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JENS SCHRÖTER
DAS MALEN DES MALENS Die Frage, ob und wie die Malerei
zeitlich ausgedehnte Vorgänge darstellen kann, obwohl die von ihr erzeugten
Bilder selbst unbewegliche Flächen darstellen, ist nicht neu. Bereits
Lessing schied in seinem Laokoon-Aufsatz streng zwischen Kunstformen, die selbst
in der Zeit ablaufen und solchen, die aufgrund ihrer eigenen Immobilität
gezwungen sind, zur Darstellung von Zeit einen besonderen,
„prägnantesten“ Augenblick zu wählen, aus dem sofort
hervorgehen soll, was ihm vorhergeht (Vergangenheit) und was ihm nachfolgt
(Zukunft). [1] So könnten die
‘statischen’ Kunstformen zeitliche Ausdehnung darstellen. Diese
Auffassung impliziert, daß Zeit und Bewegung voneinander untrennbar sind.
Jeder Prozeß, jede Art von Veränderung ist eine Form von
Bewegung, [2] hat als solche eine
zeitliche Ausdehnung und setzt damit die Zeit voraus. Umgekehrt macht es nur
Sinn von einer Zeitspanne zu sprechen, wenn es Bewegungen gibt, die diese
ausfüllen: “Zeit wird uns bewußt durch Bewegung im
Raum“. [3] Lessings
prägnantester Augenblick muß also gleichsam die Bewegung durch
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hindurch auf einen Punkt verdichten. Obwohl
seine strikte Trennung zwischen Raum- und Zeitkünsten heute obsolet
erscheint, [4] bleibt festzuhalten,
daß seine Konzeption auf eine antike Auffassung von Bewegung verweist,
nach der es in Prozessen bzw. Bewegungen einen ‘idealtypischen’
Moment gibt (oder zumindest soll er aus Bewegungen malerisch synthetisierbar
sein), der die ‘Quintessenz’ des Ganzen in einem Augenblick
ausdrückt: [5] „Für die
Antike verweist die Bewegung auf intelligible Elemente: Formen oder Ideen, die
selbst ewig und unbeweglich sind. Natürlich wird man zur Rekonstruktion der
Bewegung solche Formen möglichst nah an ihrer Aktualisierung im
Materiestrom erfassen. [...] Eine so aufgefaßte Bewegung besteht also im
Übergang von einer Form zur anderen, das heißt in einer Ordnung von
Posen oder von hervorgehobenen Momenten [sic!] wie in einem
Tanz.“ [6] Dieser
Bewegungs-Konzeption entspricht die Darstellung von pluraler Zeit in einem
Singularraum. Hier werden in einem homogenen Raum verschiedene für sich
bedeutungstragende (‘herausgehobene’) Momente eines Ganzen simultan
dargestellt. Dem widerspricht nicht, daß Baudson ausdrücklich betont,
daß es „keine Ewigkeit des Augenblicks mehr durch die
Intensität des Augenblicks [gibt], sondern eher eine Ewigkeit des
privilegierten Ortes, dem einheitlichen raum-zeitlichen Rahmen der
unterschiedlichen
Handlungsszenen.“ [7] Der
Vervielfältigung und simultanen Darstellung herausgehobener Momente in
einem homogenen Raum liegt immer noch Lessings Annahme zugrunde, daß eben
bestimmte Momente optimal in der Lage seien, ihr Davor und Danach zu evozieren
und so die Rekonstruktion eines kontinuierlichen zeitlichen Prozesses anhand
bestimmter Ausschnitte aus demselben zu leisten. Das bedeutet nicht, daß
dieser zeitliche Prozeß linear, von einer Vergangenheit in eine Zukunft
strömend, gelesen werden müßte. Zu Der Hl. Franziskus und Szenen
aus seinem Leben von Berlinghieri merkt Baudson an: „Das Werk erfordert
einen ersten globalen Blick von Seiten des Betrachters; die Details aus dem
Leben des Heiligen erscheinen ihm nicht wie eine Erzählung, sondern eher
wie Erklärungen, Kommentare zu einem Ganzen [Hervorheb.,
J.S.].“ [8] Hieran wird dieser
Aspekt deutlich. Die Szenen aus dem Leben des Heiligen sind nicht chronologisch
entlang einer Achse geordnet, jedoch sind es bestimmte Momente eines zeitlichen
Ganzen, das sich über die Szenen hinaus und zwischen ihnen
‘hindurch’ erstreckt und von dem die Szenen ausgewählte,
statische, ‘typische’ Ausschnitte repräsentieren sollen.
Baudson weist daraufhin, daß der Raum in der simultanen Darstellung
insofern Priorität genießt, als er homogen und kontinuierlich ist,
während die Zeit in hervorgehobene Momente, „transzendente
Formelemente“, [9] zerlegt ist,
deren simultane Repräsentation Rückschlüsse auf ein
größeres Ganzes zuläßt. Deleuzes Begriff der
‘transzendenten Formelemente’ verweist auf eine höhere, rein
intelligible oder nur noch im Glauben zu erfassende Sphäre (das
‘Ganze’), die sich in den besonderen Momenten aktualisiert. Und
tatsächlich zeigen die Beispiele, die Baudson für die simultane
Darstellung anführt, genau auf diesen Punkt: Es sind stets Darstellungen
von Heiligenviten, der Schöpfungsgeschichte, des Leidensweges Christi, der
Sintflut, der Verbannung Adams und Evas aus dem Paradies usw. Diese aus dem
Ganzen der Geschichte hervorgehobenen Momente repräsentieren nicht
irgendeinen beliebigen Ausschnitt der Zeit, sondern ganz besondere Momente, die
für die Menschwerdung des Menschen und sein Verhältnis zum
Göttlichen von entscheidender Bedeutung sind. Diese simultane Darstellung
bezeichnet Baudson auch als synthetisch, „indem mehrere unterschiedliche
oder aufeinanderfolgende Augenblicke eines Erlebnisinhaltes in einem
‘einzelnen Raum’
aufeinandertreffen.“ [10] Die
Wendung in der Auffassung der Bewegung und damit der Zeit, die den Übergang
zur kinematischen Darstellung markiert, beginnt an dem Punkt, wo die Bewegung
und die ihr zugrundeliegende Zeitspanne durch die Existenz von
‘herausgehobenen Momenten’ nicht mehr als heterogen erscheint. Hier
ist insbesondere der Schock zu nennen, den die Chronophotographie Mareys und
