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Jens Schröter



BIOMORPH.

Anmerkungen zu einer neoliberalen Gentechnik-Utopie.


Die beständige Kontinuität des Prozesses, das ungehinderte und flüssige Übergehn des Werts aus einer Form in die andre, oder einer Phase des Prozesses in die andre, erscheint als Grundbedingung für die auf Kapital gegründete Produktion.

Karl Marx[1]


Mit den Biotechnologien gehen ebenso wie mit den Computertechnologien Phantasien über ihre möglichen künftigen Effekte einher. These ist, daß sich gerade in den extremsten Phantasien eine ideologische Funktion der Diskurse über die Gentechnik zeigt. Im Folgenden soll ein Aspekt skizziert werden, nämlich das in Begriffen wie „Designer-Baby“ anklingende Phantasma, die Gentechnik könne und solle nicht nur bislang unheilbare Krankheiten heilen, sondern die ganze Form des menschlichen Körpers neu definieren und dabei optimieren.[2] Schon 1985 hat Bruce Sterling in seinem Cyberpunk-Roman Schismatrix die in ferner Zukunft gelegene Aufspaltung der Menschheit in zwei Spezies – die Shaper und die Mechanists – geschildert.[3] Diese Auflösung der bisherigen „Menschen-Form“[4] ist durch die Anpassung der Menschen an die Bedingungen der interstellaren Raumfahrt verursacht. Während die Shaper die Optimierung ihrer Körper durch Biotechnologien betreiben, setzen die Mechanists auf kybernetische Prothesen.[5] Die Bio- und die Computertechnologien sind die Technologien, um die der sogenannte „Posthumanismus“ kreist. Mit dieser Bezeichnung wird ein diffuser und heterogener Bereich von Praktiken und Phantasmen beschrieben, in welchem der menschliche Körper als Material gentechnologischer Umformungen, als Element neuartiger Mensch/Maschine-Synthesen (Stichwort: Cyborg) oder gar als verzichtbares Vehikel für einen mit Hilfe von Computertechnologien bald auch körperlos existierenden Geist beschrieben wird.[6] Solche (mehr oder weniger phantastischen) Vorstellungen einer technologischen Transformation oder Verabschiedung des Körpers sind seit einigen Jahren Thema verschiedener künstlerischer Ansätze (Orlan, Stelarc), aber auch gehäuft in den Massenmedien aufzufinden. Sogar das passende Schlagwort „posthuman cinema“ ist schon geprägt worden.[7] In vielen derartigen Darstellungen werden die „posthumanen“ Verschiebungen durch das sogenannte „Morphing“, das eine fließende Transformation einer Körperform in eine andere ermöglicht, visualisiert.

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Aus welchen Konstellationen ist das Morphing als Softwaretechnik hervorgegangen? Wolf[8] zeichnet eine Linie nach, die bis zu den Versuchen Dürers zurückreicht, die Proportionen des menschlichen Schädels zu erfassen. Dürer stellte die proportionalen Verhältnisse in Form von Linien dar, deren Bewegung, Drehung etc. eine entsprechende Deformation des dargestellten Profils erlaubte. Auch nennt Wolf Descartes analytische Geometrie und deren Formalisierung des Raums in Form des kartesischen Koordinatensystems, wodurch jeder Punkt im Raum exakt mathematisch beschreibbar wird. Diese beiden Stränge berühren sich, so Wolf, in D‘arcy Wentworth Thompsons bedeutendem Werk über biologische Morphologie, On Growth and Form, welches erstmals 1917 erschien. Darin beschreibt Thompson die Anwendung des kartesischen Koordinatensystems auf organische Formen: „Wenn wir in ein System kartesischer Koordinaten den noch so komplizierten Umriß eines Organismus oder einen Teil davon eintragen, wie einen Fisch, einen Krebs oder einen Säugetierschädel, können wir jetzt diese komplizierte Figur in allgemeinen Ausdrücken als eine Funktion von x, y behandeln. Wenn wir unser rechtwinkliges System einer Deformation nach einfachen und anerkannten Regeln unterwerfen, wobei wir z.B. die Richtung der Achsen, das Verhältnis x/y ändern oder x und y durch kompliziertere Ausdrücke ersetzen, erhalten wir ein neues Koordinatensystem; seine Abweichung vom ursprünglichen Typus wird von der eingetragenen Figur genau befolgt. Anders ausgedrückt erhalten wir eine neue Figur, welche die alte Figur unter einer mehr oder weniger homogen wirkenden ‚Beanspruchung‘ darstellt und genauso eine Funktion der neuen Koordinaten ist, wie die alte Figur eine Funktion der ursprünglichen Koordinaten x und y war.“[9]
Daraus schlußfolgert Wolf, daß das Morphing seinen konzeptuellen Ursprung schon lange vor der digitalen Bildverarbeitung hat. Solche rückwärts konstruierten Kontinuitäten sind jedoch problematisch: Schließlich könnte man die Idee des Morphings ebenso bis zu Ovids Metamorphosen zurückverlegen: „Von den Gestalten zu künden, die einst sich verwandelt in neue Körper, so treibt mich der Geist“, lautet deren erster Satz.[10]
Allerdings ist richtig, daß D`Arcy Thompson ein Vorläufer des Morphings ist, sofern er die mathematische Methode, „um die Form einer Kurve (ebenso wie die Lage eines Punktes) in Zahlen“ auszudrücken, in den Mittelpunkt rückt. So kann man nämlich auch „den Umriß z. B. eines Fisches ein[....]zeichnen und ihn dann in eine Zahlentabelle [...] übertragen“, eine Zahlentabelle, aus der gerade auch ein Computer (was Thompson noch nicht ahnen konnte) „nach Belieben wieder eine Kurve rekonstruieren“[11] könnte. Statt aber diese mathematische Formalisierung der visuellen Formen und mithin der Körperbilder weiterzuverfolgen, wechselt Wolf dann relativ unvermittelt zur Geschichte der Special-Effects im Kino. Als Paradebeispiel der morphing-ähnlichen, vordigitalen Effektgeschichte gilt immer wieder eine Sequenz aus The Wolf Man (R: George Waggner, USA 1941), in der sich der Protagonist fließend von einem Mensch in einen Werwolf verwandelt. Dieser Effekt war ein aufwendiger Stoptrick, bei dem der Schauspieler Frame für Frame umgeschminkt wurde.
Das große Problem an diesem Sprung von D‘Arcy Thompson zum Kino ist vor allem, daß die kinematographischen Bilder gerade nicht Bilder sind, die den mathematischen Transformationsprozessen, die Thompson beschreibt, unterworfen werden können. Insofern kann man auch die kunstgeschichtlichen (d.h. im wesentlichen malerischen) Vorläufer solcher Transformationen nur bedingt als Vorläufer des Morphings benennen (Abb. 1: Grandville [=Jean-Ignace-Isidore Gérard], Metamorphosis of a Dream, 1844).[12] Die digitalen Bilder hingegen, bei denen jeder Bildpunkt eineindeutig einer Zeile (x-Koordinate) und einer Spalte (y-Koordinate) zugeordnet werden kann, sind darin von den Rasterbildern des Fernsehens verschieden, daß ein Bild ein „array[...] of values, where a value is a collection of numbers describing the attributes of a pixel in the image“[13] ist. Ein solches array kann mathematischen Operationen unterworfen werden. Dadurch werden Thompsons Transformationen machbar.
Die Geschichte solcher Transformationen digitalisierter Bilder beginnt mit dem image-processing der NASA der sechziger Jahre und diese Vorgeschichte erwähnt Wolf leider nicht. In Vorbereitung des Apollo-Programms, also der bemannten Mondlandung, wurde das Ranger-Programm gestartet. Aufgabe der Ranger-Sonden war, Videobilder von der Mondoberfläche an die Erde zu schicken. Die ersten Ranger-Missionen schlugen jedoch fehl, erst Ranger 7, gestartet am 28. Juli 1964, sendete mit einer neuartigen Vidicon-Röhre[14] Videosignale zur Erde. Dort wurden die Bilder am – auf Betreiben von Dr. Robert Nathan gegründeten – Information Processing Laboratory (IPL) des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA digitalisiert und nachbearbeitet. Dazu kam die später sogenannte VICAR (Video Image Communication and Retrieval)-Software auf einem IBM 7094 oder IBM 360 zum Einsatz.[15] Eines der Probleme der auf der Erde empfangenen Bilder war, daß sie geometrisch verzerrt waren. Um dieses Problem zu lösen, wurden die Bilder passend entzerrt. Das dazu verwendete Verfahren ist das Image-Warping, definiert als „geometric transformation of digital images [...] that redefines the spatial relationship between points in an image“.[16]

