die Funktion des Schnitts als der denkende, verstehende Geist bezeichnet werden. Damit will ich sagen, daß die Bedeutung, der emotionale Wert einzelner Eindrücke, die Verbindung zwischen einzeln beobachteten Fakten bei der Filmherstellung die schöpferische Verantwortung des Schneidens ist.
Beispielsweise ist die zeitliche Länge, die man einer Einstellung beimißt, bereits eine Feststellung ihrer Wichtigkeit. Stellen wir uns vor, jemand möchte zeigen, wie eine bestimmte Person ein großes Gebäude (eine Einrichtung, die auf irgendeine Weise identifiziert werden muß) betritt, um dort irgend etwas zu erreichen. Dies würde wahrscheinlich zwei aufeinanderfolgende Einstellungen nahelegen: Eine Weitwinkel-Einstellung über die Straße wäre nötig, um das Gebäude zu identifizieren, und eine Naheinstellung (vielleicht ein Schwenk) um die hineingehende Person zu zeigen und zu identifizieren. Es ist gut möglich, daß die Weitwinkel-Einstellung des Gebäudes, durch Untersicht in seiner Höhe übertrieben, bildlich sehr viel interessanter sein mag als die Nahaufnahme, der Schwenk. Aber niemand würde beide Einstellungen für die gleiche Zeitdauer auf der Leinwand zeigen.
Wenn die Handlung des Hineingehens in das Gebäude wichtig wäre (sagen wir als Teil des Plots), dann würde jede langatmige Darstellung der Architektur die Handlung verzögern und der eigentlichen Erscheinung des Gebäudes ein Gewicht verleihen, das in Bezug auf die Handlung ungerechtfertigt wäre. Man würde die Einstellung des Gebäudes nur so lange halten, wie zu seiner Identifizierung nötig ist, und dann so schnell wie möglich zur Fortsetzung der Handlung zurückschneiden.
Angenommen, daß im Fortlauf der Handlung die Person andererseits davon geträumt hat, zu diesem Ort zu kommen - daß das Gebäude (vielleicht eine Universität) für sie einen Platz darstellt, an dem Hoffnungen erfüllt werden können, wo sie es sich für eine lange Zeit heimisch machen will oder dergleichen. In einem solchen Fall wäre die Schneidezeit der beiden Einstellungen genau umgekehrt, weil die Kamera als ein Auge das Gebäude in den Blick nehmen und fixieren, vielleicht sogar liebevoll über seine Architektur schweifen würde. Bildlich gesprochen würde diese lange, auf das Gebäude verwendete Zeit die Idee vermitteln, daß die Struktur selbst, als ein "Ort", für die betreffende Person wichtig wäre.
Im Vorgang des Schneidens also dient die Dauer nicht nur dazu, etwas zu zeigen und zu identifizieren, sondern ist auch ein Ausdruck des Werts und der Wichtigkeit. In der Bestimmung der Länge der Dauer muß die relative Wichtigkeit jeder Einstellung sorgfältig abgewogen werden. Und wenn dies von derselben Person, die dreht, getan wird, wird es nur eine geringe Menge an Filmmaterial geben, das im Mülleimer endet (oder enden sollte).
Das Timing im Sinn von Dauer kann tatsächlich ein noch wichtigeres Element werden, wenn es Spannung erzeugt. Hier wird es zur Angelegenheit der Beziehung zwischen der Dauer des Objekts oder der Handlung in der Einstellung oder der Dauer der Einstellung selbst. Ich neige dazu zu sagen, daß im allgemeinen (es mag in spezifischen Fällen Ausnahmen geben), wann immer die Dauer der Einstellung die Dauer der Handlung übertrifft, die Spannung abnimmt und vice versa. Aus diesem Grund würde eine statische Einstellung eines Gebäudes langweilig werden, wenn sie länger gehalten wird, als für die Identifikation oder Würdigung des Gebäudes nötig; die aktive Neugierde des Auges ist sehr bald befriedigt.
Darüber hinaus sehen wir in einer statischen Einstellung etwas, das, wie wir wissen, länger andauert als die Dauer der Einstellung. Wir wissen, daß dem Gebäude nichts bedenkliches zustoßen wird, nachdem wir es nicht mehr sehen und folglich gibt es keine Spannung. Aber beispielsweise kann eine statische Einstellung von einer Person, die auf einem Bein balanciert, viel länger beibehalten werden, weil wir wissen, daß die Handlung irgendeinen Abschluß haben muß; und daher nimmt die Spannung zu, je länger wir zusehen, bis schließlich die Person tatsächlich hinfällt, die Handlung abgeschlossen und unsere Antizipation befriedigt ist und wir entspannen.
Es ist das Phänomen der Dauer als Spannung, das erklärt, warum die Zeitlupe - die in sich eine sehr geringe Aktivität haben mag - oftmals größere Spannung erzeugt als normale oder sehr schnelle Bewegung. Denn die Spannung besteht nämlich in unserem Begehren, unsere Erwartungen erfüllt zu sehen.