Muybridges auf die malerische Darstellung von Bewegung ausgeübt hat. Auch
in der Malerei, die sich von der Darstellung transzendenter Szenarien abgewandt
hatte, wie z.B. Géricaults Course de Chevaux à Epsom (Abb. 1,
1821, 92 x 122.5 cm, Louvre Paris), war die notwendigerweise auf einen
Augenblick kontrahierte Bewegung des Pferdes im Galopp noch immer eine
synthetische Darstellung eines optimalen Moments, „aus welchem das
Vorhergehende und Folgende am begreiflichsten
wird“, [11] - nämlich die
Bewegung in der Zeit. Rodin merkte zu diesem Bild an: „Als Ganzes
genommen, wirkt das in seiner Gleichzeitigkeit natürlich falsch; betrachtet
man aber die einzelnen Phasen nacheinander, so wirkt der Eindruck durchaus
richtig [Hervorheb., J.S.], ja, man hat dann die einzige Wahrheit, die für
uns von Wichtigkeit ist, weil wir sie tatsächlich sehen, und sie uns
lebhaft fesselt.“ [12] Obwohl
Rodin für die Malerei plädierte, wirkt in dieser Äußerung
der Schock der Chronophotographie nach, denn er zerlegt unwillkürlich die
synthetische Pose Géricaults in die einzelnen Bewegungsphasen. Mithin
vollzieht er also genau den Prozeß nach, mit dem die Chronophotographie
bewiesen hatte, daß kein der Bewegung transzendenter,
„prägnantester“ Augenblick wirklich existiert, sondern
daß Bewegung als „Funktion eines beliebigen
Moments“ [13] begriffen werden
müsse. Die synthetische Darstellung, also simultane, hervorgehobene Momente
in einem homogenen Raum, weicht der kinematischen, sukzessiven Darstellung der
einzelnen, beliebigen Momente einer Bewegung. Da die kinematische Darstellung
keinen Moment der Bewegung und auch damit keinen Zeitpunkt als irgendwie
bevorzugt anerkennt, ist es nur konsequent, daß sie zu „neuen
künstlerischen
Perspektiven“ [14] führen
mußte. Hier stoßen wir erneut auf den interessanten Punkt, daß
mit einem bestimmten Typ von Zeit-Darstellung ein bestimmter Gegenstands-Bereich
tendenziell zu korrespondieren scheint: Waren es bei der synthetischen
Darstellung vorwiegend Themen der christlichen oder antiken Ikonographie, so
finden wir in Baudsons Text über die kinematische Darstellung vorwiegend
Beispiele, die eine Abkehr von der gegenstandsbezogenen Malerei andeuten (Balla,
Delaunay, Malewitsch). [15] Dieser
Zusammenhang läßt sich damit begründen, daß eine
synthetische Darstellung die Bewegung zu einer bestimmten Pose synthetisieren
muß. Diese Pose erhält die gegenständliche Form des
Dargestellten, da diese in der Abbildung nicht ‘zerfließt’
oder sich in verschiedene Bewegungsphasen verflüchtigt, sondern genau einen
bestimmten, signifikanten, prägnantesten Moment in Ruhe zeigt. Zudem
muß sich - wie oben schon erwähnt - diese ‘typische’ Pose
auf ein intelligibles
Referenzmodell [16] beziehen, das
diesen, jeweiligen Moment als besonders hervorragend gegenüber jedem
anderen Moment ausweist. Im Rahmen einer weltanschaulichen Referenz wie
besipielsweise dem Christentum ist eine Predigt Christi an die Apostel nicht
irgendeine beliebige Predigt, ebensowenig wie der Judaskuß irgendein
Kuß oder irgendein Verrat unter anderen ist: Es ist der welthistorische
Verrat schlechthin, durch den Christus seine Mission erfüllen und am Kreuz
sterben kann. [17] Hans
Holländer merkt dazu an: „Das ist überhaupt der Zentralbereich
einer ‘Ikonographie des Augenblicks’. Mythische Themen wie
Pygmalion, Daphne, Orpheus und Eurydike, Narziss gehören dazu,
alttestamentliche Visionen, etwa die Ezechielvisionen, sodann aus dem neuen
Testament die Augenblicke eines Wunders, einer plötzlichen Erkenntnis,
einer Entscheidung und einer
Vision.“ [18] Holländers
‘Augenblick’ ist eng verwandt mit dem, was hier in Bezug auf die
synthetische Darstellung der ‘herausgehobene’,
‘prägnanteste’ Moment genannt wurde, also ein dargestellter
Moment, der kein chronophotographisch erfaßtes Bruchstück der
Bewegung, sondern eine aus bestimmten simultan überlagerten Phasen
gewonnene Pose höchster Ausdruckskraft darstellt: „Mit der simultanen
Gegenwärtigkeit des Ungleichzeitigen - also der
Bewußtseinszustände der Beteiligten, entzieht sich das Bild der
bloßen Zeitfolge und stellt etwas dar, das sich außerhalb dieses
Kontinuums befindet, dem alle Apostel ja ausdrücklich angehören. Der
Augenblick der Entscheidung ist also kein Zeitpunkt, sondern die simultane
Präsenz des ‘vorher’ und ‘nachher’ [Hervorheb.,
J.S.].“ [19] Da Bewegung nach
dem medialen Einschnitt der Chronophotographie in beliebige Momente zerlegbar
erschien, sind alle Momente gleichrangig, kein besonderer Moment drängt
sich hervor, der als solcher dargestellt werden müßte (die
„bloße Zeitfolge“). Wie Mareys Plastik Die Flugphasen der
Möwe oder Duchamps Gemälde Nu déscendant un éscalier No.
2 (Abb. 2, 1912, 146 x 89 cm, The Philadelphia Museum of Modern Art) zeigen,
erscheint es nun möglich, die gesamten, gleichwertigen Bewegungsphasen
eines Objektes zu einer malerischen Form zu vereinigen. Dies bedeutet die Abkehr
von der festen, ruhenden, gegenständlichen Form der Objekte. Da die
Bewegungsphasen gleichwertig sind und damit die Bewegung nun homogen erscheint,
erübrigen sich für die kinematische Darstellung auch Referenzmodelle,
wie z.B. christliche und antike Mythologien. Dies führt auch zu einer
Abkehr von traditionellen
Ikonographien, [20] die bestimmte
„Augenblicke eines Wunders, einer plötzlichen Erkenntnis, einer
Entscheidung und einer Vision“ (Holländer) gefordert hatten.