Bald kam man am IPL auf die Idee, die Bildbearbeitungsverfahren auch auf die Verbesserung medizinischer Bilder, zunächst Röntgenaufnahmen, anzuwenden. Schon 1967 stellten Nathan und Robert Selzer ihre Ergebnisse dem National Institute of Health vor, wo man so begeistert war, daß die Forschung am IPL finanziell unterstützt wurde.[17] Insbesondere die Korrektur der geometrischen Verzerrungen durch das Image Warping wurde bald intensiv in der medizinischen Bildverarbeitung, insbesondere in der erstmals 1981 klinisch evaluierten Digitalen Subtraktions-Angiographie, eingesetzt, um präzise Diagnosen erstellen zu können. In diesem Verfahren wird zunächst ein Röntgenbild des Patienten erstellt, dann wird ihm ein Kontrastmittel in die Blutbahn injiziert und ein zweites Röntgenbild erstellt. Subtrahiert man nun digital von dem zweiten das erste Bild, bleiben nur mehr die kontrastreichen Blutbahnen, befreit von „Störungen“ wie Knochen und Organen, übrig. Das Problem dieses Verfahrens ist offenkundig, daß sich der Patient zwischen den beiden Aufnahmen nicht bewegen darf, da sonst die Subtraktion nicht fehlerfrei gelingen kann. Um die, schon durch das Atmen, das lebendige pneuma, nicht vermeidbare Bewegung des lebenden Körpers zu korrigieren, werden die Bilder mit Hilfe von Image-Warping aneinander angepaßt. Das Leben des Patienten wird buchstäblich aus den Bildern herausgerechnet: Mit Foucault könnte man sagen, daß das Warping in der medizinischen Bildverarbeitung eine der Techniken ist, durch die der „kalkulierende[...] Blick“ der modernen Medizin durch die „Einfügung des Todes“ die Medizin als „Wissenschaft vom Individuum“[18] konstituiert. Auf diese Wurzel des Morphings in der Medizin wird zurückzukommen sein.

Das Warping ist jedoch nur ein Bestandteil des Morphings, durch den das Ausgangs- und das Zielbild in schrittweise übereinstimmende Gestalt verzerrt werden. Dadurch kann der zweite Schritt, das Cross-dissolving, welches im Wesentlichen darin besteht, daß die Farben der Pixel des Ausgangsbildes schrittweise in die des Zielbildes geändert werden, zwischen den beiden Bildern fließend ausgeführt werden. Außerdem dient die funktionelle Einbindung des Warpings im Image-Processing der NASA und der Medizin der Entzerrung und nicht der Verzerrung der Bilder, wie in vielen heutigen kommerziellen Anwendungen des Morphings.[19]
Als Startpunkt des Morphings im eigentlichen Sinne gilt eine Präsentation von Tom Brigham auf der SIGGRAPH-Konferenz 1982.[20] Er führte eine Demonstration vor, die die Transformation einer Frau in einen Luchs zeigte. 1988 kommt mit Willow (USA, R: Ron Howard) der erste Film ins Kino, der eine längere „fotorealistische“[21] Morphing-Sequenz enthält. Bemerkenswerterweise zeigt diese Sequenz schon wieder die Verwandlung von Tieren in einen weiblichen Körper. Wenn man einmal von den ideologischen Implikationen solcher Frauen und Tiere eng assoziierender Sequenzen absieht, bleibt auffällig, daß das Morphing von Anbeginn an mit Körperbildern in Verbindung gebracht wird. Wirklich populär wird das Morphing mit dem 1991 in den Kinos laufenden Terminator 2 (USA, R: James Cameron) – ein Film, in dem es genutzt wird, um den futuristischen Roboter T-1000 darzustellen – einer gnadenlosen und (fast) unbegrenzt effizienten Kampfmaschine – die sich ebenfalls in verschiedenste Körper verwandelt.[22]

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Die Fernsehserie Star Trek als ein Beispiel zu wählen, hat den Vorteil, daß die verschiedenen unter diesem Namen firmierenden Fernsehserien populär sind. 1992 haben sich 53% aller Amerikaner dazu bekannt, Fans von Star Trek zu sein, d.h. unabhängig davon, was „Fan“ genau bedeutet, ist das durch diese Fernsehserien produzierte Wissen zumindest weit verteilt. Außerdem sagt populäre Science Fiction, insofern sie aus notwendig heutiger Sicht ein Bild einer Zukunft entwirft – nach William Gibsons Wort – mehr über das Selbstverständnis der Gegenwart als über eine mögliche Zukunft aus.

Ab 1993 läuft Star Trek – Deep Space Nine im amerikanischen, ab 1994 auch im deutschen Fernsehen. Dieser zweite Spin-Off der 1966-68 entstandenen legendären ersten Star Trek-Serie wurde bald sehr populär. Einer der Charaktere der Crew der Raumstation Deep Space Nine, auf der die Serie vorwiegend spielt, ist der „Formwandler“ Odo. Er ist zunächst das einzig bekannte Exemplar einer unbekannten Spezies, die jede Gestalt annehmen kann: Die Verwandlungssequenzen sind mit Morphing gestaltet worden (Abb. 2-6 zeigen Odo sich aus einer Tasche in seinen „Standardzustand“ verwandelnd). Im Verlauf der Serie stellt sich heraus, daß Odo zu einer Spezies gehört, die einen weit entfernten Teil der Galaxis beherrscht – den „Gründern des Dominions“. Diese üben ihre Gewaltherrschaft vorwiegend durch Armeen geklonter Krieger, den sogenannten „Jem‘Hadar“, und deren ebenso geklonten Leitern, den „Vorta“, aus. Wie dieser Einfall der Drehbuchautoren schon zeigt, verfügen die „Gründer“ über eine hochentwickelte Biotechnologie, mit der auch synthetische Drogen („Ketracel White“) herstellbar sind. Die „Gründer“ sind innerdiegetisch eine fremdartige und evolutionär hochentwickelte biologische Spezies und zugleich eine populäre Repräsentation der Gentechnik.
Odos Körper ist, obwohl er doch jede Form annehmen könnte, sehr menschlichen und traditionellen Geschlechterrollen zugeordnet. Dadurch, daß er weitgehend durch den Schauspieler René Auberjonois verkörpert wird, ist Odo als männlich ausgewiesen: Im Laufe der Serie entwickelt er eine heterosexuelle Beziehung zu Major Kira Nerys (Nana Visitor). Das Unbehagen über die polymorph-perversen Potentiale solch wandlungsfähiger Körper scheint gebändigt werden zu müssen. Obwohl Odo ein positiv besetzter Charakter ist, sind die flüssigen Körper der Formwandler generell negativ konnotiert. Die „Gründer des Dominions“ wollen gewaltsam ihre Ordnung auf die gesamte Galaxis ausdehnen. Außerdem unterwandern sie – da sie ja jede Gestalt annehmen können – im Verlauf der Serie immer wieder die Föderation der vereinigten Planeten, also jene fiktive politische Organisation, der die Raumstation DS9 angehört.