[...]

Das Prinzip des In-Handlung-Schneidens [cutting into action] ist grundlegend für das ganze Problem der Kontinuität eines Films [...]. Das Versäumnis, die Wichtigkeit dieser Technik zu begreifen, erklärt das stotternde Tempo vieler Amateur-Filme. Immer wieder wird eine Handlung bis zu ihrer Vollendung gezeigt. Unsere Erwartung ist befriedigt, um nicht zu sagen übersättigt. Wir entspannen, und die folgende Handlung ist eine neue, die von vorne beginnen muß, unser Interesse und unsere Aufmerksamkeit zu wecken.
Dies ist ein so wichtiger Beitrag zur Intensität und Kontinuität, daß ein Film tatsächlich so geplant werden sollte, daß ein Maximum seiner Schnitte in der Handlung auftritt. Sagen wir ein Ereignis besteht aus zwei, durch eine Pause getrennte Zeitspannen von Handlung, wie wenn eine Person zu einem Tisch kommt, sich einen Stuhl nimmt und sich hinsetzt. Diese Handlung muß in zwei Teilen gefilmt werden, eine die Annäherung zeigende Totale und eine nähere Einstellung, die - sagen wir - die Details des Dinners zeigt, das die Person sogleich einnehmen wird.
Normalerweise (und setzen wir voraus, daß wir die Handlung normal darstellen wollen) gibt es in dem Moment eine Pause, in dem die Person den Tisch erreicht und sich anschickt, den Stuhl vorzuziehen. Die Versuchung liegt nahe, ihren Gang und die Ankunft in der Totale zu drehen und die Naheinstellung mit dem Vorziehen des Stuhls zu beginnen, wobei der Schnitt in der Pause zwischen diesen Handlungen stattfindet. Aber ein viel stärkeres Interesse, eine viel stärkere Kontinuität und Spannung würden erzeugt werden, indem man entweder die Totale genau dann abschneidet, wenn die Person stoppt und zur Nahaufnahme mit ihrer Ankunft (Eintreten in das Bild) übergeht, dann die Pause setzt und schließlich das Vorziehen des Stuhls zeigt - oder wenn man die Totale hält, bis die Person angefangen hat, den Stuhl vorzuziehen und dann auf die Naheinstellung umschneidet, nachdem die Bewegung des Stuhls bereits begonnen hat.
Offensichtlich verlangen derartige Verfahren, daß vor jeglichem Drehen über das Schneiden entschieden wird, ausgenommen natürlich, man kann es sich leisten, Filmmaterial zu verschwenden, so wenn man die ganze Episode sowohl in der Totale als auch in der Naheinstellung dreht und später die Hälfte von jedem wegwirft. Es ist schwierig, die Schere an den eigenen Film anzulegen, doch das Opfer einiger weniger Frames der Handlung - jene Frames, die sie zum Anhalten bringen - ist durch den glatten, zwingenden Fluß des Films, der damit erzielt wird, gerechtfertigt.
Man kann die zwingende Kontinuität der Dauer nicht genug schätzen, die eine über die Klebestelle [splice] hinaus verlängerte Bewegung erzeugt. Eine Voraussetzung für dieses Verfahren ist offensichtlich ein konsequenter Umgang mit Tempo oder Rhythmus der Bewegung. Aber sobald diese erreicht ist und sorgfältig kinematographisch zugespitzt wird (Blickwinkel, Licht etc.), kann sie dazu benutzt werden, Orte zusammenzuhalten, die in der Wirklichkeit vollständig getrennt sind.

[...]

Diese Technik kann sogar noch einen Schritt weiter (oder genauer, in eine andere Richtung) geführt werden, um sich wiederholenden Handlungen den Eindruck zu verleihen, kontinuierlich stattzufinden. Denn immer wenn eine Bewegung nicht abgeschlossen ist, meinen wir, daß die folgende Bewegung eine Weiterführung der unvollendeten ist.

[...]

Wenn das In-Bewegung-Schneiden [cutting into movement] die wichtigste Quelle für Spannung und Kontinuität in einem hundertfünfzig Fuß langen Film ohne Ausrichtung auf eine Geschichte sein kann1, dann kann es für die Lösung von einfacheren Sequenzen, in denen das Interesse zusätzlich durch die Handlung von Charakteren, einer Geschichte [story plot] und bekannte Charaktere aufrechterhalten wird, sicherlich Wunder vollbringen.