Dies zeigt, daß von den zwei grundlegenden Darstellungsverfahren
von Bewegung in der Malerei (zumindest tendenziell) ein je anderes
Verhältnis zur Gegenständlichkeit und damit zur Darstellung des Raumes
impliziert wird. So findet die synthetische Darstellung in „der
Perspektivkonstruktion zum perfektionierten
Ausdruck“, [21] da dieser
homogene Raum als
„szenographischer“ [22]
Raum für die verschiedenen, simultan erscheinenden, prägnanten Momente
dient. Dagegen drängt die kinematische Darstellung zur Aufhebung des
perspektivischen Illusionsraumes. Das Interesse der Malerei verlagert sich quasi
von den im zentralperspektivischen Raum ruhenden Körpern im
‘prägnantesten Augenblick’ hin zur Darstellung der Bewegung
selbst. [23] Diese Tendenz, die
Bewegung als autonomes, für sich darstellungswürdiges Detail zu
betrachten und von den konkreten Objekten abzulösen, spiegelt eine Tendenz,
die Francastel als eine, die Renaissance-Konzeption des zentralperspektivischen
Raums zurückdrängende, „Zerstörung des plastischen
Bildraums“ in der „Epoche [...], in der das Photoobjektiv eine
wichtige Rolle spielt“ begreift: „Vorbei auch die Regel, wonach man
auf dem Hintergrund nur komplexe Einheiten darstellt: die Kunst entdeckt das
autonome Detail [z.B. die Bewegung, J.S.]. Bisher war der Raum immer als eine
Sphäre betrachtet worden, in die Objektsysteme eingetaucht waren; man
stellte den Raum, wenn man so will, nur dar, indem man verschiedene Dinge
gleichzeitig in einem Rahmen zusammengefaßt zeigte; von nun an entdeckt
man die Möglichkeit, die Vorstellung des Raums, ausgehend von der
Darstellung eines Details, zu vermitteln. Auf diese Weise wird der traditionelle
Gesichtspunkt nach und nach aufgegeben.“
[24]Das Malen ist selbst eine
Bewegung im Raum, das heißt ein zeitlich ausgedehnter Prozeß. Seine
malerische Darstellung erfordert also auch Verfahren, um seine zeitliche
Ausdehnung in das unbewegte,
zeit-lose [25] Bild der Malerei zu
transformieren. Nach unseren Überlegungen stehen die
synthetische [26] und in der Moderne
die kinematische Darstellung zur Verfügung. Als Beispiel für
das erste Verfahren eignet sich die Allegorie der
Malkunst [27] von Jan Vermeer van
Delft (Abb. 3, um 1665, 120 x 100 cm, Kunsthistorisches Museum Wien): Der Maler
sitzt auf einem Hocker, den Rücken wendet er dem Betrachter zu. Er sitzt
vor seiner Staffelei, auf der eine in hellgrau gehaltene Leinwand aufgestellt
ist. Seine Hand ruht auf dem Malstab, einen Pinsel haltend. Auf der Leinwand
sehen wir den bereits weitgehend in blau-grün fertiggemalten Lorbeerkranz
seines Modells, welches tiefer im Raum vor einer großen Wandkarte der
Niederlande steht. Es ist mit eben jenem Lorbeerkranz bekränzt, ein gelbes
Buch und eine Trompete haltend. Unterhalb des Armes des Malers ist auf der
Leinwand eine in weiß ausgeführte Umrißskizze zu erkennen, die
das werdende Bild als halbfigurige Darstellung ausweist.
Schon diese Beschreibung impliziert eine gegenständliche Darstellung.
Die dargestellten Gegenstände und Figuren sind plastisch modelliert, und so
ist auf der Bildfläche die Farbe zu einem „Objektsystem“ in
einem „szenographischen Raum“ (Francastel), der „seichte[n]
Bühne des Bildes“, [28]
organisiert. Asemissen lokalisiert den Fluchtpunkt dieser perspektivischen
Raumorganisation „ein paar Zentimeter schräg links unter der
Holzkugel der
Kartenstange“. [29] Diese
Anmerkungen zur Gegenständlichkeit und zur Raumorganisation von Vermeers
Darstellung legen nach den obigen Überlegungen ein Bewegungskonzept nahe,
das dem Lessings entspricht. Also müßte in der Allegorie der Malkunst
ein ‘prägnantester Augenblick’ für die Darstellung
gewählt worden sein, „aus welchem das Vorhergehende und das Folgende
am begreiflichsten wird“. [30]
Und tatsächlich: Auf der Leinwand sehen wir, was der Maler bereits gemalt
hat (Vorher), nämlich den Lorbeerkranz, und was der Maler noch malen wird
(Nachher), die Umrißskizze. Der dargestellte Moment ist also einer, aus
dem hervorgeht, daß der Malprozeß eine zeitliche Ausdehnung hat,
daß er Bewegung im Raum ist. Wäre das Bild im Bild bereits fertig
oder wäre nur die Umrißskizze zu sehen, würde diese zeitliche
Ausdehnung nicht so ‘prägnant’ zum Ausdruck kommen. Aber oben
ging auch hervor, daß dem prägnantesten Moment eine
heterogenisierende Bewegungskonzeption zugrundeliegt, die bestimmte Posen in
Bezug auf ein Referenzmodell als eben besonders ideal-typisch ausweist. Kann ein
solches Referenzmodell in Vermeers Darstellung aufgefunden werden?
Das Mädchen, welches der Maler malt, kann ikonographisch als Klio, die
Muse der Geschichtsschreibung identifiziert werden. Zunächst zeigt allein
diese Tatsache, daß Vermeer sich auf ein „gewichtiges
Standardwerk“, [31]
nämlich Cesare Ripas Iconologia (1593, niederländisch seit 1644), also
einen bis in die Antike zurückreichenden Schatz mythologischer
Sinnstrukturen als Referenz, bezogen hat. Noch eklatanter wird dieser
Zusammenhang, wenn man bedenkt, daß „die Darstellung einer Muse in
Verbindung mit einem Vertreter der Künste traditionell [Hervorheb., J.S.]
dessen Inspiration bedeutet“. Daraus kann abgeleitet werden, daß das
Modell, als Klio, Repräsentantin einer höheren Sphäre ist - eine
Muse, von der ein göttlicher Funke der Inspiration auf den Maler
überspringt. [32] Der
prägnanteste Augenblick der Darstellung ist markiert durch den Pinsel in
der Hand des Malers, der sich auf dem Weg vom Lorbeerkranz hin zur Vollendung
der Umrißskizze befindet. Der Maler wiederum ist ‘göttlich
inspiriert’. So verweist Vermeers Darstellung der Malbewegung auf eine
rein intelligible, bzw. nur im Rahmen mythologischer Referenzmodelle begreifbare
Sphäre, in der der Anstoß zu Malen überhaupt seinen
Ausgangspunkt findet. Noch verschärfen läßt sich diese
Lesart, wenn man von dieser ikonographischen Bezugnahme wieder zur konkreten
Darstellung Vermeers zurückgeht. Er zeigt den Maler, seine Hand, den
Pinsel, die Leinwand, das Modell und dessen werdende Darstellung als Bild.
Vermeers Vorgehensweise könnte man folgendermaßen umformulieren:
„Ein Maler benutzt mit seiner Hand ein Werkzeug - seinen Pinsel -, um
seine Vorstellung von dem Modell auf der Leinwand zur Darstellung zu
bringen“. Zu Beginn seiner Analyse der „Geste des Malens“
bemerkt Vilém Flusser: „Sieht man einem Maler bei seiner
Tätigkeit zu, so glaubt man, einen Prozeß zu beobachten, bei welchem
sich auf eine im Grunde undurchschaubare Weise verschiedene Körper (etwa
der des Malers und seiner Werkzeuge, Malfarben und eine Leinwand) so bewegen,
daß dabei ‘zum Schluß’ ein Gemälde herauskommt.
Allerdings hat man dabei, wie gesagt, das Gefühl, den Prozeß nicht
durchschaut zu haben, und projiziert daher hinter die beobachteten Bewegungen
eine weitere unsichtbare Bewegung eines unsichtbaren Körpers, etwa die
‘Absicht des Malers’ oder seine ‘Idee des zu malenden
Gemäldes’ [oder die ‘göttliche Inspiration’, J.S.].