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Um die Implikationen solcher Darstellungen genauer beschreiben zu können, sind Foucaults Analysen der Bio-Macht hilfreich. Diese ab dem 18. Jahrhundert langsam auftauchende Machtform setzt beim einzelnen Körper „auf Steigerung seiner Fähigkeiten, die Ausnutzung seiner Kräfte, das parallele Anwachsen seiner Nützlichkeit und seiner Gelehrigkeit, seine Integration in wirksame und ökonomische Kontrollsysteme“[23]: „Eine solche Macht muß [...] qualifizieren, messen, abschätzen, abstufen.“[24] Mithilfe von Statistiken und Durchschnittswerten werden seit dem 19. Jahrhundert Normalitätszonen bestimmt, an denen sich Subjekte ausrichten müssen. Die Statistiken und Durchschnittswerte wurden durch eine immer stärkere wissenschaftliche und d.h. quantitative und vermessende Erfassung körperlicher Fähigkeiten und Phänomene möglich.[25] Diese Machtform ist produktiv, erzeugt Wissen über die Körper und erlaubt so eine vorausplanende Lenkung und Optimierung.
Eine besonders drastische Form ist die ab dem spätem 19. Jahrhundert durch Frederick W. Taylor und dann Frank B. Gilbreth entwickelte Arbeitswissenschaft und ihr scientific management. Gilbreth setzte chronofotografisch und kinematografisch gewonnene Bilder zur Analyse von Bewegungsabläufen von Arbeitern ein. Die optimierten Arbeitsabläufe wurden wiederum kinematografisch aufgezeichnet und konnten so als Vorbild für alle neuen Arbeitenden fungieren.[26] Wie sich an diesem letzten Beispiel deutlich zeigt, sind die Disziplinierungsprozeduren, um die „Nutzbarkeit und Gelehrigkeit“ der Körper zu steigern, zentrale Bedingungen der Entstehung der kapitalistischen Wirtschaftsordnungen.[27]

Die moderne Medizin hebt nach Foucaults historischen Untersuchungen an der Wende zum 19. Jahrhundert mit der klinischen Anatomie an. Das Wissen, das nun durch die (zuvor lange tabuisierte) Öffnung des Leichnams erzeugt wird, dient der Erkenntnis und Heilung der Krankheiten.[28] Die medizinischen Bildgebungsverfahren, die die Körper immer tiefgreifender durchleuchten schaffen neue Möglichkeiten zur Therapie, Pflege und Heilung. Auf diese Weise sorgen sie für höhere Produktivität und sind mithin eine Form der Bio-Macht. Die computergestützten Bildgebungsverfahren steigern die im ärztlichen Blick implizierte „Geometrie von Linien, Flächen und Massen“[29] und übertrumpfen damit den menschlichen Blick in den Körper. Dies gelingt aber nur, weil das digitalisierte Bild des Körpers eben einem „Netz von [...] Markierungspunkten“[30] unterworfen werden kann, also einer Formalisierung, die der von D‘arcy Wentworth Thompson formulierten und der im Morphing verwendeten ähnelt. Ohne die Verarbeitung durch Computer könnte man – anders als bei einfachem Einsatz von Röntgenstrahlen – weder in der Computertomographie, noch beim Magnet-Resonanz-Imaging Bilder erhalten. In der schon genannten Digitalen Substraktions-Angiographie dient das Warping dazu, überhaupt erst lesbare Bilder zu erzeugen. Die mit dem Morphing erzeugten Bilder flüssiger und beliebig transformierbarer Körper treten zu einer Zeit auf, in der die Formalisierung der Körperbilder schließlich in medizinisch genutzten Simulationsmodellen von Körpern und Körperteilen mündet. Die Computersimulationen des Körpers, die sich jenseits der Dichotomie von Leben und Tod befinden, werden dabei zunehmend zu normativen Modellen realer Körper.[31]

Das Phantasma, was sich im Lichte von Foucaults Analysen der Bio-Macht an die Gentechnologie anlagert, ist, nicht nur das Fleisch zu durchleuchten, vermessen und zu disziplinieren und durch die Beseitigung heute unheilbarer Krankheiten weiter zu optimieren, sondern das dem menschlichen Leben, dem menschlichen Körper zugrundeliegende Programm zu kontrollieren.[32] Die arbeitswissenschaftliche, medizinische, aber auch psychologische etc. Optimierung des Körpers würde unüberbietbar übertroffen, wenn man nicht erst auf der Ebene des fleischlichen Phänotyps, sondern schon auf der Ebene des strukturalen Genotyps intervenieren könnte. Eine solche strukturale Eugenik würde den erbitterten Widerstand der Kirchen, vieler Bürgerbewegungen und diverser Ethik-Komissionen auf sich ziehen.

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Aber wird das etwas nutzen? Die Betonung der Reinheit, Unantastbarkeit und – wenn man so will – morphologischen Konstanz des Körpers könnte in Widerspruch zu der – weniger häufig kritisierten – kapitalistischen Struktur der meisten heutigen Gesellschaftsformen stehen. Marx und Engels bemerkten schon 1848 zum Kapitalismus: „Alle festen, eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können.“[33] Der Kapitalismus benötigt permanente Veränderung, immer neue Moden und Märkte, die Freisetzung von Produktivkräften: Das Wort „flüssig“ steht nicht zufällig außer für einen bestimmten Aggregatzustand der Materie auch für die Zahlungsfähigkeit. Auch werden oft Metaphern wie „Kapitalströme“ oder „Warenzirkulation“ verwendet. Heute ist „Flexibilität“ das große Zauberwort des postfordistischen Akkumulationsmodells.[34] Die flexiblen Unternehmen werden im Marktkrieg[35] siegen, so wie die Gründer mit ihren flexiblen Körpern und ihren in industrieller Serie geklonten Kriegern die Macht über das Dominion ausüben.[36] Daß u.a. der evolutionsbiologische Begriff der „Fitness“ (Anpassung) für die Disziplinarpraktiken (Fitness-Studios) verwendet wird, die den eigenen Körper ausdauernd und leistungsfähig machen, ist bezeichnend: Ständige Selbstanpassung auch des eigenen Körpers und seiner Bedürfnisse an sich ständig verändernde Anforderungen eines zum natürlichen Gesetz erhobenen Marktes und dessen gottgleicher „unsichtbarer Hand“ ist die Devise.