Part II

Kontrollierte Unterbrechungen erzeugen weitere Illusionen in Kino-Zeit und Kino-Raum

[...]

Aber Dauer und Kontinuität können ebenso durch eine sehr sorgsame und geschickte Handhabungen der Unterbrechungen erzielt werden. Bekannt als Kreuzschnitt2, setzt diese Methode voraus, daß die Handlung, selbst während einer Zeitspanne, in der sie nicht gezeigt wird, als kontinuierlich verstanden wird.
Die gebräuchlichste Verwendung des Kreuzschnitts [intercut] ist in einer Beziehung zwischen zwei Personen zu finden, die dazu gedacht ist, Kommunikation zwischen ihnen zu vermitteln. Die Einstellungen sind als "Aktion, Reaktion, Aktion" geschnitten, wie wenn man eine Großeinstellung von jemandem hat, der spricht, von jemandem, der antwortet, und dann wieder von der ersten Person, die eine Antwort zurückgibt. In diesem Fall wird die von der einen Person eingeleitete Handlung von der anderen Person vorangebracht und im Wechsel wieder von der ersten Person weitergeführt oder vollendet.
Wenn diese Interaktion aufrechterhalten werden soll, müssen die individuellen Handlungen unterbrochen werden. Der Ball muß zwischen ihnen im Spiel bleiben und darf nicht zu einer langwierigen Ruhepause auf einer der beiden Seiten kommen. Wenn das Timing dieses Wechselspiels schnell genug und die Situation oder Aktivität von jedem einzelnen Abschnitt intensiv genug ist, um einprägsam zu sein, ist es möglich, eine Illusion von sich simultan an verschiedenen Orten ereignenden Handlungen zu erzeugen. Dies ist der Fall in parallelen Handlungssequenzen, während wir abwechselnd die gefährliche Notlage der Heldin sehen, die unmittelbar davon bedroht ist, von einem Zug überfahren zu werden, und die heftigen Anstrengungen des Helden, der zu ihrer Rettung hastet. Das Timing sowohl der Handlung als auch des Schnitts ist furios, und der schnelle Wechsel von einer Handlung zur anderen vermittelt den Eindruck, daß sie sich simultan ereignen und aufeinander bezogen sind.
Es ist jedoch ebenso möglich, nicht nur eine zeitliche Simultaneität, sondern auch ein Gefühl unmittelbarer räumlicher Beziehung (auch wenn letztere eigentlich nicht der Fall ist) mit einem langsameren Schnitt zu erzeugen, sofern man während des Drehens der Orientierung der Person im Bild [frame] sorgsam Aufmerksamkeit schenkt. Wenn eine Person mit deutlichem Blick nach links gefilmt wird (und sich damit ausdrücklich auf etwas links außerhalb des sichtbaren Bildes bezieht), und wenn darauf, sagen wir, eine Einstellung einer Person mit deutlichem Blick nach rechts folgt, so entsteht dadurch der unausweichliche Eindruck, daß sie sich gegenseitig ansehen. Offensichtlich müssen entweder beide oder doch wenigstens einer von ihnen in Großaufnahme gezeigt werden; viel Raum um beide zu zeigen würde heißen, den Eindruck ihrer Nähe zu zerstören.
Es ist eine Tatsache, daß die Kontinuität, die durch explizit räumliche Orientierung erzeugt wird, sogar im Zusammenhalten von Plätzen, die in Wirklichkeit getrennt sind, genauso zwingend sein kann wie eine kontinuierliche Bewegung. In meinem letzten Film gibt es eine Großeinstellung eines jungen Mannes, der aufmerksam in Richtung des rechten Bildrandes blickt (diese Einstellung wurde in New York gemacht); darauf folgt eine Einstellung eines diagonal vom linken zum rechten Bildrand davonlaufenden Mädchens - diese Einstellung wurde an einem Strand in Long Island gefilmt. Die Übereinstimmung der Richtung (zuvor wurde festgesetzt, daß sie vor ihm davonläuft) ist hier verantwortlich für den Eindruck, daß sie am selben Ort zur selben Zeit sind.
Wenn jedoch solche räumliche Orientierung von der Kontinuität der Bewegung unterstützt wird [...], ist es möglich, eine ganz und gar außerordentliche simultane Anordnung zu schaffen.

[...]