Eine solche Anschauung der Maltätigkeit, welche als ein Beispiel für
die okzidentale Weltanschauung überhaupt dienen kann, führt zu den
bekannten Erklärungsversuchen der angeblich beobachteten Phänomene,
bei denen die Schwierigkeit darin besteht, das Angleichen der ‘Idee’
ans Gemälde, des ‘Subjekts’ ans ‘Objekt’ (oder wie
immer man dieses berüchtigte dialektische Paar nennen will) zu
erklären.“ [33]Flusser
spricht auch davon, daß die Aufstellung eines Kataloges „der sich in
der Geste bewegenden
Körper“ [34] immer wieder
auf die cartesische Dichotomie von Materie (der konkrete Maler, res extensa) und
Geist (seine Inspiration oder Idee, res cogitans) zurückführt. Mit
Flussers Augen betrachtet, wäre in Vermeers Darstellung ein solcher
„Katalog von Körpern“ dargestellt, der immer die unsichtbare
„Idee“ des „göttlich inspirierten Malers“
impliziert. Ohne Vermeers Darstellung als „metaphysisch“ zu
bewerten, bleibt doch festhalten, daß auch unter diesem Blickwinkel
Vermeers Darstellung auf einen rein intelligiblen Horizont verweist, der die
Hand des Malers mit dem Pinsel auf der Leinwand als
‘prägnantesten’ Moment in der Malbewegung definiert. So gesehen
ist die Allegorie der Malkunst die konsequente Darstellung der zeitlichen
Malbewegung im unbewegten Gemälde unter der Prämisse, daß
Bewegung auf intelligible Formen verweist, das heißt zur
„Rekonstruktion der Bewegung“ sind „solche Formen
möglichst nah an ihrer Aktualisierung im
Materiestrom“ [35]
darzustellen: Die inspirierende Muse und der inspirierte
Maler. [36] Vermeer ist nicht an der
Darstellung des „autonomen Details“ (Francastel) der konkreten
Malbewegung als solcher gelegen, sondern an einer allegorischen Darstellung der
intelligiblen oder nur im Glauben zu erfassenden Horizonte, die die
Maltätigkeit begründen und tragen: „[D]as Bild selbst ist eine
Allegorie.“ [37] Ganz
anders verfährt Jackson Pollock Jahrhunderte später, „im
Zeitalter des Photoobjektivs“ (Francastel): Seine Arbeit No. 32 (Abb. 4,
1950, 269,24 x 457,2 cm, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf)
zeigt auf der ungrundierten Leinwand schwarze Farbspritzer und -kleckse, die das
Bildfeld nicht völlig homogen bedecken. Vielmehr sind an zahlreichen
Stellen Verdichtungen zu sehen, die als die Stellen der Leinwand, auf die
Pollock die Farbe geschleudert hat, identifiziert werden können. An den
‘leereren’ Stellen zeigt sich die Leinwand. Zu den Rändern hin
nimmt die Dichte der Farbspritzer etwas
ab. [38] Wie kann man sich bei diesem
Bild der Frage nach der Darstellung des Malprozesses im Bild annähern
? Zunächst ist es ein Leichtes zu konstatieren, daß weder
„Objektsysteme“ noch ein „szenographischer Raum“
vorliegen. Die Farbspuren konstituieren keine wiedererkennbaren
Gegenstände, noch einen perspektivischen Tiefenraum. Von einer angedeuteten
Tiefe kann bestenfalls in Hinsicht auf die Überlagerung verschiedener
Farbspritzer gesprochen werden. Auffällig ist, daß sowohl die
Leinwand als auch die Farbe stark in ihrer Materialität hervortreten. Als
erste Annäherung könnte man sagen, daß hier eine Umkehrung
Vermeers vorliegt: Traten dort Farbe und Leinwand in ihrer Materialität
zurück, um sich zu einer gegenständlichen, szenographischen
Raumordnung zu konfigurieren, sind hier Farbe und Leinwand zu solchen
Eigenwerten geworden, daß ihre Subsumierung unter ein
„Objektsystem“ nicht mehr in Frage kommt. War bei Vermeer eine
unbemalte, rohe Leinwand nur fiktiv als die des fiktiven Malers im
szenographischen Raum gegeben, so ist bei Pollock die Leinwand für sich
selbst im konkreten Gemälde anwesend. Diese Verschiebung von der Fiktion
zur Konkretion kann als Hinweis dienlich sein: Francastel hat darauf
hingewiesen, daß es im 19. Jahrhundert möglich wird, „die
Vorstellung des Raums, ausgehend von der Darstellung eines Details, zu
vermitteln.“ [39] Baudson
wiederum spricht davon, daß zu einer ähnlichen Zeit der „Umfang
und die Schnelligkeit der
Bewegung“ [40] selbst, statt
ihrer symbolischen Stillstellung im ‘prägnantesten Augenblick’,
für die Malerei darstellungswürdig wurde. Die konkrete Malbewegung
Pollocks ist jenes ‘Detail’, das nun zum „Zentrum wird, das
die gesamte Komposition
erhellt.“ [41] Bei Vermeer
wurde die konkrete Malbewegung in ihrem Umfang und ihrer Schnelligkeit nicht
sichtbar, sondern vielmehr ihr „symbolischer Stillstand in ihrer
Darstellung“, [42] symbolisch
verweisend auf den Künstler als Empfänger und Realisateur einer
göttlichen Inspiration. Bei Pollock ist die Malbewegung in ihrem konkreten
Umfang selbst abgebildet. Sind seine Bewegungen heftiger, sind die Spritzer der
Kleckse weiter auseinandergestreut: „Nicht zwei Formen sind im
Pollockschen Bild von gleicher Gestalt. Dies resultiert aus den Unterschieden in
den Malaktionen. Die Verschiedenheit der einzelnen Aktionen bewegt sich in einem
angebbaren Bereich. Die Heftigkeit der Malbewegungen sinkt nicht in ganz ruhige,
langsame Bewegungen ab, überschreitet aber auch nicht jenes Maß an
Heftigkeit, welches an den großen Klecksen mit den faserigen
Ausläufern ablesbar
ist.“ [43]Die Leinwand
ist konsequenterweise nicht grundiert, denn eine Grundierung in ihrer
Kontinuität und Homogenität würde die malerischen Bewegungen, die
zu ihrer Enstehung geführt haben, nicht selbst sichtbar machen und so
zumindest ansatzweise auf jenes Zurücktreten des konkreten Malprozesses wie
z.B. bei Vermeer u.a. zurückverweisen. Die Leinwand ist nicht mehr der
szenographisch zu negierende, materielle Träger der Bildinformation, die
ein „Fenster zur
Welt“ [44] illusioniert, also
einen fiktiven Durchblick durch die damit in ihrer Materialität geleugnete
Leinwand. Vielmehr wird sie, gerade in ihrer konkreten Materialität, zum
Speicher der konkreten Malgeste, wie Pollock sie durchgeführt hat. Der
zeitlich ausgedehnte Malprozeß wird verräumlicht, in neben- und
übereinandergeordneten Klecksen, Spuren gespeichert. Oder wie Rohsmann
formuliert: „Realzeit kann in der aktionsbetonten Kunst nur abhängig
von ihrer Verräumlichung gezeigt werden, das heißt
Vergegenständlichung der Zeit ist an ein Objekt gebunden, das seine Lage im
Raum ändert. Dies kann ein beliebiger, vom Produzenten ausgewählter
Gegenstand, kann, wie in der konventionellen Malerei Farbe, kann der
Künstler selbst
sein.“ [45]So
betrachtet, realisiert Pollock den Grenzfall der kinematischen
Bewegungsdarstellung mit dem Malprozeß als ‘Sujet’. Die Zeit
des Malens wird durch Pollocks Bewegung auf der Leinwand Raum. Alle
Malbewegungen sind gleichrangig und gleichermaßen
aufgespeichert. [46] Kein Moment der