Insofern die Distribution von Körperbildern Körperpraktiken mitreguliert, sind die Bilder der flexiblen Körper Teil der Strategie der Flexibilisierung.[37] Aziz und Cucher schreiben: „Die Idealisierung des Körpers, die seit der griechischen Klassik im Zentrum des Kunstmachens stand, hat angestachelt von den Bedürfnissen des Marktes, eine ästhetische und technische Schwelle überschritten, die in der Darstellung menschlicher Vollkommenheit gipfelt: einer Vollkommenheit, mit der selbst die Götter nicht mehr mithalten können.“[38] Die höchste Vollkommenheit ist heute die unbegrenzte Verwandlungsfähigkeit: Sie findet sich in den phantasmatischen Figuren der Top-Models: Deren „Fähigkeit zur Metamorphose“ und die Fähigkeit „Körper und Physiognomie total zu beherrschen“[39] gilt als die Vollendung der Schönheit – ein besonders bekanntes Beispiel dafür ist die chamäleonhafte Linda Evangelista (Abb. 7 [Fotografie: Jürgen Teller] und Abb. 8). An den Top-Models zeigt sich deutlich, daß das flexible Körperideal ein Befehl zur Selbstdisziplin ist.
Der wandlungsfähige Körper findet sich ebenso in Musikvideos: 1991 erscheint Black or White von Michael Jackson, dem „Prothesenkind, [dem] Embryo aller erträumten Mutationsformen, die uns von der Rasse und dem Geschlecht erlösen.“[40] In dem Video verwandeln sich u.a. Menschen beiderlei Geschlechts und verschiedener Herkünfte fließend ineinander. Alle tatsächlichen Ungleichheiten zwischen Rassen (z.B. im Verhältnis der „ersten“ zur „dritten“ Welt) und Geschlechtern werden in den flüssigen Morphings geleugnet und machen einer Family of Man Platz.[41] Ungleichheiten und Differenzen erscheinen nur als mühelos überwindbare, temporäre Fixierungen einer fließenden universellen Äquivalenz, die dem Äquivalenzcharakter des Geldes gleicht.
Abb. 9 zeigt eine Werbung des Druckerherstellers OKI, in der 1996 selbstverständlich auf den flexiblen Körper rekurriert, dabei bezeichnenderweise eine schwarze Frau zeigt, die in eine nicht-schwarze metallische Masse übergeht und diesen Prozeß mit „grenzenlose[r] Anpassungsfähigkeit“ assoziiert.[42] Das Bild ist eine Chiffre für die ökonomischen und biopolitischen Zwänge, den Körper und das Selbst „flexibel“ zu machen.
Die ständige Selbstveränderung ist auch auf anderer Ebene gängige Praxis: In den von Turkle diskutierten Internet-Rollenspielen (sogenannte Multi User Dungeons/Domains) nehmen die Spieler verschiedene Personae bzw. Körperbilder an und können so spielerisch erfahren, wie es ist eine oder ein andere/r zu sein: Turkle weist selbst daraufhin, daß solche Praktiken als Training für Flexibilität dienen können.[43] Das manchmal als „subversiv“ oder „emanzipativ“ gepriesene „multiple Subjekt“ der Netznutzer oder der Leute in der sogenannten „Postmoderne“ ist so betrachtet alles andere als subversiv, sondern einfach nur eine hegemoniale Form von „flexibler“ Subjektivität.
Eine andere Weise, in der sich diese hegemoniale Subjektivität zeigt, ist der zunehmende Zerfall sozialer Beziehungen: Wenn der oder die Partner/in plötzlich als Hindernis der eigenen Mobilität erscheint, wird die Beziehung eben weggeworfen wie jeder andere Konsumabfall. Michel Houellebecqs Romane Ausweitung der Kampfzone und Elementarteilchen haben ja nur deswegen solchen Wirbel ausgelöst, weil sie diesen Punkt treffen: „Wie der Wirtschaftsliberalismus – und aus analogen Gründen – erzeugt der sexuelle Liberalismus Phänomene absoluter Pauperisierung. [...] Manche treiben es mit hundert Frauen, andere mit keiner. Das nennt man das ‚Marktgesetz‘. [...] Der Wirtschaftsliberalismus ist die erweiterte Kampfzone, das heißt er gilt für alle Altersstufen und Gesellschaftsklassen. Ebenso bedeutet der sexuelle Liberalismus die Ausweitung der Kampfzone, ihre Ausdehnung auf alle Altersstufen und Gesellschaftsklassen.“[44]
Dasselbe gilt für Kinder: Die konservativen Klagen über die zunehmende Unwilligkeit der Bürger, Kinder zu produzieren laufen ins Leere, da die konservativen Kräfte aus ideologischer Verblendung nicht sehen können, daß es der neoliberale Flexibilisierungsdruck ist (und nicht irgendein aus sich selbst heraus stattfindender „Werteverfall“), der den Nachwuchs zunehmend als Störung der für die Karriere notwendigen Flexibilität erscheinen läßt.

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Aziz und Cucher schreiben auch: „Das menschliche Genomprojekt wird derzeit als größter wissenschaftlicher Fortschritt der Menschheit propagiert [...] Wenn aus der Biologie ausschließlich eine Funktion des genetischen Codes gemacht wird, dann wird sie lediglich zu einem weiteren Bereich der Kommunikationsforschung. [...] Einige grenzenlos enthusiastische Menschen glauben, daß diese Technologien unbeschränkte Möglichkeiten hinsichtlich der Rekonfiguration des Selbst bieten.“[45] In ihrer künstlerischen Arbeit wollen sie dieser Euphorie ein „Gefä[ß] für das Mitleiden“[46] entgegenstellen. In ihrer Serie The Dystopia (1994) sieht man Portraits, bei denen mit relativ einfachen Kunstgriffen digitalen Image Processings alle Körperöffnungen mit Haut überzogen wurden (Abb. 10-12 zeigen Chris, Ken, Maria). Die Verschiebung der Körperform wird hier als negative Utopie gezeichnet. Niemand kann mehr sprechen, riechen, hören, schmecken, atmen oder etwas sehen, niemand kann sich orientieren und kommunizieren. Naheliegend ist der Schluß, daß die Künstler hier das „Verschwinden des mentalen Raums“ und „extreme[...] menschliche[...] Isolation“[47] thematisieren, d.h. die zukünftige Unmöglichkeit von Kommunikation und die Unmöglichkeit, sich noch „mit den eigenen Augen“ ein Urteil bilden zu können. Aber wieso können die Bilder über diesen eher simplen Kulturpessimismus hinaus eine „Zuflucht für Menschlichkeit“[48] bieten?