Man kann durch solch ein Verfahren nicht nur verschiedene Zeitabschnitte simultaneisieren, sondern auch verschiedene Ordnungen der Zeit so wirken lassen, als ob sie sich zeitgleich ereigneten. In der Anfangssequenz von Ritual in Transfigured Time gibt es eine Szene, in der eine Frau ein Wollknäuel aufwickelt, während eine andere Frau den dazugehörigen Strang hält. Sie werden erst einander gegenübersitzend und sich gegenseitig ansehend gezeigt. Nachdem dies etabliert worden ist, werden halbnahe Einstellungen von jeder der beiden im Profil abwechselnd kreuzgeschnitten [intercut]. Wie dem auch sei - während die Frau, die das Knäuel aufwickelt, dies in einem konstanten Tempo bei normaler Geschwindigkeit (24 Frames in der Sekunde) tut, ist jede folgende Einstellung der Frau mit dem Strang zunehmend in Zeitlupe gedreht; der erste Gegenschuß von ihr liegt bei 24 Frames in der Sekunde, der zweite bei 48, der dritte bei 64 und der vierte bei 128. Die Zeit der einen Frau bleibt also in der normalen Ordnung, während die der anderen zunehmend in Zeitlupe übergeht; aber sie scheinen durch den Kreuzschnitt simultan stattzufinden.
Das Drehen und Schneiden kann nicht ohne verheerende Resultate getrennt angegangen werden, wie jeder zugeben wird, der eine große Sammlung seltsamer, improvisierter Einstellungen von einem Urlaub mitgebracht hat und sie nicht zu einem Film zusammenfügen konnte. Wie exzellent die bildhafte Qualität dieser einzelnen Einstellungen auch sein mag, sie passen einfach nicht zu einem Film von irgendeiner spürbaren Form oder Kontinuität zusammen, außer vielleicht dort, wo zahlreiche Einstellungen zufälligerweise den Rhythmus, die Richtung oder manche andere schnittechnisch verwendbare Beziehungen teilen.
Einer der Faktoren, der zu diesem Zustand beitragen mag ist, daß der belichtete Film bereitwillig angesammelt und nach der Rückkehr nach Hause in einem Stoß entwickelt wird. Wenn Filmemacher alles in ihrer Macht stehende aufwendeten, um zu sehen, was sie bereits gedreht haben, bevor sie weiterdrehen, wären sie meiner Meinung nach in der Lage, mit dem endgültig geschnittenen Film im Kopf zu drehen. Eigentlich wäre es für mich unmöglich gewesen, meine Filme während des Krieges zu machen, wenn nicht der von mir verwendete monochrome Film von Ansco schnell genug für mich entwickelt worden wäre, so daß ich die Eile eines Arbeitstages vor dem Fortfahren sehen konnte; denn, gleichgültig wie sorgfältig die Planung auf dem Papier auch war, sieht man den Rhythmus der Bewegung, die später aufrechterhalten werden oder den Richtungsbezug, dem im Gegenschuß geantwortet werden muß, erst präzise im eigentlichen Film.
Sobald das Schneiden als ein organischer Teil der Planung eines Films in dem Sinne verstanden wird, daß man für den Schnitt dreht, so denke ich ist es mittlerweile offensichtlich, daß die Kombinationen, die zwischen Bewegungen über Klebestellen hinweg ausgearbeitet werden können, ebenso wie das Timing, die räumliche Orientierung innerhalb des Bildes etc., endlos oder doch zumindest aufregend reichhaltig sind.
Es gibt keine Regeln die besagen, wann und wo eine Naheinstellung auf eine Totale folgen soll oder vice versa, da dies nicht als ein Problem des Schneidens unabhängig von der Kameraarbeit und dem Film als Ganzem gedacht werden kann. Unter bestimmten Bedingungen muß eine Nahaufnahme auf eine Nahaufnahme folgen, so bspw. wenn die Nähe von Leuten dargestellt werden soll, die in Wirklichkeit getrennt sind. In anderen Fällen würde ein solches Verfahren nicht einmal Sinn machen, und noch weniger Spannung oder Kontinuität erzeugen oder irgendeinem anderen Vorzug des Films dienen.
Mit all diesen Möglichkeiten, die dem Filmemacher zur Verfügung stehen, ist es unvorstellbar, warum die schöpferischen Möglichkeiten der Schnitt-Planung [editorial planning] länger ignoriert werden sollten.

1 Deren spielt hier auf ihren Film Ritual in Transfigured Time an, A.d.Ü.

2 Deren benutzt hier den Begriff "Intercutting", der am ehesten als Cross Cutting, d.i. als Schuß/Gegenschuß, also als Kreuzschnitt übersetzt werden kann, A.d.Ü.