Malbewegung ist in der Darstellung privilegiert. Hierzu muß man anmerken,
daß die All-over Struktur in No. 32 nicht über die
Bildränder hinwegreicht. So würde das Bild suggerieren, ein Ausschnitt
aus einem größeren ‘Ganzen’ zu sein. Zwar ließe
sich das All-over
„potentiell“ [47]
fortsetzen, Tatsache ist jedoch, daß sich das All-over deutlich sichtbar
zum Rande des Bildes hin ausdünnt, und daß es kaum Farbspuren gibt,
die vom Bildrand überschnitten werden. Es gibt im engeren Sinne kein
fiktives Hors-champ des Bildes, auf den das Bild hin verweisen würde,
sondern nur die konkreten Malspuren im Bild, die zu seiner Entstehung
geführt haben. Bei Vermeer hingegen fällt das Licht, das die Szene
erhellt, von einem vom Betrachter nur postulierbaren Ort außerhalb des
sichtbaren Bildraums herein, jenes Licht, das auf „geistige Erleuchtung,
Inspiration“ [48]
hindeutet. Auch der für die synthetische Darstellung charakteristische
Bezug auf ein intelligibles Referenzsystem fällt weg. Schon dadurch,
daß keine Gegenstände auf der Bildfläche konstituiert werden,
die eine ikonographische Fortschreibung bestimmter mythologischer Traditionen
ermöglichen. Auch in Hinsicht auf Flussers Argumentation ist diese Malerei
absolut nur noch auf ihre eigene Enstehung, die sie aufspeichert, bezogen. War
Vermeers Darstellung mit dem Maler vor der Muse, an der Leinwand, mit dem Pinsel
in der Hand, als auf die (cartesische) Dichotomie von physischem Maler und
intelligibler Inspiration hin lesbar, als Aufspaltung der Geste in Subjekt und
Objekt, [49] so ist Pollocks Bild die
Verräumlichung der „Geste des Malens“ selbst:
„Spezifische Phasen der Geste, zum Beispiel ein spezifisches
Zurücktreten von der Leinwand oder ein spezifischer Blick bedeuten
Selbstkritik, Autoanalyse. Man braucht keine metaphysischen Begriffe wie
‘den Geist des Malers’, welcher irgendwie über der Geste
schwebt, um diese Phasen zu erklären (wiewohl solche Begriffe tief in
unseren Denkgewohnheiten wurzeln und unsere Beobachtungen verzerren). Sie sind
aus der konkreten Gestalt der Geste selbst
ersichtlich.“ [50]
Jedem, der die Filme Hans
Namuths [51] über die konkrete
Arbeitsweise Jackson Pollocks gesehen hat, dem ist dieser Aspekt durchaus
vertraut. Gegenüber der oft verallgemeinerten Auffassung, Pollocks action
painting würde die totale Befreiung spontaner, unbewußter Gestik von
bewußter Kontrolle deklarieren und somit in der Tradition der
surrealistischen écriture automatique
stehen, [52] zeigen diese Filme
deutlich jenes von Flusser beschriebene ‘autoanalytische’
Zurücktreten in der Geste des
Malens. [53] Die vollständige
Speicherung des ganzen „Umfangs“ (Baudson) der Malbewegung stellt
keinen „Katalog der sich in der Geste bewegenden
Körper“ [54] auf - wie
Vermeer es mit der Darstellung des inspirierten Malers und der inspirierenden
Muse tat. Vielmehr werden die Spuren jener unteilbaren,
intentionalen [55] Geste, der
„Geste des Malens“, selbst durch die Farbtropfen, -spritzer und -
kleckse verräumlicht und gespeichert. Diese
„Speicherung“ zeigt auch noch etwas anderes. Der mediale Umbruch
durch Photographie und Film führt nicht nur dazu, daß die Bewegung
als Funktion eines beliebigen Moments erfaßt wird. Denn diese Erfassung
des beliebigen Moments basiert auf einem neuen Typus von Bildern, die sich
radikal und – so scheint es auf den ersten Blick – absolut von den
gemalten Bildern unterscheiden. Die Emergenz von Photographie und Film ist das
Auftreten des indexikalischen Bildes: „Ein Index ist ein Zeichen, dessen
zeichenkonstitutive Beschaffenheit in einer Zweitheit oder in einer
existentiellen Relation zu seinem Objekt liegt. [...] Das indizierte Objekt
muß tatsächlich vorhanden sein: dies macht den Unterschied zwischen
einem Index und einem Ikon aus. [...] So ist ein Foto ein Index, weil die
physikalische Wirkung des Lichts beim Belichten eine existentielle
eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen den Teilen des Fotos und den Teilen des
Objekts herstellt, und genau dies ist es, was an Fotografien oft am meisten
geschätzt wird.“ [56]
Die entscheidende Differenz zwischen Photographie und Malerei ist also,
daß das photographische Bild eine Spur des Realen ist, während das
malerische Bild die phänomenale Seite des Realen bloß
„simuliert“. [57] Dabei
ist es jedoch sehr wichtig, diesen Aspekt der Indexikalität vom Aspekt der
Referentialität zu trennen. Denn die Tatsache, daß es eine kausale,
physikalische Relation zwischen Photographie und Bild gibt, garantiert
keineswegs, daß das Bild als Bild-von-einem-Gegenstand identifizierbar
ist. [58] Es ist ja durchaus
möglich, einen Gegenstand so zu photographieren, daß keine
(referentiell identifizierbare) Ikonizität auf dem Photo
vorliegt. [59] Und umgekehrt
können auch auf Bildern, die nicht kausal mit ihren Referenten verbunden
sind (wie eben auf gemalten oder in digitalen Bildern) Gegenstände
identifiziert werden. Daran zeigt sich, daß die Gegenüberstellung
von Malerei und Photographie anhand der Differenz indexikalisch :
nicht-indexikalisch zu verkürzend ist: Denn auch die Malerei hat eine
indexikalische Ebene, nämlich genau in Hinsicht auf die Einschreibung der
Malbewegung in das Bild. Schon der feinste Pinselduktus verweist auf die Hand
des Malers, die, um Barthes zu
paraphrasieren, [60]
dagewesen-sein-muß. [61] Die
Differenz zwischen Indexikalität und Referentialität zeigt sich also
selbstreferentiell auch in der Malerei selbst: Wo die Indexikalität
Überhand nimmt, verflüchtigt sich zunehmend der Gegenstand. Die Sache,
die bei der Malerei stets dagewesen sein muß, ist eben nicht der Referent,
sondern der Maler. Rückt dieser (als eigentlicher Referent) in den
Mittelpunkt, zieht sich der Referent (im Sinne des abgebildeten Sujets)
zurück. So betrachtet, realisiert Pollocks action painting nicht nur den
unüberschreitbaren Grenzfall der malerischen
(Mal-)Bewegungsdarstellung. [62]
Zugleich ist das action painting in seiner radikalen und nicht-ikonischen
Indexikalität die Form der Malerei, die - auch wenn es seltsam klingt - dem
zentralen semiotischen Prinzip der Photographie am nächsten
steht. [63] Pollocks No. 32 verweist
nur noch indexikalisch auf den konkreten Malprozeß, in dem das vorliegende
Bild entstanden ist. [64] Der
allgemeine kausale Bezug zwischen Malbewegung und Bild ist hier Gegenstand des
Bildes. Und diese Beobachtungen zeigen erneut, daß Medien schwerer zu
differenzieren sind, als die ebenso häufigen wie undurchdacht schematischen
Gegenüberstellungen – Raum- oder Zeitkünste, indexikalische oder
ikonische Bilder etc. - vermuten lassen.