Aziz und Cucher rekurrieren in The Dystopia auf die Form des fotografischen Portraits. Dieses wurde nach der offiziellen Vorstellung der Fotografie 1839 bald eine der wichtigsten Verwendungsweisen des neuen Mediums, die zu einer tendenziellen Demokratisierung der Selbstdarstellung führte. Seit der Entwicklung des Rollfilms und der ersten Kodak-Kamera 1889 spielte das Portrait in der Familienfotografie eine zunehmend wichtigere Rolle für den Familienverband: Der Mobilisierung der Arbeitskräfte im sich entwickelnden Kapitalismus entsprach ein Medium, das Höhepunkte des Familienlebens fixieren, reproduzierbar und transportabel machen konnte. Durch die Familienfotos auf Schreibtischen wurde und wird die zunehmende Trennung (zumeist) von Vätern und dem Rest der Familie medial kompensiert und mithilfe des Familienalbums wurde und wird die Geschichte und Kohärenz der Familie immer wieder neu inszeniert. Außerdem wurde das fotografische Portrait schon bald ein zentrales Mittel der kriminalistischen Verfolgung, Erfassung und Klassifizierung von Subjekten.[49] Das fotografische Portrait ist gerade in dieser Doppelung zwischen der Produktion eines (idealisierten) normalen Körperbildes und der Produktion eines anormalen Anderen ein unverzichtbares Mittel der Konstruktion des bürgerlichen „Individuums“.[50] Die Bilder von Aziz und Cucher zitieren in den verschiedenen Posen und Haartrachten der fotografierten Subjekte und darin, daß die Portraits mit Namen gekennzeichnet sind, die Tradition des Portraits des individuellen Normal-Bürgers[51] und zeigen auch geschlechtliche, „rassische“ und Altersdifferenzen. Jedoch sind alle Sinnesorgane getilgt.
Die „Zuflucht für Menschlichkeit“ besteht paradoxerweise gerade darin, daß die Portraits „Personen“ („Chris“, „Ken“, „Maria“) zeigen, deren Schnittstellen zum Außen (Augen, Mund, Nase, Ohren) von der Haut verschlossen sind. In gewisser Weise behaupten diese Bilder also eine Unabhängigkeit des Individuums von der Außenwelt (die Portraitierten sind auch unbekleidet), die doch erst das Subjekt strukturiert und hervorbringt und gerade in Hinsicht auf Geschlecht, Alter oder Hautfarbe immer wieder repressive Hierachien errichtet hat (auch bei Aziz und Cucher findet sich so betrachtet wieder eine Family of Man).
Man sieht auf diesen Bildern die Funktion des „Haut-Ich“, Zusammenhalt der Psyche und Individuation zu gewährleisten.[52] Die Haut ist aber nicht nur eine Grenzfläche des „Individuums“[53], sondern auch Schnittstelle zum Außen – nämlich als Organ des Tastsinnes, das in The Dystopia alle anderen Sinnesorgane verdrängt hat: „Von allen Organen mit sensorischer Funktion besitzt der Tastsinn ein Unterscheidungsmerkmal, welches ihn nicht nur am Ursprung der Psyche ansiedelt, sondern das es außerdem ermöglicht, daß der Psyche dauerhaft etwas zur Verfügung gestellt wird [...]; dabei handelt es sich um den Hintergrund, auf dem sich psychische Inhalte als Figur abbilden, oder auch um die umfassende Hülle, die dafür sorgt, daß der psychische Apparat Inhalte aufnehmen kann.“[54]
In ihrer neueren Serie Interiors (Abb. 13, 14 zeigen Interior Study #5, 2000; einmal ganz, einmal im Detail) wird die Haut als Thema wieder aufgegriffen. Aziz und Cucher betonen den engen Zusammenhang zwischen der Serie und The Dystopia: „In dem Sinne, daß der Betrachter [in Interiors, J.S.] mit einem Hautinnenraum [...] konfrontiert wird. [...] Die Dystopia Serie waren Portraits des Äußeren von Subjekten, die sich ‚nach innen‘ gekehrt haben.“[55] Das Interior ist also nicht nur ein leerer Innenraum, sondern eine umfassende und zugleich architektonisch stabile und feste Hülle aus Haut: So gesehen ist es Bild für das vom Haut-Ich zusammengehaltene Subjekt, für dessen „Innenleben“. In den Interiors verschwindet „die Umgebung vollkommen ins Bewußtsein des Subjekts.“[56]
Das Licht, das in Interior Study #5 durch im Außerbildraum befindliche „Fenster“ in die Szene fällt, erinnert in diesem Zusammenhang an eine Beschreibung des Erkenntnisprozesses bei Locke in dessen Essay concerning human understanding von 1690. Für Locke sind „äußere und innere Sensationen die einzigen für mich erkennbaren Wege, auf denen Erkenntnisse in den Verstand gelangen. Sie allein sind [...] die Fenster, durch die das Licht in diesen dunklen Raum eingelassen wird. Denn meines Erachtens ist der Verstand einem Kabinett gar nicht so unähnlich [...].“[57] Diese Anspielung auf ein im 17. Jahrhundert entwickeltes Modell von Subjektivität, in dem das Innen und das Außen sorgfältig separiert sind, zeigt erneut, daß Anthony Aziz und Sammy Cucher den „unbeschränkte[n] Möglichkeiten hinsichtlich der Rekonfiguration des Selbst“[58] ein (vielleicht alt-humanistisches) Ideal eines autonomen und stabilen Subjekts entgegensetzen. Die nach innen gekehrten Subjekte in The Dystopia können als Geste der Verweigerung gegen die permanente Anpassung an die Anforderungen des Außen gelesen werden. Die Künstler zeigen – trotz Image Processing – keinen „zerfließenden Körper“[59], der, wie Anzieu an den Gemälden Francis Bacons (Abb. 15: [Bild 1] aus: Triptych Inspired by T.S. Eliot’s Poem ‚Sweeney Agonists‘, 1967) aufzuweisen sucht[60], gerade Zeichen für eine gefährdete Stabilität des Subjekts ist.

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Zeichnet sich am Horizont, mit solchen und trotz solcher Gegenentwürfe, die Auflösung der nächsten „altehrwürdigen Vorstellung“ (Marx/Engels): Der Menschen-Form ab? Die Frage ist hier nicht, ob die Gentechnik den formwandelnden Körper jemals wirklich hervorbringen wird – aus heutiger Sicht ist das sehr unwahrscheinlich. Es scheint vielmehr, daß die Phantasmen über die angeblichen Möglichkeiten der Gentechnologie (und der Computertechnologie) gegenwärtig mit den angedeuteten hegemonialen Diskursen des Neoliberalismus eine Verbindung eingehen. Diese Artikulation hat die Funktion, die Flexibilisierung zu naturalisieren und als den logischen Weg in die Zukunft darzustellen – einer Zukunft, in der der technische Fortschritt auch noch die letzten Hindernisse einer physischen und psychischen Totalmobilmachung für die entfesselten Märkte beseitigt haben wird.[61] In der von Deep Space Nine ausgemalten Zukunft überschreiten die „Gründer“, wenn es ihren imperialistischen Zielen dienlich ist, mühelos jede Grenze von Geschlecht und Hautfarbe, aber das sind für diese (nicht nur kollektiv lebenden, sondern als Einzelwesen namenlosen) Übermenschen nur Atavismen aus einer Vergangenheit, in der der Körper noch nicht struktural optimiertes Material und seine Konstanz eine Bedingung der sogenannten „Individualität“ war.

Zu beantworten bleibt aber, wieso die flexiblen Körper oft so negativ und bedrohlich dargestellt werden, denn wenn die Flexibilisierung hegemoniale Strategie ist, müßte man doch erwarten, daß die flexiblen Gentech-Körper positiv konnotiert wären: Nicht nur die „Formwandler“ aus DS9 sind negativ gezeichnet, sondern auch der flüssige Roboter „T-1000“ aus Terminator 2.[62] Vielleicht liegt das einfach daran, daß sich die gegenwärtige Kultur in einer Übergangszeit befindet, in der sich der hegemoniale Diskurs der gen- und computertechnisch gestützten Flexibilisierung gerade erst zu formieren beginnt und in Widerspruch zu dem noch immer dominierenden Modell des „Individuellen“ oder zu den weiterhin (noch?) notwendigen hierarchischen Oppositionen wie z.B. weiß / schwarz, Mensch / Tier oder Mensch / Maschine oder männlich / weiblich steht.
Daher erklärt sich einerseits, warum in DS9 Odos potentiell polymorphe Sexualität auf ein heterosexuelles Schema reduziert wird: Der extrem negativ konnotierte flüssige Roboter T-1000 aus Terminator 2 ist demgegenüber über weite Strecken des Films als polymorph dargestellt, was erstens an der – im Vergleich zu Schwarzenegger – androgynen Erscheinungsweise des Schauspielers Robert Patrick liegt. Zweitens gibt es eine Szene, in der sich der T-1000 (anders als Odo) in eine Frau verwandelt. Drittens sieht man in dem Film eine bemerkenswerte Sequenz, in der der gefrorene T-1000 in tausend Stücke zerspringt: Als durch ein nahegelegenes Feuer der Ort des Geschehens zunehmend erwärmt wird, schmelzen die Bruchstücke und die so entstandenen, quecksilbrigen Tropfen fließen wie voneinander angezogen zusammen und bilden eine große, silbrige, zuckende Pfütze, aus der sich schließlich wieder der Körper des T-1000 erhebt. Der sexuelle Polymorphismus und die flüssige Unzerstörbarkeit lassen den T-1000 als Bild einer entfesselten, nicht mehr (patriarchal?) kontrollierten, Libido lesbar werden. Diese könnte man mit Lacan die „Lamelle“ nennen: „Diese Lamelle ist etwas Extraflaches, das sich fortbewegt, fortschiebt wie eine Amöbe. [...] Und da es etwas ist [...], was ein geschlechtliches Wesen in der Geschlechtlichkeit verliert, ist es, nicht anders als die Amöbe im Vergleich zu den geschlechtlichen Wesen, unsterblich. Es
überlebt jede Spaltung und jeden teilenden Eingriff. Und es läuft. [...] Diese Lamelle [...] ist die Libido.“[63]
Andererseits aber sind solche Fernsehserien und Filme wie DS9 oder Terminator 2 vielleicht auch so populär, weil sie Anschlüsse für Skepsis gegenüber dem (gentechnologisch oder computertechnologisch) optimierten flüssig-effizienten-hypertranssexuellen Körper (noch?) ermöglichen – und das wäre nicht bloß ein Anachronismus...



ABBILDUNGEN:

Abb. 1 Grandville (Jean-Ignace-Isidore Gérard), Metamorphosis of a Dream, 1844.

Abb. 2 Odo, aus: Star Trek – Deep Space Nine.
Abb. 3 Odo, aus: Star Trek – Deep Space Nine.
Abb. 4 Odo, aus: Star Trek – Deep Space Nine.
Abb. 5 Odo, aus: Star Trek – Deep Space Nine.
Abb. 6 Odo, aus: Star Trek – Deep Space Nine.
Abb. 7 Linda Evangelista, fotografiert von Jürgen Teller.

Abb. 8 Linda Evangelista.
Abb. 9 OKI-Werbung, 1999.

Abb. 10 Anthony Aziz / Sammy Cucher: Chris, aus der Serie The Dystopia, 1994.
Abb. 11 Anthony Aziz / Sammy Cucher: Ken, aus der Serie The Dystopia, 1994.
Abb. 12 Anthony Aziz / Sammy Cucher: Maria, aus der Serie The Dystopia, 1994.

Abb. 13 Anthony Aziz / Sammy Cucher: Interior Study #5, aus der Serie Interiors, 1999.

Abb. 14 Anthony Aziz / Sammy Cucher: Interior Study #5, aus der Serie Interiors, 1999; Detail.
Abb. 15 Francis Bacon: [Bild 1] aus: Triptych Inspired by T.S. Eliot’s Poem ‚Sweeney Agonists’, 1967.