[1] Vgl. Gotthold Ephraim
Lessing: Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. 1766.
Nachdruck. Stuttgart 1990, S. 115; vgl. im allgemeinen Gottfried Boehm: Bild und
Zeit. In: Hannelore Paflik (Hrsg.): Das Phänomen Zeit in Kunst und
Wissenschaft. Weinheim 1987, S.
1-23. [2] Vgl. Heinrich Theissing:
Die Zeit im Bild. Darmstadt 1987, S. 41f.; zur „Zeitordnung der
verstehenden Wahrnehmung“, vgl. Lorenz Dittman: Überlegungen und
Beobachtungen zur Zeitgestalt des Gemäldes, in: Neue Hefte für
Philosophie 18/19 (1980), S.
133-148. [3] Vgl. Margarethe
Jochimsen: Zeit zwischen Entgrenzung und Begrenzung der bildenden Kunst heute.
In: Michel Baudson (Hrsg.): Zeit. Die vierte Dimension in der Kunst. (Kunsthalle
Mannheim, 11. Juli 1985 - 1. September 1985; Museum Moderner Kunst, Museum des
20. Jahrhunderts, Wien, 19. September 1985 - 17. November 1985; Katalog zur
Ausstellung 'Zeit - die Vierte Dimension in d. Kunst). Weinheim 1985, S.
219-239. [4] Vgl. schon Etienne
Souriau: Time in the Plastic Arts. In: Journal of Aesthetics and Art Criticism,
Vol. 7.4 (1949), S. 294-307, hier: S. 294: „Nothing is more dangerous for
the exact and delicate understanding of the plastic arts [...] than the rather
banal description ‘arts of space’, in contrast to the phonetic and
cinematic arts [...] characterized as ‘arts of time’.“; vgl.
auch Ernst H. Gombrich: Der fruchtbare Moment. Vom Zeitelement in der bildenden
Kunst. In: ders.: Bild und Auge. Neue Studien zur Psychologie der bildlichen
Darstellung. Oxford 1982. Nachdruck. Stuttgart 1984, S. 40-62. Vgl. auch
Theissing (wie Anm. 2), S. 26f. Auch Dagobert Frey: Das Zeitproblem in der
Bildkunst. In: Studium Generale, 8.9 (1955), S. 566-577, hier insb. S. 571,
tendiert dazu, Ruhe und Bewegung nicht unvermittelt einander
gegenüberzustellen: „Ruhe ist Grenzform der Bewegung; Bewegung kann
in Ruhe übergehen, Ruhe umfaßt potentiell die Bewegung, die aus ihr
hervorgehen kann“. [5] Wobei
wichtig ist, zu betonen, daß dieser ‘idealtypische Moment’
kein stillstehender Moment in der Bewegung ist. Eine solche Annahme würde
geradewegs zu den Paradoxien Zenons führen. Gombrich (wie Anm. 4), S. 45:
„Sobald wir annehmen, daß es einen Bruchteil der Zeit gibt, in dem
keine Bewegung stattfindet, wird Bewegung an sich unerklärlich“.
Daher auch Gombrichs Hinweis (S. 44), daß ein solcher Moment vom Maler
(oder in seinem Beispiel der Photograph, der die Production Stills anfertigt)
künstlich hergestellt, synthetisiert werden muß.
[6] Gilles Deleuze: Das
Bewegungs-Bild. Kino 1. Paris 1983. Frankfurt/M 1990, S.
16f. [7] Michel Baudson: Pluralzeit
und Singularraum. In: Baudson (wie Anm. 3), S. 109-113, hier: S.
113. [8] Ebd., S.
110. [9] Deleuze (wie Anm. 6), S.
17. [10] Baudson (wie Anm. 7), S.
109. [11] Lessing (wie Anm. 1),
S. 115. [12] Rodin, zitiert bei:
Paul Virilio: Die Sehmaschine. Paris 1988. Nachdruck. Berlin 1989, S.
13. [13] Deleuze (wie Anm. 6), S.
18. [14] Vgl. Michel Baudson: Von
der kinematischen Darstellung zur vierten Dimension. In: Baudson (wie Anm. 3),
S. 159-166, hier: S. 163. [15]
Ebd., S. 162 f. [16] Vgl.
Deleuze‘s ‘ewige und unbewegliche Formen oder
Ideen’. [17] Vgl. Baudson
(wie Anm. 7), S. 110. Es ist wichtig zu präzisieren, daß die
weltanschauliche Referenz zunächst das Sujet der Darstellung bestimmt (z.B.
Szenen aus dem Leben Christi). Dann stellt sich für den Künstler erst
die Frage, welche Ereignisse (Bewegungen) er auf den
„prägnantesten“ Punkt hin
zusammenzieht. [18] Hans
Holländer: Augenblicksbilder. Zur Zeit-Perspektive in der Malerei. In:
Christian W. Thomsen und Hans Holländer (Hrsg.): Augenblick und Zeitpunkt.
Darmstadt 1984, S. 175-197, hier: S.
177. [19] Ebd.,
183. [20] Zur Entstehung einer
„neuen Ikonographie der Moderne“, die sich besonders auf
Fortbewegungsmittel wie die Eisenbahn bezieht (schon bei Turner hebt diese neue
Ikonographie an), vgl. Sigrid Schade: Inszenierte Präsenz. Der Riß im
Zeitkontinuum (Monet, Cézanne, Newman). In: Georg Christoph Tholen und
Michael O. Scholl (Hrsg.): Zeit-Zeichen. Aufschübe und Interferenzen
zwischen Endzeit und Echtzeit, Weinheim 1990, S. 211-229, hier: S.
219. [21] Yvonne Spielmann: Zeit,
Bewegung, Raum. Bildintervall und visueller Cluster. In: montage/av, 2.2 (1993),
S. 49-68, hier: S. 50. Zur Kohärenz des zentralperspektivisch organisierten
Bildraums vgl. Erwin Panofsky: Die Perspektive als symbolische Form, in: ders.,
Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft. [Vortrag von 1927]. Berlin
1992, S. 99-167, hier: S.
101. [22] Pierre Francastel: Die
Zerstörung des plastischen Bildraums. In: Peter Bürger (Hrsg.):
Seminar: Literatur- und Kunstsoziologie, Frankfurt/M 1978, S. 371-393, hier: S.