[1] Karl Marx. Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. Berlin (Ost): Dietz 1953, S. 433. Hervorhebung, J.S.
[2] Ein anderer Aspekt wäre das Schreckensbild einer zukünftigen genetischen Klassengesellschaft, wie es in dem amerikanischen Film Gattaca (1997, R: Andrew Niccol) ausgemalt und in der Praxis britischer Versicherungsunternehmen bereits real wird. Ein solches Szenario ist gewissermaßen eine orwellianische Utopie der Gentechnik, im vorliegenden Aufsatz geht es abr um ein neoliberales Phantasma über die Möglichkeiten der Gentechnik.
[3] Vgl. Bruce Sterling. Schismatrix. Hamburg: Argument 2000.
[4] Gilles Deleuze. Foucault. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1987, S. 175.
[5] In seiner Diskussion von Foucaults These vom „Verschwinden des Menschen“ (ebd., S. 175-189) bringt auch Deleuze das Ende der „Menschen-Form“ mit den „Ketten des genetischen Codes“ und den „Potentialitäten des Siliziums in den Maschinen der dritten Art“ in Verbindung (insb. S. 187/188).
[6] Vgl. N. Katherine Hayles. How We Became Posthuman. Virtual Bodies in Cybernetics, Literature and Informatics. Chicago and London: Chicago University Press 1999. Hayles zeichnet die Herkunft des „posthumanistischen“ Diskurses aus der Kybernetik und dessen Veränderungen nach.
[7] Vgl. Roger Warren Beebee. After Arnold. Narratives of the Posthuman Cinema. In: Vivian Sobchack (Hg.). Meta-Morphing. Visual Transformation and the Culture of the Quick-change. Minneapolis/London: University of Minnesota Press 1999, S. 159-179.
[8] Mark J.P. Wolf. A Brief History of Morphing. In: Sobchak, Meta-Morphing, S. 83-102.
[9] D‘Arcy Wentworth Thompson. Über Wachstum und Form. Suhrkamp: Frankfurt a.M. 1983, S. 329/330.
[10] Ovid. Metamorphosen. Stuttgart: Reclam 1993, S. 23.
[11] Thompson, Wachstum, S. 330.
[12] Vgl. Barbara Maria Stafford. Body Criticism. Imaging the Unseen in Enlightenment Art and Medicine. Cambridge, Mass./London: The MIT Press, S. 437-450.
[13] James D. Foley/Adries van Dam/Steven K. Feiner/John F. Hughes. Computer Graphics. Principles and Practice. Reading, Mass. u.a.: Addison Wesley 1990, S. 816.
[14] Vgl. http://nssdc.gsfc.nasa.gov/nmc/tmp/1964-041A-1.html. Vgl. zur Verfahrensweise von Vidicon-Röhren George Wolberg: Digital Image Warping. Los Alamitos: IEEE Computer Society Press 1990, S. 33/34.
[15] Vgl. Fred C. Billingsley: Processing Ranger and Mariner Photography. In: Journal [of the] Society of Photo-Optical Instrumentation Engineers, Vol. 4, No. 4, April/May 1966, S. 147-155. Billingsley, S. 147, spricht vom IBM 7094, während Ken Sheldon: Probing Space by Camera. The Development of Image Processing at NASA`s Jet Propulsion Laboratory. In: Byte. März 1987, S. 143-148, hier S. 145, behauptet, man hätte am IPL einen IBM 360/44 eingesetzt.
[16] Wolberg, Digital Image Warping, S. 1.
[17] Sheldon, Probing Space, S.145-147.
[18] Michel Foucault. Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. Frankfurt a.M.: Fischer 1999, S. 103 und 207.
[19] Vgl. Wolberg 1990, S. 3. Es zeigt sich an allen Beispielen aus Militär, Raumfahrt und Medizin, daß dort das Image Processing, die Manipulation gerade Bedingung des referentiellen Bezugs der Bilder war und ist. Dies steht offensichtlich vielen zeitgenössischen Klagen über den Referentialitätsverlust durch die leichte Manipulierbarkeit digitalisierter Bilder entgegen.
[20] In einer E-Mail vom 15.02.2000 präzisierte Mr. Brigham: „The 1982 SIGGRAPH reference was a video shown in the Electronic Theatre (the Siggraph film show). I showed morphing examples there in 1982, 83, 84, 85, 86, 87, 88. I also gave a course called Advanced Image Processing in 1984 which included morphing. Likewise courses in 85 and 86 titled Special Effects.“ Scott Anderson. Morphing Magic. Indianapolis: Sams 1993, S. 81, behauptet, daß die Algorithmen, die Brigham für seine ersten Morphing-Sequenzen benutzte, jene der NASA und der medizinischen Visualisierung waren.
[21] Auf die Herkunft dieser „fotografischen“ Zielsetzung in der Computergrafik kann ich hier nicht detailliert eingehen, vgl. dazu Martin E. Newell / James F. Blinn: The Progression of Realism in Computer Generated Images. In: Association for Computing Machinery (Hg.) Proceedings of the Annual Conference 1977. New York 1977, S. 444-448. Wie Wolberg, Digital Image Warping, S. 222/223, bemerkt, liegt darin, daß „any technique to accurately render fur, feathers and skin“ extrem viel Rechenresourcen bräuchte, der Grund, warum die meisten Spezialeffekte von digitalisierten und vordem fotografischen Bildern von Lebewesen und nicht von computergenerierten Modellen ausgehen.
[22] Vgl. zum Morphing und zu Terminator 2 auch Jens Schröter. Ein Körper der Zukunft. Zur Geschichte, Semantik und zu den Implikationen der Morphingkörper. In: Doris Schumacher-Chilla (Hg.) Das Interesse am Körper. Strategien und Inszenierungen in Bildung, Kunst und Medien. Essen: Klartext 2000, S. 250-268.
[23] Michel Foucault. Sexualität und Wahrheit. Bd. 1: Der Wille zum Wissen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986, S. 166.
[24] Ebd., 172. Vgl. auch Michel Foucault. Überwachen und Strafen. Frankfurt a.M.: 1994, S. 173-181; insb. 175/176. Die Bio-Macht umfaßt noch die zweite Komponente der demografischen Kontrolle und Pflege des „Volkskörpers“. Darauf wird hier nicht eingegangen.
[25] Vgl. Jürgen Link. Versuch über den Normalismus: wie Normalität produziert wird. Opladen u.a.: Westdeutscher Verlag 1999, insb. S. 185-312 und 327-333, und Alan Sekula. The Body and the Archive. In: Richard Bolton (Hg.). The Contest of Meaning. Critical Histories of Photography. Cambridge/Mass. & London: MIT Press 1993, S. 343-389.
[26] Vgl. Frank Bunker Gilbreth: Bewegungsstudien: Vorschläge zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des Arbeiters. Berlin: Springer 1921.
[27] Vgl. Foucault, Sexualität, 168.
[28] Vgl. Foucault, Klinik.
[29] Foucault, Klinik, 180.
[30] Wie Foucault, ebd. über den ärztlichen Blick bemerkt.
[31] Die spektakulärste Form, in der computergespeicherte Bilder des Körpers zur Zeit verfügbar sind, ist das „Visible Human Project“ (http://www.uke.uni-hamburg.de/institute/imdm/idv/forschung/vhp/). Ein in Texas zum Tode verurteilter Mann vererbte seinen Körper (also doch noch ein Leichnam) der Medizin. Dieser wurde geröntgt, einem MRI unterzogen und schließlich tiefgefroren und in 1878 je ein Millimeter dicke Scheiben zersägt. Diese wurden je einzeln als digitale Fotos aufgezeichnet. So liegt jetzt ein Modell eines männlichen Körpers vor (genannt „Adam“; inzwischen ist auch „Eva“ hinzugekommen), der aus allen Blickwinkeln betrachtet werden kann: „Steht für die Datenmanipulation die Rechenleistung von Supercomputern zur Verfügung, lassen sich auch Körperbewegungen und Verdauungsvorgänge simulieren“ (FAZ vom 14.12.1994, Nr. 290, S. N3): Ein gespenstisches Leben des Toten erhebt sich aus dem Rechner. Dieses Modell kann und soll für die medizinische Ausbildung genutzt werden und würde dann die Ausbildung an echten Körpern erübrigen.
[32] Das Konzept des Programms verbindet die Computer- mit der Gentechnologie: Nicht zufällig wird seit der Artificial Life-Konferenz in Los Alamos, New Mexico, von 1987 die Künstliche Intelligenz langsam vom Künstlichen Leben verdrängt, einem Projekt, das „die logische Form eines Organismus aus seiner biochemischen Wetware zu abstrahieren“ sucht und so erlauben soll, virtuelle Organismen mit einer letztlich eigenständigen Evolution zu erzeugen (Vgl. Hans-Joachim Metzger. Genesis in Silico. Zur digitalen Biosynthese. In: Martin Warnke, Wolfgang Coy, Georg-Christoph Tholen (Hg.). HyperKult. Geschichte, Theorie und Kontext digitaler Medien. Basel: Stroemfeld/Nexus 1997, S. 461-510, hier: 464).