373f. [23] Baudson (wie Anm. 14),
S. 159f.: „Die Malerei drückt nämlich zum ersten Mal den Begriff
der Schnelligkeit aus, das heißt den Umfang und die Schnelligkeit der
Bewegung, und nicht mehr nur ihren ‘Höhepunkt’, den
symbolischen Stillstand in ihrer Darstellung“. Auch Gabriele Hoffmann:
Intuition, durée, simultanéité. Drei Begriffe der
Philosophie Henri Bergsons und ihre Analogien im Kubismus von Braque und Picasso
von 1910 bis 1912. In: Paflik (wie Anm. 1), S. 39-64, hier S. 63 assoziiert in
ihrer Diskussion der Kubisten mit Bergson die „Frage nach der Wirklichkeit
des Gegenständlichen“ mit der „Frage nach der Wirklichkeit der
Zeit“. [24] Francastel (wie
Anm. 22), S. 387. [25]
Zeit-Losigkeit soll hier die Nichtbeweglichkeit des malerischen Bildes
bezeichnen. Zur Zeit-Losigkeit in dem anderen Sinne der (angeblichen)
‘überzeitlichen Gültigkeit’ ästhetischer Aussagen,
vgl. Wilhelm Perpeet: Von der Zeitlosigkeit der Kunst. In: Jahrbuch für
Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Bd. 1 (1951), S. 1-28.
[26] Die synthetische
Darstellung möchte ich im folgenden allgemeiner als Baudson fassen. Er
verknüpft sie mit simultaner Darstellung, meiner Meinung nach liegt das
Wesentliche dieses Darstellungsverfahrens jedoch in der
‘heterogenisierenden’ Auffassung von
Bewegung. [27] Auch: Die
Malkunst, Das Atelier des Malers oder Der Ruhm der Malkunst. Im Original: De
Schilderconst. [28] Hans
Sedlmayr: Jan Vermeer: Der Ruhm der Malkunst. In: ders.: Epochen und Werke. Bd.
2. 1951. Nachdruck. Wien 1960, S. 107-116, hier: S.
107. [29] Hans Ulrich Asemissen:
Jan Vermeer. Die Malkunst. Aspekte eines Berufsbildes. Frankfurt/M 1988, S.
35. [30] Lessing (wie Anm. 1), S.
115. [31] Vgl. Asemissen (wie
Anm. 29), S. 35. [32] Ebd., S.
48. Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, daß von jüngeren
Interpretationen von Vermeers Gemälde die traditionellen ikonographischen
Deutungen, wie sie sowohl Assemissen als auch Sedlmayr (u.A.) vorgelegt haben,
kritisiert wurden. Norbert Schneider: Vermeer 1632-1675. Verhüllung der
Gefühle. Köln 1996, S. 81-84 weist daraufhin, daß diese
Interpretationen, die Vermeers Bild in die Tradition des Paragone stellen, nicht
begreiflich machen können, warum die Karte an der Wand einen Zustand der
Niederlande zeigt, der zum Zeitpunkt der Erstellung des Gemäldes schon
längst geschichtlich überholt war. Außerdem weist er auf die
Tatsache hin, daß Klio ja Muse der Geschichte und nicht Muse der Malkunst
ist und stellt sie als solche in Zusammenhang mit den Requisiten auf dem Tisch.
Kurzum: Seiner Auffassung nach steht das Bild Vermeers viel eher in einem
politisch-historischen Zusammenhang, und daher datiert er es auch um. Schneider
zufolge muß die Allegorie der Malkunst um 1673, d.i. kurz nach dem Bund
Willems III. mit dem habsburgischen Kaiser, Spanien und Lothringen entstanden
sein. Wiewohl viel für Schneiders kohärente Neu-Interpretation
spricht, scheint es mir im Sinne meines allgemeineren bildtheoretischen
Interesses vertretbar zu sein, hier exemplarisch auf die älteren
ikonographischen Lesarten zu
rekurrieren. [33] Vilém
Flusser: Die Geste des Malens. In: ders.: Gesten. Versuch einer
Phänomenologie, Düsseldorf/Bensheim 1991, S. 109-126. Hier: S. 109. In
ähnlicher Weise benennt Rosalind Krauss: Das Photographische. Eine Theorie
der Abstände. München 1998, S. 218: „Das In-sich-gekehrt-Sein
des Künstlers als ein[en] Vorrat einer Bewußtheit, die in
grundlegender Weise von der Welt der Erscheinungen differiert“ als
„eine Grundprämisse westlicher
Kunst.“ [34] Flusser (wie
Anm. 33), S. 111. Vgl. auch ebd., S. 119: „Was wir sehen, ist nicht das
Zusammenwirken von Körper und Geist, sondern eine Geste, und es kann
bezweifelt werden, ob es Situationen gibt, in denen wir konkret einen
Körper ohne Geist (der Leichnam sei hier ausgeklammert), oder einen Geist
ohne Körper beobachten können. Geist und Körper sind
Extrapolationen aus dem konkreten Phänomen ‘Geste’,
nachträgliche ‘Erklärungen’, und zwar der Körper
nicht weniger als der Geist, und sie bilden nur einen abstrakten
‘theoretischen’
Horizont.“ [35] Deleuze
(wie Anm. 6), S. 16. [36] Vgl.
dazu auch Asemissens (wie Anm. 29), S. 36 Erwähnung, daß die
perspektivische Konstruktion des Raums zur Hervorhebung des Malers leicht
verzerrt ist. Auch Sedlmayrs (wie Anm. 28) Analyse des Bildes deckt eine
ähnliche Verweisungsstruktur auf. Nicht nur führen auf das Modell, die
‘Muse’, „alle Blicklinien hin“ (S. 114), sie scheint
vielmehr noch von einer „feine[n] Lichtaura“ (S. 116) umgeben. Der
hintere Teil des Bildraums, wo sie sich aufhält, ist für Sedlmayr die
Sphäre der „Idealität“ (S. 109), während sich der
Maler „mit halbem Blick dem Modell zu[wendet]“ (S. 112). Allerdings
darf hier nicht unterschlagen werden, daß Asemissen (wie Anm. 29), S. 50
anderer Meinung ist: „Wenn somit überhaupt eine Inspiration
stattfindet, dann in umgekehrter Richtung: nicht der Maler wird von einer Muse
inspiriert, sondern er inspiriert das Modell, eine Muse darzustellen“.
Meiner Auffassung nach liegt in dieser These aber kein grundsätzlicher
Bruch mit der Setzung des „unsichtbaren Körpers“ (Flusser) der
Inspiration vor. [37] Sedlmayr
(wie Anm. 28), S. 111. Dazu paßt, daß das auf dem Tisch liegende,
geöffnete Skizzenbuch und die dortige Maske als Symbole für den
‘disegno’ und die ‘imitazione’ gelesen werden
können, vgl. ebd., S.
112. [38] Für eine
ausführlichere Beschreibung, vgl. Ekkehard Putz: Jackson Pollock. Theorie
und Bild. Hildesheim und New York (Dissertation). 1975, S. 216
f. [39] Francastel (wie Anm. 22),
S. 387. [40] Baudson (wie Anm.
14), S. 160. [41] Francastel (wie
Anm. 22), S. 387. [42] Baudson
(wie Anm. 14), S. 160. [43] Putz
(wie Anm. 38), S. 218. [44] Vgl.
Panofsky (wie Anm. 21), S. 99
f. [45] Arnulf Rohsmann:
Manifestationsmöglichkeiten von Zeit in der bildenden Kunst des 20.
Jahrhunderts. Hildesheim/Zürich/New York 1984, S.
49. [46] Was nicht bedeutet,
daß jedes „Gespritze“ gleichrangig ist. Pollock hat selbst oft
Bilder während des Malens verworfen, weil er den „Kontakt“ zum
Bild verlor, jedenfalls hat er sich so 1950 Pollock geäußert (zitiert
bei: Elizabeth Frank: Jackson Pollock. München und Luzern 1984, S. 79).
[47] Putz (wie Anm. 38), S. 226.
Putz untersucht weiterhin, wie dieser Effekt die optimale Ausstellungsweise von
No. 32 determiniert, vgl. ebd., S.
227. [48] Sedlmayr (wie Anm. 28),
S. 115. [49] Flusser (wie Anm.
33), S. 118f. [50] Ebd., S.
116. [51] Hans Namuth/Paul
Falkenberg: Jackson Pollock, Drehzeit September/Oktober 1950, 16 mm,
Uraufführung: 14.6.1951 im Museum of Modern Art, New
York. [52] Vgl. hierzu C.L.
Wysuph: Psychoanalytic Drawings. New York 1970, S. 9-30; Putz (wie Anm. 38), S.
242. Natürlich soll ‘oft verallgemeinert’ nicht bedeuten,
daß Pollock nicht auch „aus dem Unbewußten heraus“
(Pollock, zitiert bei Frank (wie Anm. 46), S. 93) gemalt hätte. Dieser
Aspekt ist jedoch zu oft zum allein bedeutenden Aspekt von Pollocks Arbeit
hypostasiert worden. Eine an der Existenzphilosophie orientierte Lektüre
von Pollocks Werk liefert Margaret Rowell: La Peinture, Le Geste, L`Action.
Paris 1972. [53] Vgl. Frank (wie
Anm. 46), S. 79. [54] Flusser
(wie Anm. 33), S. 111. [55] Ebd.,
112 f. Der bei Flusser in seiner Beschreibung mitschwingende
Intentionalitäts-Begriff kommt von Husserls transzendentaler
Phänomenologie her. Entscheidend daran ist, daß dieser Begriff - so
nimmt die Phänomenologie an - in der Lage ist, die
Subjekt/Objekt-Dichotomie aufzubrechen: „Wenn wir die Geste des Malens
beobachten, sehen wir nicht irgendein geheimnisvolles Zusammenschweißen
von Maler und Material in einem Prozeß, bei dem als Synthese ein
Gemälde ‘herauskommt’, sondern die Geste des Malens.
‘Maler’ und sein ‘Material’ sind Worte mit denen wir die
Geste erklären und nicht umgekehrt: wir beobachten nicht, wie die
Bedeutungen dieser Worte zusammenkommen. ‘Maler’ und sein
‘Material’ kommen nach der Geste [als Abstraktionen, J.S.], werden
aber zu Vorurteilen, weil wir sie in die Beobachtungen hineinprojizieren. Das
bedeutet selbstredend nicht, daß Herr X nicht auch konkret außerhalb
der Geste des Malens beobachtet werden könnte. Aber es bedeutet, daß
er außerhalb der Geste nicht als Maler zu sehen ist.“ (S. 119). Die
Emphase Flussers auf die Gegebenheit des Phänomens „Malen“ als
bedeutungsvolle Geste entspricht exakt Husserls Annahme, daß Welt und
Subjekt nicht zunächst getrennt sind und sich dann aufeinanderzubewegen,
sondern daß wir schon immer in-der-Welt-sind und uns in bedeutungsvollen,
‘intentionalen’ Gesten auf diese richten und in dieser Geste das
‘Subjekt’ als Intendierendes und das ‘Objekt’ als
Intendiertes zusammenfließen, sodaß jede Aufspaltung solcher Gesten
in einen ‘Katalog’ daran beteiligter Körper eine
nachträgliche Abstraktion von der konkreten Geste darstellt.
[56] Charles Sanders Peirce:
Phänomen und Logik der Zeichen. Frankfurt 1983, S.
65. [57] Roland Barthes: Die
Helle Kammer. Bemerkung zur Photographie. Frankfurt/M. 1989, S.
13. [58] Vgl. Oliver Scholz:
Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellung.
Freiburg 1991, S. 64-81. [59]
Allerdings ist hier eine Präzisierung notwendig. Der ebenfalls von Peirce
vorgeschlagene und später stark verkürzt rezipierte Begriff des
ikonischen Zeichens, also eines Zeichens, welches über seine
Ähnlichkeit mit dem Referenten bezeichnet, ist unhaltbar, wie Scholz (wie
Anm. 58), S. 16-63 mit Nelson Goodman aufweist. Der Begriff wird im vorliegenden
Zusammenhang nur benutzt, um die Ebene, auf der ein Bild referentiell
bezeichnet, abzusetzen von der Ebene, auf der ein Bild ggf. in kausalem Konnex
zu einem Referenten steht. [60]
Vgl. Barthes (wie Anm. 57), S. 86: „Die Malerei kann wohl eine
Realität fingieren ohne sie gesehen zu haben. Der Diskurs fügt Zeichen
aneinander, die gewiß Referenten haben, aber diese Referenten können
‘Chimären’ sein, und meist sind sie es auch. Anders als bei
diesen Imitationen läßt sich in der Photographie nicht leugnen,
daß die Sache dagewesen ist.“
[61] Vgl. Hubert Damisch:
Vorwort. In: Krauss (wie Anm. 33), S. 7-13, hier: S.
10. [62] Darstellungen, die den
Malprozeß in Bewegung und in Echtzeit abbilden sind nur in
kinematographischen oder videographischen Aufzeichnungen möglich, vgl.
Clouzots Film Le mystère Picasso, Frankreich 1956. Die Darstellung des
Malprozesses bei Pollock darf gegenüber den anderen Aspekten seiner Arbeit,
auf die einzugehen mir der Rahmen dieses Aufsatzes verbietet, nicht
überbewertet werden, sonst kommt es zu den Verzerrungen, die Frank (wie
Anm. 46), S. 83f.
beschreibt. [63] Vgl. Rosalind
Krauss: The Optical Unconscious. Cambridge/Massachusetts 1994, S. 259-266.
Rosalind Krauss hat stets darauf insistiert, daß der mediale Einbruch der
Photographie auch die benachbarten Künste der Ordnung des
„Photographischen“ unterworfen hat, vgl. dazu die Aufsätze in
Krauss (wie Anm. 33). [64] Hier
ist allerdings zu präzisieren, daß dies natürlich nicht per se
für alle Bilder von Jackson Pollock gilt. Es gilt nicht für Pollocks
gegenständliche oder von indianischer Wandmalerei beeinflußten
Frühphasen, aber auch für viele späte Bilder, in denen Pollock
wieder vom radikal gestischen action painting abgerückt ist. Es geht mithin
nicht um ein „genialisches“ Subjekt „Pollock“ und dessen
„revolutionäre Leistungen“, sondern um ein Problem medialer
Ausdifferenzierung.
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