[33] Karl Marx / Friedrich Engels. Manifest der kommunistischen Partei. Peking: Verlag für fremdsprachige Literatur 1970, S. 36/37. Hervorhebung, J.S.
[34] Vgl. kritisch dazu Anna Pollert. The Orthodoxy of Flexibility. In: dies. (Hg.). Farewell to Flexibility? Oxford: Blackwell Publishers 1991, S. 3-31, und Joachim Hirsch. Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus. Berlin: ID-Archiv 1995, insb. S. 75-100.
[35] Zur (Liberalisierungs-)Politik als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, vgl. auch Michel Foucault. Vom Licht des Krieges zur Geburt der Geschichte. Berlin: Merve 1986.
[36] „Dominion“ bedeutet Herrschaft, hat aber noch eine zusätzliche Konnotation: Die selbstverwalteten Gebiete innerhalb des britischen Kolonialreiches wurden ebenfalls als „Dominion“ bezeichnet: D.h. die Herrschaft der „Gründer“ verweist (gewollt oder ungewollt) auf die kapitalistische Kolonialisierung der heute sogenannten „Dritten Welt“. Außerdem wird der erste Kontakt zum Dominion bei DS9 in der, zuerst in den USA am 06.11.93 und in der BRD am 06.09.94 ausgestrahlten, Episode Rules of Acquisition (aka Here‘s looking at you, dt. Profit oder Partner, Ep. 25) ausgerechnet durch die als dezidiert profitorientiert gekennzeichneten „Ferengi“ über Handelsbeziehungen hergestellt.
[37] Vgl. dazu Margret Jäger / Ernst Schulte-Holtey / Frank Wichert. Biomacht und Medien. Neue Formen der Regulierung von Bevölkerungen. In: dies. und Siegfried Jäger / Ina Ruth (Hg.). Biomacht und Medien. Wege in die Biogesellschaft. Duisburg: DISS 1997, S. 8-29, hier insb. S. 13/14. Vgl. Stuart Ewen. All Consuming Images. The Politics of Style in Contemporary Culture. New York: Basic Books 1988, insb. S. 176-191, wo der Autor die Veränderung von Schönheitsidealen mit sich verändernden Formen kapitalistischer Hegemonie in Verbindung bringt.
[38] Anthony Aziz / Sammy Cucher. Nachrichten aus Dystopia. In: Kunstforum, Bd. 132, 1996, 172-175, hier S. 175, Hervorhebung, J.S.
[39] Immo Wagner-Douglas / Peter Wippermann. The Body is the Message. Das Bild vom Körper in den Medien. In: Kunstforum, Bd. 141, 1998, S. 185-195, hier S. 193.
[40] Jean Baudrillard. Transparenz des Bösen. Ein Essay über extreme Phänomene. Berlin: Merve 1991, S. 29.
[41] „Family of Man“ spielt auf die gleichnamige, von Edward Steichen 1955 kuratierte, Fotoausstellung an, vgl. zu den ideologischen Implikationen dieser Ausstellung Allan Sekula. The Traffic in Photographs. In: Art Journal, Vol. 41, No. 1, 1981, S. 15-25, hier: S. 19-21. In Darstellungen wie der oben genannten Morphing-Sequenz aus Willow wird auch die hierarchische Ungleichheit zwischen Mensch und Tier schlicht negiert.
[42] Aus: c‘t 6/99, S. 163.
[43] Vgl. Sherry Turkle: Life on the Screen. Identity in the Age of the Internet. New York: Touchstone 1995, S. 255/256. Turkle bezieht sich dabei auf Emily Martin. Flexible Bodies. Tracking Immunity in American Culture – from the Days of Polio to the Age of AIDS. Boston: Beacon Press 1994.
[44] Michel Houellebecq. Ausweitung der Kampfzone. Berlin: Wagenbach 1999, S. 99.
[45] Aziz / Cucher, Nachrichten, S. 172/173. Mit „Technologien“ meinen sie außer der Gen- auch die Computertechnologie. In „Die Formen, mit denen wir leben: Ein Gespräch mit Aziz + Cucher, Von Thyrza Nicholas Goodeve“. In: Frauen, Kunst, Wissenschaft, Nr. 30, 2000, S. 55-63, hier S. 57 betont Anthony Aziz, daß die „Werke im Kontext des Übergangs zwischen dem Biologischen und dem Biotechnologischen erstellt werden.“
[46] Aziz / Cucher, Nachrichten, S. 175.
[47] Ebd., S. 174/175.
[48] So die Übersetzung des „Gefäßes für Mitleiden“ in: Hubertus v. Amelunxen, Stefan Iglhaut, Florian Rötzer (Hg.) Fotografie nach der Fotografie. Dresden/Basel: Verlag der Kunst 1995, S. 129.
[49] Vgl. Susanne Regener. Fotografische Erfassung. Zur Geschichte medialer Konstruktionen des Kriminellen. München 1999.
[50] Vgl. Sekula, Traffic, S. 16.
[51] Kriminelle werden seit Bertillon in standardisierter Profil- und Frontalansicht aufgenommen, vgl. Sekula, Body and Archive, S. 357-364, und Regener, Fotografische Erfassung, S. 131-167.
[52] Zum Begriff des „Haut-Ich“ und seinen Funktionen vgl. Didier Anzieu. Das Haut-Ich. Frankfurt a.M. 1991, insb. S. 131-144.
[53] Das auch deswegen „Individuum“ heißt, weil jeder nicht selbstverursachte Eingriff in die Haut (außer im Bereich der medizinischen Pflege und der kosmetisch-chirurgischen Optimierung) als zu verurteilende Verletzung der „Unversehrtheit“ geahndet wird.
[54] Ebd., S. 113.
[55] Aziz / Cucher, Formen, S. 61.
[56] Ebd.
[57] John Locke. Über den menschlichen Verstand: in vier Büchern. Hamburg: Meiner 31976, S. 184/185. Vgl. Jonathan Crary. Techniques of the Observer. Cambridge, Mass. / London: MIT Press 1990, S. 38-43, wo Crary im Zusammenhang mit Locke und Descartes von „metaphysics of interiority“ (39) und dem „interiorized [...] subject“ (40) spricht. Eine Passage aus Descartes‘ 1641 verfaßten Meditationen über die Grundlagen der Philosophie. Hamburg: Meiner 31992, S. 61 erinnert wiederum verblüffend an The Dystopia: „Ich werde jetzt meine Augen schließen, meine Ohren verstopfen und alle meine Sinne ablenken. [...] [M]it mir allein will ich reden, tiefer in mich hineinblicken und so versuchen, mir mein Selbst nach und nach bekannter und vertrauter zu machen.“
[58] Aziz / Cucher, Nachrichten, S. 173.
[59] Anzieu, Haut-Ich, S. 132.
[60] Vgl. Didier Anzieu. La peau, la mère et le miroir dans le tableaux de Francis Bacon. In: ders. Le corps de l‘oeuvre. Essais psychanalytiques sur le travail createur. Paris: Gallimard 1981, S. 333-339, insb. S. 333: „La Moi-peau n‘enveloppe pas ou plus et l‘intérieur qu‘il retient insuffisamment menace de s‘écouler“, siehe auch Ernst van Alphen: Francis Bacon and the Loss of Self. London: Reaktion Books, 1992. Ich möchte nicht unterschlagen, daß die hier vorgeschlagene Lesart der Arbeiten von Aziz und Cucher in Widerspruch zu anderen Äußerungen der Künstler steht. So sehen sie in ihren Interiors auch eine „‚psychastenische‘ Utopie“, d.h. einen „Traum von einem regressiven, mutterleibartigen Raum, in dem es keinen Unterschied mehr zwischen Subjekt und Umwelt gibt“ (Aziz / Cucher, Formen, S. 62; Hervorhebung, J.S.). Den Begriff der „Psychasthenie“ beziehen sie dabei von Roger Caillois. Mimicry and Legendary Psychasthenia. In: October, No. 31, 1984, S. 16-32.
[61] Vgl. Tiziana Terranova. Digital Darwin: Nature, Evolution, and Control in the Rhetoric of Electronic Communication. In: New Formations, No. 29, 1996, S. 69-83.
[62] Am Rande sei bemerkt, daß die erfolgversprechende Anpassungsfähigkeit leider auch ein altes antisemitisches Klischee ist, das Woody Allen in seinem Film Zelig (USA 1983) durch die Formwandlung des Protagonisten (aber natürlich ohne bezug auf Bio- oder Computertechnologien) ironisch kommentiert. Mit Dank an Holger Steinmann.
[63] Jacques Lacan. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Das Seminar Buch XI. Weinheim/Berlin: Quadriga 1987, S. 207. Dementgegen sind wieder die Arbeiten von Aziz / Cucher zu sehen: Dadurch, daß in The Dystopia die Münder (und mutmaßlich auch alle weiteren) Körperöffnungen versperrt sind, gibt es keine erogenen Zonen mehr, sind diese doch durch ihre „Randstruktur“ (Lacan, ebd., S. 176 und 181) definiert – die Subjekte in The Dystopia sind sexuell gezähmt und auch in diesem Sinne ist The Dystopia eine „Zuflucht für Menschlichkeit“ – einer Menschlichkeit, die sich am Bild einer stabilen „Menschenform“ (Deleuze) orientiert.